Editorial

Erdsprossknollen

Kartoffeln in der Ernährung – anthroposophischerseits wird da Mäßigung empfohlen, da die Kartoffel seelisch eher abschließend als zu Höherem aufschließend und verbindend wirke, so Rudolf Steiner. Dietrich Bauer vom Dottenfelderhof hat aus diesem Impuls züchterisch die Pastinake überarbeitet – als schmackhafte Kartoffelalternative.

 

Doch ist es heute nicht mehr so wie zu Steiners Zeiten, dass die Kartoffel das fast ausschließliche Nahrungsmittel – vor allem ärmerer Schichten – ist, es gab (und gibt) ja sogar Brot aus Kartoffelmehl. Die Veränderung unserer Ernährungsgewohnheiten in den letzten Jahrzehnten räumt auch den Getreiden den gebührenden Platz ein. Den hat die Kartoffel von Anfang an in den Fruchtfolgen und der Vermarktung der Demeter-Höfe. Und schon in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es Berichte, dass sie biodynamisch angebaut auch besser schmeckt.

 

Interessant allerdings, dass sie in der biodynamischen Praxis und Forschung so wenig bearbeitet ist. Auch die – wegen der vegetativen Vermehrung – nicht ganz einfache Züchtung ist zu kurz gekommen. Es gibt nur ansatzweise Forschung zu Kupferersatz. Dazu gibt es zwar eine jahrelange Verbundforschung im Ökolandbau, aber auch die ohne das Ergebnis eines neuen Wundermittels. Ist wohl auch zu eindimensional gedacht.

 

Die Kraut- und Knollenfäule weckt jedoch in regelmäßigen Abständen den Ruf der Demeter-Praxis nach der Zulassung von Kupfermitteln, und sei es nur ausnahmsweise. Mal im Norden, mal im Süden, je nach Jahreswitterung. Doch ist diese Forderung nach wie vor umstritten, was zeigt, dass es auch ohne geht. Der Blick in die Demeter-Betriebe der Nachbarländer belegt dies ebenfalls. Spannend, was die Niederländer dazu geforscht haben – Kartoffeln im Streifenanbau: gesünder bei vergleichbarem Ertrag. Und neue Trends aus der Praxis: Transfermulch auf die Dämme. Vielleicht auch mal Praxisversuche mit Tipps von Demeter-Altbauern wie Wolfgang Jörges: mit Baldrianbeize der Setzknollen oder Zwiebeln zwischen den Reihen?

 

Dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln ernten, hat sich meiner Beobachtung nach übrigens nicht bewahrheitet. So hatte doch im letzten Jahr einer unserer Autoren, ein Bauer, echte Pfundsknollen geerntet. Vor einigen Jahren war der Demeter-Anbau im ägyptischen Sekem dafür in Kritik geraten, die Wasserbilanz der Wüstenkartoffeln sei nicht so doll, das sei ein Manko der Exportware. Doch neben der Frage, wie man die Wüste ohne Wasser denn fruchtbar machen will: Auch hierzulande muss inzwischen an vielen Standorten bewässert werden – der klimawandelbedingt regelmäßig trockenen Frühjahrswitterung geschuldet.

 

Kartoffelalternativen gibt es übrigens nicht nur in Form von Getreide und getreideähnlichen Samen, sondern – ebenfalls zurück­gehend auf eine angebliche Äußerung von Steiner – auch in Form der Yamswurzel. Das von Demeter-Gärtnern hierzulande entwickelte Anbauverfahren der sogenannten „Lichtwurzel“ hat sich dank der ihr zugesprochenen besonderen Wirkung und entsprechender Produkte fest etabliert. Auch der Anbau von Süßkartoffeln – kein Nachtschattengewächs wie die Erdäpfel – ist in warmen Regionen wie dem Rheingraben hierzulande möglich.

 

Nicht zuletzt aber überrascht die Kartoffelpflanze mit einer unbändigen Vielfalt: Landwirte können hierzulande zwischen mehr als 400 Sorten wählen. Hinzu kommen die vereinzelt gehegten und vertriebenen, kulinarisch gepriesenen regionalen Raritäten wie Bamberger Hörnla etc. Und was man noch in Südamerika finden kann, weist auf ihre Wandlungsfähigkeit hin. 3800 kultivierte Sorten zählt das internationale Kartoffelinstitut in Lima. Ja, und es gibt sogar eine Kartoffel des Jahres! In diesem Jahr ist das die Rote Emmalie.

 

 

Ihr