Editorial

Den Tieren Würde geben

Früher lebten die Menschen mit ihren Tieren in einer ganz anderen Verbindung als heute: Das Rind beispielsweise gab Zugkraft, lieferte Leder, Horn und Sehnen, spendete Milch, produzierte wertvollen Dung, wurde als Fleisch verzehrt und teilte im Winter in den Einfirsthöfen auch seine Wärme mit dem Menschen. Außerdem war die Herde Kapitalanlage, unsere heutigen Worte Kapital oder pecuniär sind herdenbezogene Wortschöpfungen.

 

In unserer modernen, städtisch-virtuell geprägten Welt hat sich der Blick auf das Nutztier gewandelt. Das Haustier zum Kuscheln und tierische Fernsehstars prägen das Bild. So wird aus dem Raubtier Eisbär ein Knuddelobjekt. Und aus der Kuh ein Klimamonster. Das bestätigt auch eine Umfrage: mit dem Begriff Viehhaltung verbinden Deutsche mehrheitlich negative Assoziationen.

 

Gefühle allein sind keine Grundlage für eine dauerhafte, alltagstaugliche Beziehung. Hier unterscheiden sich die meisten Tierschützer von den meisten Landwirten. Letztere leben tagtäglich mit den Tieren und wollen weder von einem Pensionspferd getreten werden noch vor dem Melken ein Horn in die Hüfte gerammt bekommen - sie müssen ein realistisches Verhältnis zu ihren Tieren aufbauen, die sie meist in größerer Zahl pflegen. Der Halter von Nutztieren ist also prinzipiell anders gefordert als der Halter eines Haustieres. Weniger Sentiment, mehr Verantwortung. Das bekommt auf lange Sicht auch den Tieren, was sich auf vielen Demeter-Höfen beobachten lässt und was die verschiedenen Tierschutzpreise für biodynamische Landwirte bestätigen. Hier ist die Haltung von Tieren Pflicht und Leidenschaft zugleich, und erfährt dadurch Sorgfalt. Die Kühe sind hier im Schnitt älter, es wird oft eigens umgebaut, damit sie ihre Hörner behalten können, die Landwirte setzen auf Lebensleistung. Schweine haben Auslauf und über Alternativen zur Ferkelkastration - z. B. Ebermast - wird nachgedacht. Auch am Problem des Legehennennachwuchses arbeitet der Demeter-Verband. Denn das übliche massenhafte Töten männlicher Küken ist langfristig nicht hinnehmbar. Nötig ist es nur, weil die Züchtung einseitig produktive Tiere hervorbringt, damit Eier und Fleisch billig sind.

 

Bei diesen in jüngster Zeit aktuellen Tierschutzthemen wird auch deutlich: die Ökobranche muss sich verbands- und organisationenübergreifend zusammentun, um den Ökolandbau punktuell weiter zu entwickeln. Denn gerade bei der Züchtung von Schweinen und Hühnern sind andere Dimensionen erforderlich als bisher. Das zeigte auch der Bio-Betrugsfall um den verschachtelten Geflügelbetrieb RoBerts im Winter.

 

Unmittelbar mit der Tierhaltung verknüpft ist die Frage des Tiertodes. Des Tötens durch den Menschen. Ein Dilemma vor allem für die Bauern, haben sie die Tiere doch aufgezogen und durchs Leben begleitet. Wenigstens lässt sich sagen, dass die Tiere auf Öko- und Demeter-Betrieben ein artgerechtes Dasein, wenn auch meist kurz, gehabt haben. Beim Schlachten ist das noch zu selten so.

 

Dankbarkeit für die Gaben der Nutztiere zeigt sich in der Würde, die wir als Bauern, Konsumenten, als gesellschaftlich und politisch Aktive, dem Tier vor dem Tod, in seiner Lebenszeit, ermöglichen.

 

Ihr