Editorial

Mut zur Vielfalt!

Die Monokultur prägt weithin Äcker und Wiesen, wenn man letztere noch so nennen kann, da heutige Mähintervalle selten noch etwas blühen lassen. Auch Biobauern säen auf einem Acker meist nur eine Kulturart, und in der Regel nur eine Sorte, doch je nach Schlaggröße und Biotopelementen gestaltet sich so Landschaft. Sicher, manches rare Tier wie die Großtrappe freut sich über eine (ungespritzte) Agrarsteppe und für manche Gegenden ist diese Eintönigkeit typisch. Aber muss es überall so aussehen?

 

Die meisten wilden Arten sind gefährdet, allein 132 Wirbeltierarten in Deutschland! Und alle Bemühungen wie die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt hinken hinterher. Triebkraft der Zerstörung ist vor allem die immer noch fortschreitende Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei, die Industrialisierung der Landwirtschaft, in geringerem Umfang Flächenverbrauch und Rohstoffgewinnung. Zwei der Indikatoren für Biodiversität, der Anteil Landwirtschaft mit hohem Naturwert bzw. der des Ökolandbaus betragen 8 bzw. 5,6 Prozent, angestrebt sind 14 bzw. 20 Prozent! Auch die Überdüngung ist nach wie vor auf höchstem Niveau.

 

Es ist kurzsichtige Hybris, die Welt mit Erträgen jenseits der 100 Doppelzentner verbessern zu wollen, oder die Leistung von Kühen bei sinkenden Milchpreisen zu steigern und dafür die Uniformisierung der Natur in Kauf zu nehmen. Denn die Menschheit lebt von dem großartigen Geschenk der Natur, sich in Vielfalt zu kleiden – in gewissem Umfang können wir ihr sogar dabei helfen. Zudem bedeutet Vielfalt auch Stabilität. So schnell, wie der Mensch Ökosysteme und Arten vernichtet, kann er gar nichts erfinden.

 

Das Ziel, bis 2010, dem Jahr der Biodiversität, den anhaltenden weltweiten Verlust an Ökosystemen, Arten und genetischer Vielfalt signifikant zu verringern, ist gescheitert, sagen die Experten. Das planetare Benchmarking zeigt tiefrot für eine unserer Existenzgrundlagen. Im Hintergrund läuft das Rennen um die Privatisierung menschheitlicher bzw. öffentlicher Güter: Wer Anbau und Ernährung kontrolliert, der hat bei stets steigendem Bedarf seinen Profit gesichert. Das Land und seine Ressourcen unterliegen immer stärker dem Zugriff von Investoren und Exploratoren, mit Folgen wie Verengung der Nahrungsgrundlage, Landflucht etc. Der Verlust an Biodiversität ist nur ein Indikator für diesen sozialen Akkumulationsprozess.

 

Heute ernährt sich die Menschheit von einer Handvoll Pflanzenarten. Auch hierzulande hat sich die Mannigfaltigkeit binnen 100 Jahren dramatisch verengt: Allein vom Weizen gab es damals 7 Arten in 60 Varietäten, heute sind es zwei Spezies in drei Varietäten – Einkorn, Emmer etc. säen nur Biobauern.

 

Dabei geht es auch ganz anders: Der Natur Raum geben, das könnten sich mehr Landwirte leisten, und gerade Biobauern haben bereits beste Bedingungen dafür geschaffen. Doch immer mehr geraten auch sie unter ökonomischen Druck, der Natur etwas gönnen ist dann kaum drin. Auch die Vielfalt der Sorten, Arten und Rassen, von zahlreichen Öko-Betrieben vorbildlich kultiviert, darf ruhig flächendeckender erlebbar werden. Genbanken reichen zum Erhalten nicht, Abwechslung wiederum freut die wilde Fauna und Flora und das Auge des Spaziergängers. Landwirte könn(t)en viel eigenständiger den Reichtum der Landschaft mitgestalten, und auch wir Biodynamischen sollten bedenken, dass ein lebendiger Boden nur die halbe Miete ist, um die Erde zu „verlebendigen“: Es gehört dazu noch die beseelte Landschaft, durch Nutztiere und einheimische Wildtiere. Wir sollten mit dem Pfund „Vielfalt“ wuchern!

 

EU-Geld nur noch für ökologische Leistungen, darauf wird auch in der aktuellen Phase der Neugestaltung der Agrarpolitik hinzuwirken sein. Denn die bisherige hat die kargen Landschaften mitverursacht.

 

Ihr