Editorial

Von Hirten und Landwirten

Haben Hirten eine andere Wahrnehmung der Natur als Ackerbauern? Und hat, wer Schafe oder Ziegen hütet, eine andere Beziehung zur Naturumgebung als ein Kuhbauer? Wenn wir uns Futtergrundlage und den Naturraum dazu vergegenwärtigen, darf das wohl als sicher gelten. Und während woanders der Cowboy für eine zeitweilige Kultur stand, so war es hierzulande eher die Schäferromantik.

 

Schafe und Ziegen sind heute vor allem da Nahrungsbasis, wo Land und Vegetation den Rindern wenig bieten, meist in den semiariden Regionen des Globus, oft verbunden mit saisonalen Wanderungen, häufig da, wo es gebirgig ist. Kleinwiederkäuer sind geländegängiger und genügsamer als Rinder. Interessant ist, dass auf der Insel Kreta sowohl der minoische Kult, der über den Stier springenden Jünglinge, als auch die Heimat des antiken Hirtengottes Pan zu finden ist. Der gilt auch als Gott der (ungezähmten) Natur allgemein und des Waldes. Und während die Rinder eher den Ernst und die Macht repräsentieren – man erinnere sich an Zeus als Stier und Europa – so steht der ziegenfüßige und bockshörnige Pan eher dem Dionysos nahe, dem antiken Partygott – Pan als Erfinder der Flöte. Die stand damals für Unterhaltungsmusik, die Leier dagegen für ernste Töne.

 

Weltweit gibt es ungefähr eine Milliarde Schafe und 600 Millionen Ziegen, zusammen so viele wie Rinder. Will man in manchen Regionen biodynamisch arbeiten, kommt man um die kleinen Wiederkäuer nicht drumherum. Für den Aspekt der Tierhaltung als Bestandteil des landwirtschaftlichen Organismus taugen beide allemal. Man kann sogar die Hörner bzw. den Dung für die Herstellung der biodynamischen Präparate nutzen.

 

Aber auch hierzulande erlebt die munterere der beiden Tierarten eine Renaissance im Ökolandbau, bei Umstellern wie bei Betriebsgründern. Nicht nur der Demeter-Käser Monte Ziego sucht und wirbt fleißig Betriebe, auch junge Landwirte kommen auf die Idee, mit Ziegen, seltener mit Schafen, eine Existenz aufzubauen. Angesichts von ernüchternden Kuh-Milchpreisen sind offenbar Alternativen gefragt. Man muss aber mit den Schafen oder den Ziegen können, das ist nicht jedem gegeben: Mäh, bzw. Meck statt Muh. Anderes Management, andere Effekte in der Landschaft, aber zunächst meist ein deutlich geringeres Investitionsvolumen, darin liegt der Reiz. Den Markt muss man sich da selbst erschließen – meist mit Käse. Offensichtlich ist der Markt für Schaf- und Ziegenprodukte vorhanden, aber noch unterentwickelt. Zu den Feinschmeckern kommen aktuell auch Menschen, die das Eiweiß der Kuhmilch nicht vertragen hinzu: Sie können hier eine Alternative finden.

 

Die Vermarktung des Fleisches – eigentlich nur von Schafen – geht dagegen schwieriger: Der Markt ist klein, speziell und der Preisaufschlag für Bio nicht besonders. Wolle ist hierzulande unverkäuflich – allenfalls als Dämmstoff oder Rohstoff für organische Düngepellets. So ist die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit eher bei großen Herden gegeben, was andere Fragen aufwirft: Wer viele Schafe hält, denkt Landwirtschaft großräumiger, eher als Landschaft, nicht nur wegen der Landschaftspflegeprämien. Steiner übrigens sprach nie vom Hoforganismus sondern vom Organismus einer Landwirtschaft. In den sind insbesondere Wanderschäfer heute schwer zu integrieren, konventionell bremsen Herbizide das Nachweiden, und bio geht meist nicht, weil die Schafe auch konventionelle Flächen überlaufen und weiden. Gerade für Dauerkultur- oder Gemüsebaubetriebe sind Schafe übrigens eine Option, um dem biodynamischen Anspruch an Tierhaltung nachzukommen.

 

Ihr