Editorial

Nach dem Boom

Bio war immer eine sichere Bank. Der Markt wuchs mal mehr, mal weniger, aber stetig. Wie wird es in diesem Jahr? In der aktuellen Teuerungskrise reagieren Konsumenten preissensibel: mit Folgen für den Bio-Markt, die Umsätze gehen zurück. Gerade jetzt braucht es verlässliche Partner, wenn man wie Demeter-Erzeuger und -Verarbeiter mit besonderem Anspruch, werteorientiert produziert. Wie nachhaltig die neuen und alten Partnerschaften sein werden, wird sich hier zeigen. Immerhin sind Gesprächsebenen jenseits der Anonymität angelegt, viele Geschäftsbeziehungen langfristig eingespielt.

Demeter-Lebensmittel zum Verbraucher handeln, das tun schon lange auch viele Erzeuger: Gerade Demeter-Höfe sind stark in der Direktvermarktung: Das reicht vom nachbarschaftlich lokalen Verkauf der eigenen Produkte, auch auf dem Wochenmarkt, bis hin zum kleinen Biosupermarkt, von der Abokiste – oft mit Bioladen-Sortiment – bis zum Onlinehandel. Für viele Betriebe ist das Hinzunehmen des Handels ein wesentliches wirtschaftliches Standbein. Bei Imkern und Winzern gehört das in der Regel dazu, aber auch sie brauchen meist zusätzlich den Handel. Denn die Direktvermarktung ist immer nur ein Teil. Und die Menge an Demeter-Ware ist über alle Betriebe so groß, dass es zum Naturkostfachhandel auch des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels bedarf, um alle Demeter-Lebensmittel abzusetzen. Handel ist aus Demeter-Sicht kein Selbstzweck, sondern hilft, die Landwirtschaft ökologischer und zukunftsfester zu machen.

Oft steht der Handel in der Kritik, meist wegen der unzulänglichen Preise für Erzeuger. Doch gibt es bis zum Einzelhandel ja noch Zwischenstufen, Bündler und Verarbeiter, Großhandel etc. Mit den großen Partnern aus dem LEH kommt noch die Frage hinzu, ob sie sich alle in der Wertschöpfungskette für die Projekte und Belange der Erzeuger einsetzen.

Die wesentliche Aufgabe des Handels ist der Ausgleich zwischen Produktion, also Erzeugung, Verarbeitung und Konsumption. Sowohl bei Mengen, als auch bei Preisen. Doch hat der Handel – fünf Unternehmen dominieren den Lebensmittelmarkt in Deutschland – auch das Ohr am Kunden und vor allem: er hat Gestaltungsmacht, jenseits von Marketingprojekten. Das verführt natürlich. Aktuell mehren sich daher die kritischen Stimmen in der Presse, was die Lebensmittelpreise und den Anteil des Handels daran angeht.

Doch gerade jetzt zeigt sich, dass der Umbau unserer Lebensmittelversorgung, beginnend bei der Landwirtschaft, eine Frage der Zukunftsfähigkeit ist: Klima und Natur schonender Anbau und Verarbeitung, kurze und Energie sparende Handelswege, letztlich läuft es auf deutlich mehr Regionalisierung, mehr Inlandsware hinaus: das erfordert allerdings faire Preise, nur die sind nachhaltig. Bei Nachhaltigkeit wollte der konventionelle LEH mehr Flagge zeigen, das kann sich jetzt bewähren. Und die Naturkostbranche braucht neue Ansätze und mehr Effizienz, gerade um junge Kunden zu gewinnen.

Doch sollten wir trotz Teuerung nicht vergessen: die Preise sollten eigentlich die ökologische Wahrheit sagen. Ein Verursacherprinzip für die ohnehin gesetzlich durchregulierte Landwirtschaft ist überfällig. Das würde vieles einfacher machen. Nur die Verbraucher müsste man da mitnehmen, würden konventionelle Lebensmittel doch dadurch teurer. Eine Aufgabe für die Politik.

 

 

Herzlichst Ihr