Biodynamisch
Ddie biodynamische Wirtschaftsweise im Licht der Wissenschaft
100 Jahre Landwirtschaft für die Erde
von Dr. Christopher Brock
EiAm 10. September 2024 fand im Seminarsaal der Domäne Frankenhausen bei Kassel ein wissenschaftliches Symposium zur biodynamischen Wirtschaftsweise statt. Organisiert vom Forschungsring, war das Symposium eine Ehrung und Feier einer Wirtschaftsweise, die viel zur Entwicklung einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft beigetragen hat und dennoch in den letzten Jahren mehr geschmäht als geschätzt wurde.
Biodynamik hat Potenzial
Demeter-Vorstand Dr. Alexander Gerber eröffnete die Veranstaltung und erinnerte daran, dass Forschung von Anfang an zur biodynamischen Wirtschaftsweise dazugehörte. Schon während des landwirtschaftlichen Kurses in Koberwitz gründete sich der landwirtschaftliche Versuchsring, dessen Mitglieder die von Rudolf Steiner entworfene Landbauform prüfen und in ihrer landwirtschaftlichen Wirkung verstehen wollten. Ein wichtiges Merkmal der biodynamischen Forschung ist dabei die methodische Innovationskraft, die stetige Suche nach neuen Ansätzen angesichts der erkenntnistheoretischen Herausforderung, vor die die Biodynamik die Wissenschaft stellt.
Dies bestätigte Prof. Dr. Jürgen Heß, ehemaliger Leiter des Lehrstuhls für Ökologischen Pflanzenbau an der Universität Kassel/Witzenhausen. Wer die biodynamische Forschung vorschnell kritisiere, täte gut daran, sich an den Spruch „Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie aufhört“ zu erinnern. Dieser stammt von keinem anderen als Justus von Liebig. Die biodynamische Wirtschaftsweise an sich ist eine Innovationsquelle, die in der Entwicklung des Ökolandbaus immer wieder wichtige Impulse gesetzt hat. So prägte die Biodynamik u. a. den Systemansatz als zentrales Element ökologischer Bewirtschaftung.
One Health
Prof. Dr. Miriam Athmann (Universität Kassel/Witzenhausen) und Prof. Dr. Friedrich Edelhäuser (Universität Witten-Herdecke) öffneten den Rahmen für die Fachbeiträge. One Health ist im biodynamischen Landbau keine neue Perspektive, sondern seit Beginn ein Ziel der Wirtschaftsweise, wie Miriam Athmann erläuterte. Die Erkenntnis, dass der Umgang mit dem Boden letztendlich bis auf die Gesundheit des Menschen wirkt, ist eine Grundlage der biodynamischen Wirtschaftsweise. Friedrich Edelhäuser griff den Faden auf und zeigte, wie das Mikrobiom Beziehungen schafft und so tatsächlich Boden, Pflanzen, Tiere und Menschen zu einem Organismus verbindet. „Der Boden beherbergt das am meisten vielfältige und komplexe Mikrobiom der Erde und kann daher als Reservoir dienen für andere Mikrobiom-Systeme“, zitierte Edelhäuser aus einem Artikel in der Zeitschrift Nature Reviews.
Geist und Materie in der Natur
Bevor es um den Boden ging, steuerte Prof. Dr. Ulrich Köpke, ehemals Leiter des Instituts für Organischen Landbau an der Universität Bonn und Gründungspräsident der International Society for Organic Agriculture Research (ISOFAR), eine Grundlage für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der biodynamischen Landwirtschaft bei und zeigte, wie sich das Naturverständnis von Johann Wolfgang von Goethe und Alexander von Humboldt überschneiden und ergänzen.
Vom Boden …
Quantitative Ergebnisse lieferte Dr. Hans-Martin Krause (FIBL) zu den Effekten biodynamischer Bewirtschaftung aus dem berühmten DOK-Langzeitversuch in der Schweiz. In der inzwischen über 45-jährigen Laufzeit des Versuches zeigten und bestätigten sich verschiedene positive Effekte der biodynamischen Variante, die auf ein effektiveres Bodenmikrobiom hinweisen könnten. So waren Nährstoffverluste und Klimagasemissionen stets geringer, die Bodenstruktur besser und der Gehalt an organischer Substanz höher als bei den ökologischen und konventionellen Varianten. Zwar sind die Unterschiede nicht immer bzw. nicht gegenüber allen Varianten signifikant, aber der Trend ist deutlich.
… über die Pflanzen …
Den Effekten der biodynamischen Präparate widmete sich Dr. Jürgen Fritz (Universität Kassel/Witzenhausen). Die Präparate sind sicher das am meisten kritisierte, angezweifelte und auch diffamierte Element biodynamischer Bewirtschaftung. Dennoch zeigten sich in wissenschaftlichen Versuchen immer wieder Effekte, insbesondere bei Qualitätsmerkmalen von Pflanzen. Fritz zeigte Ergebnisse aus mehreren großen Vergleichsversuchen, in denen die Anwendung der Präparate zu einer Förderung von Mirkoorganismen führte, die als förderlich für die Pflanzengesundheit gelten. Auch der bereits in anderen Versuchen beobachtete Effekt auf Qualitätsmerkmale bei Pflanzen und letztendlich sogar eine Wirkung auf den Menschen werden auf diesem Wege naturwissenschaftlich denk- und erklärbar.
Dr. Carl Vollenweider (Landbauschule Dottenfelderhof) und Michael Fleck (Kultursaat e.V.) erläuterten den Ansatz biodynamischer Pflanzenzüchtung. Während die Pflanzen in der konventionellen Züchtung immer mehr als Baukästen betrachtet werden, deren Merkmale und Eigenschaften letztendlich technisch beeinflusst und zusammengesetzt werden können, verfolgt die biodynamische Pflanzenzüchtung einen Ansatz, bei dem die Integrität der Pflanze gewahrt bleibt und der Züchtungsprozess von einem inneren Bild, letztendlich einer Zukunftsvision, geprägt wird. Selbstverständlich werden auch quantifizierbare Merkmale berücksichtigt, aber es geht darum, diese im Zusammenhang des ganzen Pflanzenorganismus und dessen Interaktion mit seiner Umwelt zu betrachten.
… zu den Tieren …
Von der Pflanze zum Tier ging Dr. Florian Leiber (FiBL) und gratulierte der biodynamischen Wirtschaftsweise mit einem konstruktiv-kritischen Beitrag zum Jubiläum. Leiber sieht in der biodynamischen Wirtschaftsweise großes Potenzial im biodynamischen Konzept der wesensgemäßen Tierhaltung. Diese versteht das Tier als Gegenüber, als Wesenheit im landwirtschaftlichen Betrieb, der wir achtungsvoll und wertschätzend begegnen wollen, auch wenn wir das Tier letztendlich nutzen und töten. Tierhaltung müsse nach dem Prinzip der Suffizienz betrieben werden – wieviel ist genug für den Betriebsorganismus? Die Herausforderung sieht Leiber darin, den Zielkonflikt mit der Betriebswirtschaft aufzulösen.
… hin zum Menschen
Dr. Uwe Geier (Forschungsring e.V.) machte den nächsten Schritt im One-Health-Bogen und widmete sich der Frage nach der Qualität von Lebensmitteln und ihrer Bewertung. Der Schwerpunkt lag dabei auf den Potenzialen ganzheitlicher Methoden. Wissenschaftliche Anerkennung erlangt haben inzwischen u. a. die Kupferchloridkristallisation und die Wirksensorik. Beide Verfahren erzeugen wiederholbare Ergebnisse und haben gegenüber reduktionistischen Methoden den Vorteil einer Analyse auf höherer Systemebene. Dadurch können die Methoden mitunter Unterschiede zwischen Proben aufzeigen, wo reduktionistische Analysen von Einzelmerkmalen keine Ergebnisse bringen. Ein weiteres Merkmal beider Methoden ist, dass die Ergebnisse auf der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit basieren.
Dr. Machteld Huber (Institute for Positive Health) widmete sich der Entwicklung von dynamischen Begriffen über Qualität und Gesundheit. Anhand einer Untersuchung in den Niederlanden, bei der auf Nährlösung gewachsener Salat aus einem voll-automatisierten Gewächshaus mit Salat aus einem biodynamischen Gewächshaus auf Erdboden verglichen wurde, zeigte Huber, dass der Salat in der lebensmittelchemischen und sensorischen Analyse schlechter abschnitt als der biodynamische, auf Erde gewachsene und dem Sonnenlicht ausgesetzte Salat.
Dr. Christopher Brock
Forschungskoordinator Demeter e.V.
christopher-brock(at)demeter.de
Mit Biodynamik in die Zukunft
Mit den Beiträgen konnten wir nur Blitzlichter auf einzelne Aspekte der Forschung zur biodynamischen Wirtschaftsweise und deren Effekte werfen. Es wurde jedoch deutlich, dass die Biodynamik eine wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht scheuen muss, im Gegenteil – sowohl auf der Ebene der Forschung, wie auf der Praxisebene zeigt der biodynamische Ansatz großes Innovationspotenzial. Eine ausführliche Dokumentation des Symposiums wird auf www.forschungsring.de erscheinen.