Editorial

Boden wird knapp

Die Nachrichten von großflächigen Landkäufen chinesischer und arabischer Investoren haben ein wenig den Blick auf das Umweltmedium gelenkt, das in unserer Gesellschaft nur noch als Eigentum mit Wertzuwachs oder als Baugrund bekannt ist. Dass man eigentlich von Böden sprechen muss, dass diese äußerst belebt sind, dass sie multiple Funktionen im Naturhaushalt haben, auf die auch der Mensch essenziell angewiesen ist, all das ist genauso wenig allgemein bekannt, wie dass sie nicht wiederherstellbar sind.

 

Wie sonst ist zu erklären, dass wir trotz jahrzehntelanger Warnrufe immer noch täglich 100-hektarweise unser Land zubetonieren? Dass Bodengesundheit sogar in der Landwirtschaft keine Rolle spielt, weil man glaubt, Defizite mit Düngerzukauf und Pestiziden ausgleichen zu können?

Nennen wir es Bodenignoranz. Die speist sich neben klaren Interessen auch aus einem motivationspsychologischen Problem, so wie es ein Bodenkundler in einer Ausarbeitung über Boden im Unterricht schreibt. Boden ist halt Dreck. Und außerdem so komplex, dass er noch lange nicht hinreichend verstanden ist.

 

Die Böden hierzulande lecken, verlieren Nitrat ins Grundwasser, magern ab durch Erosion, und sie degradieren, auch durch immer schwerere Maschinen oder Bewirtschaftungsfehler, die zum Standard erhoben werden, wie z. B. Maismonokulturen. Denn auch die Agrarwissenschaft blendet Böden systematisch aus, deklariert sie zum Substrat oder zum Abstellraum für Nährstoffe. Obwohl die Bodenwissenschaften mehr als hundert Jahre alt sind, gelten sie als junger Forschungszweig: die von Liebig in den 1840ern begründete Agrikulturchemie hat ihren Vorsprung von 50 Jahren in Verbindung mit der Agrarindustrie nach Kräften genutzt, und sich als tonangebend durchgesetzt, so wie es heute die Gentechnik versucht.

 

Bodenvergessen. Das ist ein Fazit des Umwelthistorikers Frank Uekötter in seinem Buch zur agrarischen Wissensgeschichte in Deutschland, in dem er unter anderem feststellt, dass der Ökolandbau zum Hort des verdrängten Wissens vom Boden geworden ist. Aber auch hier bleibt Bodenfruchtbarkeit ein Diskussionsthema: Wie viel können wir dem Boden nehmen, ohne Erträge zu gefährden? Das ist die eine Frage, die vor allem viehlose oder vieharme Ackerbaubetriebe stellen. Denn am sichersten geht Bodenfruchtbarkeit mit Rindvieh und Leguminosengras. Die andere lautet: Wie viel müssen wir dem Boden geben, um den Ökolandbau mit umsatzstarken, lebendigen Böden effizienter in die Zukunft zu führen? Das fragen die, die den Ökolandbau im Hinblick auf Qualität, Klima und Ernährungsversorgung weiterentwickeln wollen.

 

Bodenklau, Landgrabbing, mit diesem Schlagwort wird auf Spekulanten verwiesen, die im beginnenden weltweiten Rennen um Rohstoffe – auch agrarische – Land kaufen. Doch betreiben wir das auch als Gesellschaft insgesamt: Wir pflastern unser Land zu, erzeugen „Bio“-Gas und beanspruchen stattdessen gute Böden in Übersee für Ölplantagen, damit wir 10 % „Bio“-Sprit fahren, lassen, da wo reichlich Nahrungsmittel angebaut werden könnten, das Futter für unser Billigfleisch, für Milch und Eier anbauen.

 

Doch ist der Gedanke, in Boden und Landwirtschaft zu investieren, nicht verkehrt: wenn es denn ökologisch ist. Die Bewegung für solidarische Landwirtschaft folgt diesem ebenso wie der Bodenfonds der GLS und eigentlich kann jeder, der Geld anlegen will, es auch hierzulande beim Ökobauern tun, oder wer Flächen zu verpachten hat, sie vorrangig an Ökobauern zur Verfügung stellen. Die kurzfristige Rendite ist vielleicht etwas geringer, doch langfristig ist das die wirksamste Bodenschutzmaßnahme.

 

 

Ihr