Editorial

Land sichern

Prinzipiell ist es ein gutes Zeichen, dass in den letzten Jahren in die Landwirtschaft und in Boden zur landwirtschaftlichen Nutzung investiert wird. Richtet sich damit doch der Blick endlich, nach Jahrzehnten der Missachtung auf einen Sektor, der für das Überleben der Menschheit essenziell ist.

 

Leider eben nur prinzipiell, denn konkret wird auf solchen Flächen in der Regel für den Export angebaut, dessen Gewinne meist ausländischen Eignern nutzen und dessen Nutzen für die dringend notwendige Steigerung der Lebensmittelproduktion auf dem Planeten fast null ist, sieht man von der Flächensicherung mancher chinesischen Investoren ab: Angebaut wird vor allem für die gierige industrialisierte Welt, ihren Appetit auf Treibstoff und Viehfutter.

 

Dieser bringt auch hierzulande die Lebensmittelproduktion ins Ungleichgewicht, durch die erhebliche Beanspruchung von Flächen und den Auftrieb für Pachtpreise. Auch von einer anderen Seite kommt der landwirtschaftliche Familienbetrieb unter Druck: der abnehmenden Hand, auch wenn dieser Trend die EU-Kernstaaten noch nicht erreicht hat. Vertikale Integration heißt das und ist in den USA oder Lateinamerika flächendeckend Wirklichkeit: Ich zitiere mal aus dem Lexikon Geographie des Wissenschaftsverlages Springer: „Die nahbereichsorientierten Wirtschaftskreisläufe, die durch lokal und regional verwurzelte Unternehmen, Genossenschaften, Banken und Vertriebskanäle gesteuert wurden, befinden sich unter dem Einfluss technologischer und organisatorischer Innovationen sowie politischer Rahmensetzungen der EU in zunehmender Auflösung. ... Mithilfe der Biotechnologie wird eine umfassende Kontrolle und Standardisierung agrarbiologischer Systeme angestrebt.“ Die KTG Agrar, Europas größter Biobauer, hat z. B. nach einem Tiefkühlkostunternehmen 2011 nun die Bio-Zentrale Naturprodukte GmbH, einen Vermarkter, erworben.

 

Landwirtschaft hütet Gemeingüter, Landschaft, sauberes Wasser, AgroBiodiversität – ist sie deshalb gemeinnützig? Muss man sie nicht auch unter diesem Aspekt betrachten, statt allein unter einseitig ausgewählten ökonomischen Parametern? Der politische Versuch dazu mit der aktuellen EU-Agrarreform wurde gerade verhindert, die Chance vertan, die europäische Landwirtschaft in diesem Sinne zu entwickeln: Vom ehemaligen Leitbild der multifunktionalen Landwirtschaft, vor zehn Jahren auf dem Höhepunkt, hört man nichts mehr: Das Agrobusiness habe dem Export zu dienen.

 

Im Kleinen versuchen an vielen Orten Europas Bürger zusammen mit Landwirten den Kollateralnutzen multifunktionaler Landwirtschaft zu erhalten: Sie beteiligen sich an „ihrer“ Landwirtschaft. Eine positive Entwicklung und Chance für viele Ökobetriebe, die nach Perspektiven suchen: Denn allein mit dem klassischen Familienbetrieb, wenn´s geht, noch gemischt, ist auf Dauer der Lebensunterhalt schwer, es sei denn, man verarbeitet und vermarktet in hohen Anteilen selbst. Sonst bleibt der Spezialisierungswettlauf oder Kooperationen mit nachbarlicher Arbeitsteilung. Sowohl bei Investitionen wie auch bei der Flächenverfügbarkeit droht vielen Betrieben die Klemme. Denn das Land gehört anderen, der Pachtanteil z.B. liegt heute bei 60 Prozent, 1989 erst bei 38 Prozent. Und die Rendite von Investitionen in Lebensmittelerzeugung reichen vielen Banken nicht. So lohnt es sich, auf die Erfahrungen zu schauen, die vor allem Demeter-Betriebe in den letzten vierzig Jahren mit alternativen Finanzierungsmodellen und Rechtsformen gemacht haben. Klar ist – auch diese müssen weiterentwickelt, größer werden, wenn sie verändernde Kraft entfalten sollen.

 

Ihr