Editorial

Der Betrieb im Fluss

Die (Demeter-)Betriebe wachsen, nehmen dies und das hinzu oder sie spezialisieren sich wieder. Sie stellen Gärtner, Ladenpersonal, Pädagogen oder Käser ein, beschäftigen Kommunikationsdesigner für die Website, vermieten Scheunen an Bluesabende und Yogakurse, schaffen Milchkühe ab und Solardächer an, machen Extensivanbau für die Natur oder Intensivanbau für Spitzenqualitäten. Es trennen sich Betriebsgemeinschaften oder Paare, neue Menschen wachsen in den Betrieb hinein.

 

Landwirtschaft hat zwar einen langfristigen Horizont, ihre Rahmenbedingungen jedoch weniger. Im landwirtschaftlichen Unternehmen sind die Menschen – meist leben sie nah zusammen – intensiver miteinander verflochten als anderswo. Wirtschaftliche oder auch ideelle Entscheidungen sind immer zugleich persönliche. Die Struktur einer Unternehmerfamilie oder -gemeinschaft am Leben zu halten, als Herz des landwirtschaftlichen Betriebes, das ist unter anderem eine unternehmerische Aufgabe, der man sich über kurz oder lang stellen muss, was meist bedeutet: irgendetwas muss anders werden.

 

Große Veränderungen gehen rasch, kleine dauern länger. Jeder hat es schon erlebt: etwas Kleines an sich selbst oder im eigenen Umfeld nachhaltig verändern, ist nicht einfach. Meist fällt das große Projekt leichter und manchmal erledigt man das kleinere dann gerade mit, oft auch die sozialen Wurzeln von Veränderungsgründen. Oft aber auch nicht. Menschen und Vorhaben entwickeln sich dann ungleichzeitig.

 

Dieser Zusammenhang ist sicher einer der Gründe für den Drang nach Wachstum in der Wirtschaft und im Unternehmen, neben dem persönlichen Entwicklungswunsch und dem Druck von Zins und Rendite. Doch ist Wachstum noch kein Ziel an sich. Was sonst ruft nach Veränderung? Sie gehört zu jeder Entwicklung; und ist verbunden mit dem Alter der Menschen: Auch ein Hof oder eine Gemeinschaft altert, in seiner Sozialform, in der technischen Ausstattung, der Finanzierungsform. Oft treiben innere Motive wie Arbeitslast, Zufriedenheit, Einkommen, die Qualität des Zusammenlebens der Menschen auf einem Betrieb. Der Wandel kann von außen drängen, durch Markt, Standards, Gesetze, oder durch den Blick in die Zukunft, wenn es um Verantwortung für das Gemeinwohl geht oder Generationenfestigkeit eines Hofes.

 

Landwirtschaft ist eine Unternehmung! Im besten Sinne. Also darf man so frei sein, seine Ziele und Prioritäten selbst zu stecken bzw. zu vereinbaren. Wie findet man als Landwirt oder Betriebsgemeinschaft da die langfristig richtigen Wege und Ziele? Wie erkennt man den Zeitpunkt, Veränderung anzugehen? Manchmal ist dazu Hilfe von außen erforderlich, schließlich fahren wir mit dem Schlepper auch zum Schlosser.

 

Klar ist: Es gibt auch andere Unternehmensziele als Wachstum. Und Ziele müssen nicht immer gleich sein, sie dürfen sich wandeln, können sich phasenweise unterscheiden oder zeitgleich in verschiedenen Hierarchien gelten:

 

Auf jeden Fall sind sie von Zeit zu Zeit zu überprüfen. Dazu braucht es geeignete Parameter, einen objektiven Blick, und das Reden darüber. In diesem Sinn kann man das Demeter- Hofentwicklungsgespräch begreifen. Oder die Nachhaltigkeitsindikatoren der Regionalwert-AG. Nicht immer ist es angenehm, wenn man sich misst, vielleicht, obwohl geplant vor lauter Anderem kaum biodynamische Sorten anbaut, oder man feststellt, dass die gesundende Fruchtfolge eher eine zu flexible ist. Vieles aber, was bisher in keiner Buchführung auftaucht, fasst man so auch als Betriebserfolg ins Auge. Ein erweitertes Unternehmensverständnis jedenfalls ist ein Beitrag zur Vielfalt auf dem Betrieb und im Leben.

 

 

Ihr