Editorial

Vom Wert des Waldes

Der Wald ist wieder in. Als Erlebnisraum, proklamiert durch Bücher schreibende und wandernde Fernsehprominenz, als Baustoff, als Quelle fürs gemütliche Kaminfeuer oder als Notbremse im Klimaschutz.

 

Gut, dass der Wald hierzulande wenigstens in passablem Zustand ist. Die Waldschäden stagnieren – außer bei Eiche, und die stehenden Holzvorräte wachsen, auch dank Abgasen wie Stickstoff und CO2 sowie dank höherer Durchschnittstemperaturen. Der Waldanteil in Deutschland war noch nie so hoch. Waldpädagogen und Waldkindergärten, Hochseilgärten und Wipfelsteige für die Eichhörnchenperspektive brauchen also nicht zu fürchten, dass ihnen die Bäume ausgehen, auch nicht der durchschnittliche Waldnutzer – der täglich 20 Minuten darin verbringt, meist mit Hund. Die Schweiz hat ihr Bundesamt für Umwelt den Erholungswert ihrer Wälder schätzen lassen: auf 10 Mrd. Franken im Jahr.

 

Den meisten Menschen ist der Wald trotzdem fremd: Kaum jemand über Fachleute hinaus weiß, dass Bäume Sauerstoff liefern, die Luft filtern, nützlich für Trinkwasser, Boden- und Klimaschutz sind. So waren denn auch die Forstreformen der letzten Jahre zur Kosteneinsparung einfach durchsetzbar. Förster wurden, wenn es glückte, zu Lehrern umgeschult oder zu Rangern im National- bzw. Geopark. So steigt infolge knapper Arbeitskraft der Stress im Wald und für den Wald.

 

Doch wäre eine Waldwende nötig. Denn ein fünfjähriges Forschungsverbundprojekt „Zukunftsorientierte Waldwirtschaft” zur Umstellung auf naturnahe Wälder zeigt: Waldumbau bringt mehr Grundwasser, bessere Nährstoffversorgung der Bäume, weniger Lachgasemission und geringere Nitratbelastung des Wassers, auch durch Verzicht auf Kahlschlag. Ein gesunder Boden ist für den Wald entscheidend, aber im Baumbestand viel schwieriger hinzubekommen als auf dem Acker. Das schafft nur Dauerwald, am besten ergänzt durch biodynamische Maßnahmen.

 

Global sieht es schwarz aus für die Wälder: Täglich werden auf der Welt 350 km2 Wald vernichtet. Der kühlende Effekt des Waldes durch die Verdunstung – bis zu 80% der Sonneneinstrahlung werden so umgewandelt – entfällt, das Land heizt sich auf. Dazu kommt, dass bei flächendeckender Rodung extrem viel CO2 freigesetzt wird, durch den Verlust der Humusschicht. Besonders schlimm ist das bei den indonesischen Torfmoorwäldern, die vor allem für Energiepflanzenplantagen weichen: Palmöl von dort fördert den Klimawandel weiter. Derzeit gibt es weltweit noch ca. 1,3 Milliarden Hektar Primärwald. Aufforstungen abgezogen gehen netto jährlich mehr als 7 Millionen Hektar pro Jahr verloren. Waren vor 30 Jahren noch ca. 11% der Erdoberfläche von Regenwald bedeckt, sind es heute nur noch 6%. Die größten Holzer sind Brasilien, Indonesien und der Kongo, allein durch Brandrodung verschwindet pro Jahr eine Waldfläche halb so groß wie Deutschland. Und die konventionelle Tierhaltung trägt mit ihrem Hunger nach Eiweißimportfutter kräftig dazu bei, statt es hier zu erzeugen. 10 bis 15 Tonnen CO2 im Jahr setzt jeder Hektar Wald, der zum Soja-Acker umgewandelt wurde, frei, ein wichtiger Aspekt zum Zusammenhang von Wald, Ökolandbau und Klimaschutz.

 

So sind vielleicht Investitionen in Wald als Rendite- und Ablassmodell zur CO2-Neutralisation für Bewohner von Industriestaaten nicht mal eine schlechte Alternative. Denn mit dem hiesigen Wald können wir unsere Emissionen nicht kompensieren: Schätzungsweise 17 Mio. Tonnen CO2 binden unsere Wälder im Jahr – doch der Gesamtausstoß beträgt hierzulande 861 Mio. Tonnen (2007). Der Wald rettet uns also nicht, eher müssen wir etwas für ihn tun, hierzulande und überall auf der Welt. Eine Pflanzinitiative in Indien macht da Hoffnung: 7.500 Dörfer pflanzten zur Arbeitsbeschaffung fast eine Milliarde Bäumchen. Mehr davon!

 

Ihr