Aus der Bewegung

100 Jahre Landwirtschaftlicher Kurs – wie lebendig ist er?

Bericht aus dem Demeter-Grundlagenforum

Biodynamisch ist wesentlich eine Praxis, und auch bei Demeter geht es ums Tun: Erzeugen, Verarbeiten, Handeln und Kommunizieren. Aber zugleich hat das alles seinen Ursprung in einem Buch, genauer gesagt in der Dokumentation von acht Vorträgen Rudolf Steiners,
gehalten in Koberwitz. Wie leben die dort von Rudolf Steiner 1924 dargestellten Bilder und Impulse heute im Demeter-Verband, seinen Mitgliedern und Mitwirkenden? Und wie kann die Arbeit mit dem Landwirtschaftlichen Kurs neu fruchtbar werden für die biodynamische Bewegung?

Das war Thema des diesjährigen Demeter-Grundlagenforums im März

Die Relevanz sollte uns klar sein: Steiners Kurs war der Startschuss für den Ökologischen Landbau, und viele Jahrzehnte die Kraft für die Biodynamiker, die Speerspitze für diesen zu sein, bis auch die organisch-biologische Bewegung erstarkte. Er war der Impuls für solide Forschung zum Ökolandbau und er stellt nach wie vor die bohrende Frage nach einem nachhaltigen Ernährungssystem.

Aber ist das, was drinsteht noch aktuell? Gültig? Relevant? Es ist ja 100 Jahre her!

Also inspirierend ist auf jeden Fall, so war beim aktuellen Grundlagenforum zu bemerken. Auch hat sich manches als wissenschaftlich belastbar erwiesen, neuere Forschungsmethoden erschließen nun auch das Verständnis. Aber wie laden wir die Demeter-Kolleg:nnen zur Beschäftigung damit ein? Wie klopfen wir die Verbindlichkeit im Demeter-Kontext - Stichwort Richtlinien – ab? Wo finden wir Interpretationshilfen? Und wie wollen wir im Jubiläumsjahr mit unserer Originalquelle arbeiten?

Das alles haben wir im Grundlagenforum bearbeitet, das ja auch die Aufgabe hat, Arbeitseinheiten für die zahlreichen Gremien und Zusammenkünfte im Verband vorzuschlagen, als Fundament gebende, ergänzende Tagesordnungspunkte zum Alltagsgeschäft. Im Grund­-
l­agenforum arbeiten Mitglieder, Ehren- und Hauptamtliche aus allen Gebieten und Ebenen des Verbands auf Augenhöhe zusammen, die Arbeitsweise ist das Gespräch: eine Werkstatt zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Demeter-Verbandes anhand der anthroposophisch-biodynamischen Grundlagen.

Eingestiegen sind wir, indem sich alle mit ihrer persönlichen Textstelle aus dem Kurs vorstellten. Hilfreich und anregend waren die Beiträge von Marcel Waldhausen, Demeter im Westen, und Dr. Simone Helmle, ehem. Landbauschule Bodensee, zur Methodik, sich Steiners Ausführungen zur Landwirtschaft zu erschließen, und der Austausch dazu: Lesekreis ist nur eine von vielen verschiedenen Vorgehensweisen. Dabei ist es wichtig zu wissen: der Kurs ist weder Lese- noch Lehrbuch, vielmehr ein Werkbuch, das den mehrmaligen Blick hinein und das Verdauen seiner inhaltlichen Aspekte in der landwirtschaftlichen Praxis braucht.

Ausgewählte Bilder aus dem Kurs setzten wir in zwei bewegte Skulpturen um, um dann die Inhalte der acht Vorträge auf Erledigtes, Gärendes und Zukünftiges abzuklopfen. Hier zeigten sich vor allem soziale Themen, aber auch das Bewusstsein für Ernährungsqualität der Lebensmittel als Arbeitsfelder.

Nach dem Lesen in Steiners anthroposophischen Leitsätzen am Morgen, ging es dann ans Spannungsfeld zwischen biodynamischem Ideal und Ökonomie, zwischen Weiterentwicklung und Konventionalisierung, zwischen Freiheit und Standards. Was hilft uns der Kurs hier? Wie halten wir als Bewegung die Verbindung zu diesem Ursprungsimpuls unserer Arbeit? Und mit welchen Arbeitsfragen können wir das Gespräch darüber in jeweils unserem Kontext anregen? Diesem Weitertragen galt die letzte Arbeitseinheit am Freitagmittag – der Austausch darüber in den verschiedenen Verbandszusammenkünften ist hiermit eröffnet.

Michael Olbrich-Majer