Editorial

Grünländer

Im Mai habe ich mich gefragt, ob der Schwerpunkt wirklich „Grünland“ heißen kann, nach der langen Frühjahrstrockenheit. Hier, auf Sand, sah es eher nach Hochsommer in Südfrankreich aus. Es scheint also neue Herausforderungen auch auf so selbstverständlichen Nutzungen wie Wiese und Weide zu geben, zumindest dort, wo das Grundwasser fern ist.

 

Grünland umfasst eben sehr unterschiedliche Flächen, meist das, was zum homogeneren ackerbautauglichen Bodenspektrum nicht taugt: Grenzertrags- und Naturschutzstandorte, Trockenrasen und Sumpfgras, Intensivweiden und Streuwiesen. Das bedeutet verschiedene anzustrebende Qualitäten, verschiedene mögliche Intensitäten, auch abhängig von arbeitswirtschaftlichen Aspekten, und es ergeben sich unterschiedlichste betriebliche Lösungen: Hartgräser in die Biogasanlage, Extensivstandorte für die Fleischerzeugung, knappen Milchertrag zu Käse veredeln oder dichten Rasen zu rentierenden Milchmengen nutzen, die Strategien sind so verschieden wie ihre Optimierung. Klingt flexibel, aber Grünland nachhaltig nutzen geht nur mit Weidetieren, nur bezogen auf den Standort und nur mit langfristiger Perspektive.

 

Dass ausgerechnet bei Milch und Fleisch der Bio- bzw. Demeter-Markt schwach entwickelt ist bzw. schlechte Preise bietet, ist daher ein Problem. Für Betriebe bedeutet das umso mehr, nach Effizienz streben, doch heißt das nicht unbedingt mehr Ertrag: Zwar ist bei den riesigen Unterschieden – Ökokühe geben je nach Betrieb zwischen 642 und fast 6500 kg Milch jährlich aus dem Grundfutter – sicher nicht alles auf den Standort zurückzuführen, doch muss auch die Balance zwischen Aufwand und Ertrag stimmen. Konzepte wie Vollweide oder Kurzrasenweide sind die eine Seite, extensive Haltung, zeitliche Abstimmung von Abläufen wie z. B. Kalbezeitpunkt oder Entwickeln der Direktvermarktung durch geeignete Produkte sind die andere.

 

Biodynamische Höfe sollten auch die Züchtung ins Auge fassen: kleinere Kühe z. B. sind bezogen aufs Lebendgewicht effizienter in der Raufutteraufnahme, die Anpassung der Herde an den Standort sollte Ziel sein. Wiesen und Weiden sind Naturräume besonderer Vielfalt – deren Qualitäten holt man mit der Fütterung in den Betriebsorganismus hinein, wenn man das bewusst handhabt. Mit reichlich Raufutter versorgte Rinder sind übrigens auch deutlich weniger anfällig für EHEC-Besiedlung, als mit viel Kraftfutter ernährte.

 

Für den Klimaschutz ist das Grünland besonders von Interesse: bei Umbruch entweicht der Humus, den langjährige Grasbestände – auch im Unterboden – aufbauen. Diese können mehr CO2 binden als Acker oder Wald, mit biodynamischer Pflege sicher besonders viel. Weltweit gesehen verdienen daher die Hirten mehr Unterstützung. Gerade sie werden oft an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

 

Dass die EU abhängig von Eiweißimporten ist, ruft nach temporärem Grünland, auf dem Acker. Der Ökolandbau praktiziert die eigene Eiweißversorgung schon weitgehend. Für die breite Landwirtschaft geht hier sicher mehr, zum Beispiel sollten Bezieher von Direktzahlungen verpflichtend Leguminosen oder Leguminosen-Gras-Gemenge anbauen im Rahmen der Neuregelung der EU-Agrarpolitik.

 

Ob es dem EU-Agrarkommissar Ciolos gelingt, die EU mit dem geplanten Greening ihrer Instrumente zu einem „grüneren“ Land zu machen, wird der Herbst zeigen.

 

 

Ihr