Editorial

Von Werten und Qualitäten

Plötzlich haben sie sie alle: Qualität!

QS-Siegel gegen Gammelfleischverdacht, BioMilch bei McDonald's, Feinkosttheken für die Supermärkte und Ökolebensmittel für die Discounter.

 

Qualität ist, von jedem im Mund geführt, zu einem ermüdenden Allerweltsbegriff geworden. Und: So haben wir sie uns nicht vorgestellt: genormt, dokumentiert und zertifiziert, geronnen zu Qualitätssicherung. Eigentlich war etwas anderes gemeint mit Bio als nur arithmetische Zielerfüllung. Die Qualität war erweitert gedacht zur ganzheitlichen, meist ohne diese genau zu beschreiben. Immerhin, bei Demeter versuchten das einige. Heute beschäftigen die Details der Sicherheit viele Ökobauern, Hersteller, Händler Kontrollstellen, Verbände und Behörden so sehr, dass das Weiterdenken daran, was denn besondere Qualität ausmacht in der Bioszene, nur zum Schlachtruf "Zurück zu den Werten!" ausreicht. Aber wie? Und gäbe es auch ein "Vorwärts"?

 

Vielleicht ist es an der Zeit, die Anfänge anzuschauen: "sozial" schwang da mal mit. Heute zertifiziert und etikettiert unter Fair Trade. Oder "regional". Heute zertifiziert und etikettiert unter zahllosen Regionalmarken. Auch "Alternativ" - das traut sich heute keiner mehr, egal was man darunter verstehen mag.

 

Ganzheitlich, das hatte auch mit Vollständigkeit, mit Lebendigkeit zu tun, mit dem Lebensnetz. In Qualitätsbegriffen ist das mit "Lebensqualität" nur annähernd beschrieben. Denn seelische, geistige Merkmale gehören da ebenso hinein wie vielleicht die Ansprüche der Tiere und Pflanzen, des Lebens auf unserem Planeten überhaupt.

 

Ansätze zur Erweiterung abgesehen vom Label-Sammeln (Bio plus Regional plus Fair plus XY auf dem Produktetikett) gibt es nur wenige: Nature&More (Eosta) sammelt die drei Kategorien Produktqualität, Ökologische Qualität und Soziale Qualität - in einem Label. Ähnlich macht es Demeter in den Niederlanden, erweitert den Blick auf Hof und Bewirtschafter. Demeter-International hat dieses Punktesystem für die Demeter-Anerkennung gerade diskutiert. Und im Sommer übrigens eine Sozialcharta verabschiedet.

 

Werte kondensieren in Qualitäten. Umgekehrt funktioniert es nicht: Aus noch soviel Qualität wird kein Wert, höchstens mit der Zeit eine Marke. Das unterscheidet die meisten Ökobauern und Ökohandwerker - noch - von den anderen Akteuren am Biomarkt. Doch schwindet die Überzeugungskraft von Bio und Öko, denn es stellen kaum Kollegen um.

 

Gesundheit durch entsprechende Erzeugung, Genuss als Aufgabe der Hersteller, Gerechtigkeit im Handel, aus dieser Trias entsteht Glaubwürdigkeit und Vertrauen, so beschreibt Demeter-Vorstand Klemens Fischer, worauf es in der Wertschöpfungskette ankommt. Aus einer Hand kann das nur ein Bio-Verband leisten.

 

Im persönlichen Bereich vertraut man den Menschen, die zu ihren Werten stehen, am meisten. Auch in der Politik gilt das. Vertrauen ist der Kernbegriff in der Ernährung - wie Petra Kühne in ihrem Beitrag schreibt. Vertrauens-Landwirtschaft - Gedanken dazu hatte Nikolai Fuchs in dieser Zeitschrift einmal vorgestellt (1-2003). Inzwischen heißt es auch in Marketingkreisen: der Vertrauenswettbewerb löst den Preiswettbewerb ab.

Vertrauen ist etwas sehr Lebendiges.

 

Mit allen Konsequenzen.

 

Ihr