Editorial
Gemeinsam etwas ändern
Einst war die ökonomische Nische, die den Ökobauern half, ihr Einkommen zu sichern, die Direktvermarktung. Mittels Solidarischer Landwirtschaft, meist als gärtnerische Neugründung, fanden auch bestehende Ökobetriebe Wege, diese Versorgungsform in ihren Betrieb als Standbein und soziale Erweiterung zu integrieren. Farmer John jedenfalls erfuhr die betriebliche Auferstehung durch diese Form der Verbraucher:innenbeteiligung – vielleicht erinnert sich noch jemand an Film und Tour aus den USA.
Die Idee, dass Menschen direkt Verantwortung für die Produktion von etwas übernehmen, ist immer noch neu genug, um sich weiter auszubreiten. Vielleicht auch auf andere Bereiche als Erzeugung? Bei der Landwirtschaft hilft deren offenliegende Zugänglichkeit, die das Teilen von Ernte und Aufwand einfacher macht. Zumal es sich oft um Gärtnereien handelt, die mit viel Enthusiasmus und Handarbeit ein Gegenbild zum industriell betriebenen Gemüsebau größerer Betriebe leben. Allerdings sind weder Märkte noch Enthusiasmus automatisch krisenfest.
Die Ursprünge dieser Konsumentenmitwirkung liegen in Japan, Teikei genannt, eine Bewegung zur Unterstützung der dort sehr kleinteiligen Landwirtschaft. Über den Umweg USA kam die Community Supported Agriculture (s.a. Buch: Höfe der Zukunft, Verlag Lebendige Erde) nach Deutschland und beendete in den 2010ern das jahrzehntelange Nischendasein der Pionierbetriebe Buschberghof und Kattendorferhof – beide Demeter. Dann, mit dem Aufkommen der ökologischen Transformation auch des Lebensmittelsystems und gründungswilligen Gärtnern anderseits, wuchs die Zahl der SoLaWi in Deutschland sehr rasch: Gab es 2007 erst ein Dutzend (zeitgleich in den USA: 2500, vgl. LE 2/2008) sind es heute 560 (Stand Januar 2024). Das gelang meist aus lokaler Initiative, in der Regel ohne spezielle Förderung.
Der Reiz liegt für Verbraucher darin, gute Lebensmittel zu erhalten und an deren Erzeugung mitgestalten zu können, sich so praktisch am ökologischen Umbau beteiligend. Für Landwirte und Gärtner bietet sich die Chance des direkten und verbindlichen Kontakts zu den Menschen, die sich von ihren Produkten ernähren, die Möglichkeit neuer Begegnungen und Aktivitäten und der Risikobeteiligung durch diese Co-Produzenten. Diese Form setzt besonderes Engagement voraus, von beiden Seiten, und die Fähigkeit bzw. Bereitschaft zur transparenten Kommunikation.
In Korea und Frankreich gestalten Zusammenschlüsse von tausenden Co-Produzenten und Dutzenden Betrieben nach dem gleichen Prinzip die Wirtschaft im Lebensmittelbereich anders. Ob ein solches „Upscaling“ auch hierzulande funktioniert? Vielleicht mit Mehrbetriebs-SoLaWis – wie im Porträt vorgestellt, oder regionalen Zusammenschlüssen? Es gibt auch SoLaWis, die sich z. B. um eine Produktkategorie kümmern wie Teikei-Kaffee, aus Mexiko per Segelschiff transportiert. Kurzum, die Weiterentwicklung, auch der Rechtsformen, deutet sich an.
Ein Allheilmittel für die aktuelle landwirtschaftliche Krise ist SoLaWi nicht. Auf jeden Fall aber Inspiration für mehr Zusammenarbeit in der Landwirtschaft, auch jenseits von Erzeuger-Verbraucher-Zusammenschlüssen.
Herzlichst Ihr