Editorial

Mehr Ziegen?

Mehr noch als die Kuh sind die Kleinwiederkäuer die Nutztiere, die unwegsames Gelände und kargeste Verhältnisse für die menschliche Ernährung nutzbar machen. Vor allem in den ausgedehnten Trockengebieten des Globus sind sie unverzichtbar für die Ernährungssicherheit. Und für viele Kleinbauern sind sie ein Baustein der Resilienz ihrer Farm. Auf eine Milliarde wird die Zahl Ziegen weltweit geschätzt.

Hierzulande gibt es vergleichsweise fette Weiden, dafür aber hohe Leistungsansprüche. Was bereits die heiklen Punkte der Ziegenhaltung, auch der ökologischen charakterisiert. Ein Drittel der meckernden Wiederkäuer wurde 2020 auf Öko-Betrieben gehalten. Der Anteil ist in den in letzten zwanzig Jahren erheblich gestiegen, auch weil es inzwischen einen Markt für Ziegenmilchprodukte gibt und diese jenseits von Käsespezialitäten bei Kuhmilchunverträglichkeiten eine Wahl sind.

Doch vor gut hundert Jahren gehörte die Ziege noch in fast jeden Haushalt, sogar in städtischen Randgebieten: Mit fünf Millionen Tieren war ihre Zahl dreißig Mal höher als heute. Es besteht also sicher noch Potenzial zur Ziegenhaltung. Auch in der Landschaftspflege können nicht nur Schafe zu Deichpflege eingesetzt werden, sondern auch Ziegen, z.B: um die Verbuschung von Weiden oder die Verunkrautung im Wald einzudämmen. Inwie­weit sie sich für biodynamische Sonderkulturbetriebe oder Demeter-Erwerbsgärtnereien zur Ergänzung des tierischen Elements eignen, muss man wohl ausprobieren. Erste Winzer haben da schon Erfahrungen. Und ob Ziegenhörner sich für das Herstellen biodynamischer Präparate eignen, käme auf einen Versuch an.

Doch muss man auch Ziegen halten können, die sind ja nunmal grundsätzlich anders als eine Kuh. Und dann ist da noch das Thema der Ziegenkitze: Wie beim Bruderkalb lassen sich auch hier die männlichen Nachkommen nur mit besonderen Bemühungen und Aktionen vermarkten. Erste Aktivitäten hierzu gibt es bereits, auch bei Demeter.

Kurzum: rund um die Ziege hat der Ökolandbau noch reichlich Entwicklungsbedarf. Das Wissen zur „Kuh des kleinen Mannes“ kann gerne noch erweitert werden, auch beim Thema Züchtung. Immerhin bieten die Kollegen von Bioland hier alle zwei Jahre eine internationale Tagung. Aber schon, wenn man einen Fachberater, eine Fachberaterin sucht, wird es eng.

Dass dennoch viele Betriebe in nennenswertem Umfang Milchziegen halten, weist auf die Innovationsfreude und die guten Netzwerke des Ökolandbaus hin. Und, mit Ziegen kann man mit geringerer Investition einen Betrieb gründen als mit Kühen.

 

Herzlichst Ihr