Editorial
Imkern mit erweitertem Blick
100 Jahre Bienenvorträge: Wie bei den Landwirten auch hat Rudolf Steiner mit einer Vortragsreihe – allerdings vor den Bauarbeitern des ersten Goetheanum – die Grundlagen für einen anderen Blick auf die Aktivität des Menschen bezogen auf die von ihm gepflegte Natur gelegt. Das war 1923, das Thema der (acht !) Vorträge zum Bienenleben hatten sich die Zuhörer, darunter eine Reihe Nebenerwerbsimker, von Steiner gewünscht. Diese Anregungen wurden aber erst in den letzten Jahrzehnten breiter aufgegriffen. Lange gab es nur einzelne Imker, die ihre Art der Bienenpflege daran orientierten, z. B. Iwer Thor Lorenzen oder Matthias Thun, der dazu auch ein Buch schrieb, oder mehr künstlerisch Günther Mancke in Weissenseifen. Erst mit dem Auftreten der Varroamilbe machten sich mehr Imker Gedanken um einen wesensgemäßen Umgang mit den Honigbienen, so entstand 1985 die Initiative Mellifera e.V., sowie Anfang der 1990er Jahre eine überverbandliche Zusammenarbeit der Imker zur Bienengesundheit. Die nach unterschiedlichem Grad der ganzheitlichen Betrachtung sich differenzierenden Gruppierungen entwarfen die ersten imkerlichen Richtlinien der Öko-Verbände, 1995 entstanden so die Demeter-Richtlinien zur Bienenhaltung.
Demeter-Imker teilen sich wie alle Bienenhaltende auf in solche, die es als Hobby betreiben, solche im Nebenerwerb und solche, für die es ein Vollberuf ist. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die Sicht auf manche Elemente der Betriebsweise, z. B. das Absperrgitter. Daran hat auch ein vorbildlich partizipatives Demeter- Forschungsprojekt wenig geändert. Aktuell entscheiden die Demeter-Delegierten über den Einsatz von Demeter-Honig in der Verarbeitung. Und ja, auch als Demeter-Imker im Nebenerwerb oder Hobby kann man auf Effizienz achten, muss man für Mitgliedsbeitrag und Kontrolle doch eine Menge Gläser Honig verkaufen. Da lohnt es sich z. B., über die Erzeugung weiterer Bienenprodukte nachzudenken: Wachs, Propolis, Pollen, Wabenhonig etc.
Letztlich steht aber bei allen Imkern die Freude an der Arbeit mit den Bienen im Vordergrund. Neben – immer wieder – durch Pestizide beeinträchtigte Bienen bzw. auch belastetem Honig, sind die Bienen aktuell vor allem vom Klimawandel betroffen. Schon die Varroamilbe fasste Fuß in warmen Wintern, neu aufkommender Imkerschreck ist die Asiatische Hornisse, die auch Bienen frisst. Problematischer aber ist die Verschiebung der Jahreszeiten: frühe Blüte, blütenarme und immer öfter trockene Sommer, sehr später Winter, wenn überhaupt – das bringt Leistung und Rhythmus der Bienenvölker durcheinander. Die traditionelle Experimentier- und Beobachtungsfreude der Imker ist also gefragt.
Herzlichst Ihr