Editorial

Leben, um zu wirtschaften?
Wirtschaften, um zu leben?

Was hat die Weltfinanzkrise mit Landwirtschaft zu tun?

Zum Einen haben die ihr zugrunde liegenden Mechanismen zur sukzessiven Entwertung von Arbeit geführt. Da, wo Rendite winkt, fließt das Geld hin: das Kaufgeld nach dem Gesetz des Größenvorteils, das Leihgeld und inzwischen auch potenzielles Schenkgeld, Beispiel Kunstmarkt. Arbeit kostet, vernichtet also Geld - so sieht das verdrehte Bild heute aus. Das hat mit Investieren nichts zu tun. Denn Geld arbeitet nicht, das tun immer Menschen.

 

Zum Zweiten sind auch Landwirte und die Grundlagen der Welternährung eingebunden in dieses System: Aus der ehemaligen Risikoabsicherung der Ernten über Börsen ist schon lange ein spekulatives Casino geworden. Und mit der Finanzkrise seit Anfang des Jahres drückten plötzlich riesige Kapitalmengen in die relativ verlässlich scheinenden Agrarrohstoffmärkte, sorgten für rasante Preisanstiege und Knappheit bei Lebensmitteln, letztlich für mehr Hunger auf der Welt. Eine Investition in die Landwirtschaft aber war das nicht.

 

Dieser Heftschwerpunkt war schon geplant, als die Welt der Finanzen noch in Ordnung schien. Denn bei gängigen Renditeerwartungen von bis zu 25% (Deutsche Bank) war es schon bisher schwierig für die Landwirtschaft, an Geld zu kommen. Aber nicht nur deswegen gibt es in der biodynamischen Bewegung eine Vielzahl von Ansätzen der Beteiligung und Finanzierung, sondern vor allem, weil auf vielen Demeter-Höfen Landwirtschaft als gesellschaftliche Kulturaufgabe verstanden wird.

 

Mehr und mehr Öko-Betriebe entdecken einen anderen Umgang mit Finanzen und Kapital. Und beschaffen sich Geld für Investitionen nicht mehr allein bei der Bank. Denn Geld ist Vertrauenssache und Banken nur Mittler - auch wenn es da besondere gibt - z. B. die GLS Bank. Wer genug Vertrauen in eine Landwirtsfamilie oder Gemeinschaft hat, der beteiligt sich gerne, ob mit Arbeitseinsatz, wenn Zeit vorhanden oder mit Kapital, so vorhanden. Identifikation mit der Region, mit Bio oder den konkreten Menschen und Beteiligung aus Verantwortungsgefühl sind die Stichworte.

 

Auch beim Kauf geht es letztlich um Vertrauen, zumal immer mehr Menschen das Geld, das sie ausgeben, auch strategisch einsetzen: für eine bessere Welt.

 

Aktuell und konkret fallen die Weizenpreise, an der Börse war zu hören: weniger Geld, weniger Luxus, weniger Fleischnachfrage, weniger Weizenbedarf. Eine Warenbörse soll Bauern absichern, den Markt abfedern. Eine passende Form wäre angesichts des letztjährigen Getreidemangels oder des aktuellen Kartoffelüberschusses auch in Öko-Kreisen eine Diskussion wert.

 

Doch vergessen wir nicht: Das Wirtschaften ist nicht Inhalt oder Ziel, sondern Grundlage für anderes. Auch wenn es durch das zugrunde liegende Tauschprinzip Interesse und Verbindung schafft, ein Übungsfeld für Zusammenarbeit ist.

 

Wirtschaften müssen wir alle. Die Ziele und Prinzipien aber können wir mitbestimmen.

 

Ihr