Editorial

Biodynamisch – eine Wissenschaft für sich

Als Anfang des Jahres die Medien alles, was nur den Verdacht der Kritik an Coronamaßnahmen erwecken könnte, aufs Korn nahmen, war auch Demeter dabei: „Unwissenschaftlich“ lautete das durchgängige Verdikt, leider ohne nennenswerte Recherchebemühung der Verfasser. Die hätte ein anderes Bild zutage gebracht.

Biologisch-dynamisch – das bedeutet Forschung von Anfang an – ja bevor es diesen Begriff gab, taten sich anthroposophische Landwirte zu einem Versuchsring zusammen, um die Angaben Rudolf Steiners in der Praxis zu prüfen. Aus dem Probieren, Züchten, Vergleichen ging der harte Kern der Pioniere des Ökolandbaus in Deutschland hervor. Und gründete 1950 die erste Forschungsstätte für Öko-Landbau, das Institut für biologisch-dynamische Forschung in Darmstadt – heute Forschungsring e. V. Hier wurden u. a. die Grundlagen für ein biodynamisches Verständnis von Qualität erarbeitet, in einer ganzen Reihe von Doktorarbeiten. Schon damals arbeiteten die Forscher mit Universitäten zusammen. Schließlich war Demeter in den 1960er und 70er Jahren der einzig etablierte Ökolandbau.

Das konstruktive Miteinander änderte sich mit dem Aufkommen anderer Ökolandbaurichtungen und der Frage, wozu man die Besonderheiten des Biodynamischen denn (noch) braucht. Und mit dem kurzzeitigen Wandel in der Agrarpolitik: da wurde das Biodynamische dann zur politischen Diskreditierung genutzt, mit Artikeln wie „Blut und Bohnen“ aufs Künast-Ministerium geschossen. Die Frage nach der Rechtfertigung des Biodynamischen hält bis heute an, trotz zahlreicher, auch internationaler wissenschaftlicher Publikationen, trotz des Erfolges der Marke Demeter bei den Verbrauchern.

Zugleich sind die biodynamisch Forschenden erfolgreich: Aus Züchtungsforschern wurden Züchter mit zahlreichen angemeldeten und angebauten Sorten. Es wurden Nachweise für Wirkungen der biodynamischen Präparate wie auch Ansätze zum Verständnis des Wirkzusammenhangs hervorgebracht. Ja, biodynamisch ist topaktuell, zum Beispiel bei den Forschungen zum Bodenbiom. Und eigens entwickelte Methoden zur Beschreibung der Lebensmittelqualität wie Kupferchloridkristallisation oder Wirksensorik sind heute wissenschaftlich anerkannt. Zudem sind gut hundert landwirtschaftliche Betriebe in die Forschung involviert, partizipative Forschung ist Programm.

Doch das Feld des biodynamisch noch zu Erforschenden ist weit, umfasst Nutztierthemen ebenso wie Sozial-Ökonomisches, gemischte wie auch Spezialbetriebe. Wenn dieses Heft erscheint, findet die zweite internationale biodynamische Wissenschaftstagung statt, mit Aspekten aus verschiedenen Kulturen und Klimaten. Und es gibt noch dicke Bretter zu bohren: Zum Beispiel, wenn es um Landwirtschaft als Organismus geht, oder um die Erfassung des standörtlich-biodynamisch entwickelten Eigenen eines Betriebes. Mir fallen noch viele Themen ein und das ist gut so. Denn das Biodynamische braucht mehr Forschung und junge Menschen mit dem Mut zu wissenschaftlichen Fragen.

 

Herzlichst Ihr