Editorial

Muss ein Landwirt meditieren?

Für die Hälfte der Menschen wird die Welt durch Urknall und Zufall geprägt, die andere Hälfte sieht in ihr einen Sinn. Wer der Welt etwas Sinnhaftes zuspricht, setzt sich als Mensch zu einer geistigen Dimension in Beziehung. Und das macht einen Unterschied. Denn ohne eine geistige Dimension anzunehmen, gibt es keine Freiheit – so Rudolf Steiner, der Inspirator des Biodynamischen. Diese Prämisse hat Wirkung auf unser Handeln: die Vorstellung einer Welt, die von Determinismus und Selektion gelenkt ist, bewirkt und begründet den Vorrang von Willkür und Machbarkeit, statt Respekt für das Anders-Sein, auch das der Natur. Die Folgen kennen wir.

„Ihr zerstört die Bäume, die Pflanzen, die Tiere, die Flüsse. Aber alle diese Dinge sind beseelt. Wenn ihr nicht aufhört, die Geister dieser Erde zu töten, stirbt die Erde selbst.“ sagte Raoni Metuktire, Häuptling des Kayapo-Volkes im Amazonasregenwald, vorgeschlagen für den Friedensnobelpreis 2019. Wir haben unser Sensorium für die beseelte Dimension der Natur verloren. Das reicht bis zu den Lebensmitteln. Es ist einfach ideologisch zu behaupten, Lebensmittel bestünden nur aus Nährstoffen. Aus einer methodischen Einschränkung wurde hier ein Irrtum und dann ein verbreitetes Dogma. So fragte einst ein Spiegel-Redakteur hämisch den Professor für biologisch-dynamische Landwirtschaft, Ton Baars: „Glauben Sie an Kräfte aus dem All, die Wachstum und Wesen von Pflanzen und Tieren beeinflussen?“ Was für eine dumme Frage! Jeder Bauer weiß das! Ohne Sonne und Mond und das ganze Drumherum läuft hier auf unserem Planeten nix. Landwirtschaft ist das kluge Spiel mit den Energien der Sonne bzw. Kosmos und dem Widerstand der Erde. Unser Intellekt ist so profan geworden, dass er die selbstverständlichen Voraussetzungen unserer Existenz ausblendet.

Wohin dieser Reduktionismus führt, sehen wir am verbreiteten Nichtwissen um einen guten Boden. Der Mars wird aufwändigst erforscht, aber unter der Erde regieren unbekannte Wesen. Bis heute gilt der Blick dorthin eher als unwissenschaftlich bzw. bleibt dem Gespür der Biobauern überlassen. Ja, und es war eben Gespür der Bauern, für das was schiefläuft in der Landwirtschaft, was zur Erfindung des Ökolandbaus führte. Die Agrarwissenschaft hätte ihn heute noch nicht entdeckt.

Dieses Gespür, das kann man lernen, das ist die Botschaft der Biodynamischen und ihres Quells, der Anthroposophie. Das können Sensoren, Chips und Algorithmen nicht ersetzen, obwohl sie auch im Landbau als Lösung verkauft werden. Den flüchtigen Eindruck des Spürens verpasst man heutzutage leicht. Aber jeder weiß: rechtzeitig hinschauen, hinlauschen, hinspüren hat schon viel Arbeit erspart. Nur nehmen wir uns diesen Moment der (scheinbaren) Muße viel zu selten. Dagegen setzte Rudolf Steiner seinen Schulungsweg, der zu Imagination, Inspiration und Intuition führt. Sollte also der Bauer meditieren? Probieren sie´s selbst!

 

Herzlichst Ihr