Editorial

Es lebe die Vielfalt!

Während dieses Heft erscheint, ist bei den Winzern die Ernte eingebracht, gluckert im Keller und braucht noch Aufmerksamkeit. Denn anders als die meisten Landwirte sind die Ökowinzer in der Regel auch Hersteller, verarbeiten ihre Trauben selbst. Und was im Keller abgeht oder nicht – das ist ein spannender Part der Weinbereitung. Doch zeigt es sich auch, dass nach wie vor gilt: Qualität entsteht im Weinberg. Da sich inzwischen die Spontangärung bei biodynamischen Winzern ausbreitet, ist das, was draußen geschieht, von maßgeblichem Einfluss auf Gärvorgang und Weine. Wenn man es bei der Rebe richtig macht, wird es im Keller tendenziell entspannter, hat man die richtigen Hefen, kann dem Wein Zeit geben. Was wir dann auch an den Weinen merken: ausgeschlafen, kraftvoll, individuell, selbst wenn sie jung sind. Dennoch ist immer wieder spannend, was im kommenden Jahr dabei herauskommt – dieser Reiz verbindet Winzer und anspruchsvolle Weinliebhaber.

 

Und so entdecken wir Weine, die die Grenzen definierter Geschmacksvorstellungen verschieben, die natürlicher, trüber, schräger oder kerniger sind, als das, was man von der Rebsorte standardgemäß erwartet: Ein unerwarteter Reichtum tut sich auf!

 

Eigentlich schreibt der Moselwinzer Rudolf Trossen in seinem Beitrag zum Heft alles, was hier im Editorial gesagt werden kann, und lässt ansonsten auf seiner Website den Wein hörbar blubbern. Haben Winzer auch eine philosophische Ader? Sind sie Handwerker oder auch experimentierfreudige Künstler? Der Hype, der manche Marketingbeilage durchweht, klingt so. Aber ein bisschen was ist dran, wenn sie ihre Möglichkeiten mit ein wenig Mut zum Risiko wirklich wie beschrieben erweitern. Es muss sich aber auch die Kundschaft dafür finden – in der Spitzengastronomie, im Direktverkauf und im Export klappt das gut. Aber in Zeiten, wo Weine über fünf Euro hierzulande dem Durchschnittskunden schon als teuer gelten – fast 50 Prozent des Weinabsatzes erfolgt über Discounter, nochmal fast ein Drittel über Supermärkte – muss man sich als qualitätsorientiertes Weingut schon was einfallen lassen. Und es gibt neben den prämierten bei jedem ja auch noch die Brot- und Butter-Weine, die zur Gesamtkalkulation gehören.

 

Zu begrüßen jedenfalls ist, dass sich die Biodynamische Wirtschaftsweise ungebrochener Beliebtheit bei Spitzenwinzern erfreut. Auch weil die Arbeit der Winzer, mehr noch als die des Landwirtes die Landschaft prägt, meist besondere Naturräume und Lagen, vom Kleinklima und der Vegetation bis zum Arbeitseinsatz, unter anderem am Steilhang.

 

Und landwirtschaftlich-gärtnerische Kollegen: können die was von den Demeter- Winzern lernen? Aber klar – schaut Euch an, wie gezielt und wie oft sie die biodynamischen Präparate einsetzen, wie mancher Winzer Vieh integriert – zum Beispiel Kühe auf Odinstal, Ziegen bei Melsheimer – und wie sich das nachweisbar positiv auf die Qualität auswirkt! Wenn Top-Restaurants schon einzelne Möhren auf dem Teller präsentieren, sollte die Demeter, samenfest und aus biodynamischer Züchtung sein. Das lässt sich zusammen mit den Winzern sicher arrangieren.

 

Ihr