Editorial

Der Ökolandbau muss politischer werden

Angesichts des hochrangigen Dauerthemas Euro- und Bankenrettung geraten vermeintlich kleinere Probleme, wie die Weichenstellung für die Europäische Landwirtschaft rasch aus dem Blick. Dabei betrifft das nicht nur die gut 26 Millionen in der Landwirtschaft Tätigen in den 27 Staaten der EU, sondern auch deren Nachbarn, Kinder, Kunden, Lieferanten, mindestens den ganzen ländlichen Raum. Und selbstverständlich auch uns Konsumenten, täglich. Zudem hat es hat Folgen für Menschen in anderen Kontinenten, die versuchen, von ihrer Landwirtschaft zu leben.

 

Doch bleibt die Diskussion um neue Eckpfeiler für das Verteilen von Agrarsubventionen, die EU-Kommissar Ciolos angestoßen hat, bisher eine rein brancheninterne, erreicht kaum die Öffentlichkeit und wenn, dann schrecken komplizierte Details und die sehr unterschiedlichen Auffassungen, davon, wie Landwirtschaft künftig aussehen soll, vom Einlassen auf das Thema ab, selbst die Medien.

 

Bei den allermeisten Stellungnahmen und Forderungen der Agrarbranche geht es leider nie um Menschen. Betrachtet werden fast ausschließlich Märkte oder Preise, für Tomaten, Schweinehälften oder Milch. Agrarwirtschaft ist in diesem Blick nur ein Business, eine fatale Fehleinschätzung der Parteien, Regierungen, Verbände. Für die permanenten Kollateralschäden dieser einseitigen Sicht sollen dann eher symbolisch und oft befristet, Dorfverschönerungswettbewerbe, Landschaftspflegeaufträge, Regionalfonds und irgendwelche Programme aufkommen, bzw. die Gesellschaft und der Steuerzahler.

 

Landwirte aber wissen: Es geht um eine Lebensform, nicht um „Märkte“. Landwirtschaft ist multifunktional, und hat als solche ihren Nutzen und Wert in der Gesellschaft. Als reines Business brauchen wir sie in Europa nicht.

 

Vor allem die hiesige Politik will davon nichts wissen, arbeitet getrieben von ein paar Abgeordneten, gezielt dagegen, auch und gerne gegen den Ökolandbau: Die Mittel für dessen Entwicklung sind minimal, anderslautende Empfehlungen wie zuletzt die des Rates für nachhaltige Entwicklung werden reihenweise abgebügelt, man agiert gegen alle Vorschläge einer ökologischen, bäuerlichen und faireren Ausrichtung der Landwirtschaft, im großen Ganzen wie im Detail, z. B. im Erneuerbare-Energien- Gesetz, oder bei der AgroGentechnik. Die meisten Bundesländer sind da nicht viel besser, wenn man deren umkämpfte Förderung des Ökolandbaus betrachtet.

 

Sogar den geduldigen Kollegen unseres Bundesverbandes BÖLW platzt inzwischen die Hutschnur. Es wird klar: der Ökolandbau steht in einer neuen Phase seiner Entwicklung, wir müssen politisch für seine Existenzmöglichkeiten kämpfen. Denn auf der anderen Seite steht die Landwirtschaft vor einem gewaltigen Industrialisierungsschub, auch noch angeheizt durch zunehmend landwirtschaftsfremdes Kapital. Auch branchenintern drängt die abnehmende Hand mit ihrer ganzen Macht dorthin, der Bauer verliert an Selbstbestimmung. Das dokumentiert das rapide Abnehmen der Anzahl an Vollerwerbsbetrieben: knapp 135.000 sind es nur noch.

 

In dieser Situation ist es gut zu wissen, dass ein breites Bündnis an Umwelt- und Tierschutzverbänden mit AbL, BDM sowie kirchlichen Organisationen zusammen mit dem Ökolandbau für eine andere Landwirtschaft wirbt: im Bündnis „Meine-Landwirtschaft“ ,wo zurzeit die Aktion „Bauer hält Hof“ informiert, für den 21. Januar eine Demonstration in Berlin vorbereitet wurde und weitere Aktionen 2012 auf die Notwendigkeit eines Systemwechsel aufmerksam machen sollen. Es geht um Weichen für die Zukunft. Machen wir klar, für was wir stehen, was eine Landwirtschaft, die mehr ist als nur Business, leistet und was sie dafür braucht.

 

Ihr