Ernährung

Kurz & knapp

  • Allergische Reaktionen auf bestimmte Lebensmittel lassen sich unterscheiden in echte Allergien, Pseudoallergien durch andere Substanzen und Unverträglichkeiten.

  • Allergien können durch natürliche Eiweiße, aber auch durch infolge von Landwirtschafts- oder der Verarbeitungsverfahren veränderte Eiweiße hervorgerufen werden.

  • Eine entsprechende frühkindliche Ernährung kann manche Disposition zur Allergie vermeiden.

Lebensmittelallergie

Überreaktion auf Fremdes

von Petra Kühne

 

„Kann Spuren von Haselnuss enthalten” – wer hat nicht schon einen solchen Hinweis z. B. auf einer Schokolade gelesen, die eigentlich keine Nüsse enthalten sollte? Die Hersteller sichern sich mit solchen Hinweisen ab, falls doch ein paar Nussreste aus der vorherigen Produktion einer Nussschokolade in die eigentlich Nuss-freie Sorte gelangt sein könnte. Seit ein paar Jahren sind die Hersteller verpflichtet, 14 Lebensmittelgruppen zu kennzeichnen, die bekanntermaßen in Europa häufiger zu Allergien oder Unverträglichkeiten führen. Dazu gehören auch alle Nüsse. Absicht des Gesetzgebers war es, den Betroffenen zu erleichtern, die für sie unverträglichen Lebensmittel oder Zutaten zu erkennen. Dies ist besonders bei verarbeiteten Lebensmitteln wichtig, da diese teilweise verschiedenste Zutaten aufweisen können. In diesem Zusammenhang fiel auch die 25 % Regel, nach der Zutaten, die zu weniger als 25 % im Lebensmittel enthalten waren, nicht nach ihren Bestandteilen aufgelistet werden mussten. Die Grenze dafür wurde auf 2 % gesenkt und alle Zutaten, die auf der Allergenliste sind, müssen immer aufgeführt werden. Vor 2005 durfte z. B. auf einem Fruchtjoghurt nur „Fruchtzubereitung” stehen, heute werden die Zutaten der Fruchtzubereitung in Klammern aufgeführt. Diese gesetzlichen Vorschriften verdeutlichen, dass zum einen die Anzahl der Menschen, die auf bestimmte Lebensmittel allergisch reagieren, bedeutsam sind und zum anderen, dass es schwieriger ist, alle Zutaten in den verarbeiteten Lebensmitteln zu erkennen.

Was ist eine Allergie?

Das Wort Allergie kommt aus dem griechischen und bedeutet „allos” = anders und „ergon” Wirkung. Bei einer Allergie reagiert der Körper also anders, abweichend vom üblichen. Es kommt zu einer überschießenden Reaktion auf eigentlich harmlose Substanzen. Eine solche Substanz oder Lebensmittel nennt man Allergen, Allergieauslöser. Allergien treten nicht nur gegenüber Lebensmitteln auf, sondern wesentlich häufiger gegenüber Pollen, Staub oder Tierhaaren. Lebensmittelallergien machen bei Kindern etwa 5 bis 8 % aller Allergien, bei Erwachsenen 1 bis 4 % aus. Allerdings kann eine Lebensmittelallergie, wenn sie sich auf ein Grundnahrungsmittel wie z. B. Weizen bezieht, den Alltag und die Auswahl der Lebensmittel sehr belasten. Reagiert man dagegen auf Langusten (Krustentiere) allergisch, was häufig bei Langustenessern vorkommt, so ist das Weglassen derselben in der täglichen Ernährung nicht sehr schwierig.

Wie zeigt sich eine Allergie?

Die Allergiesymptome treten überwiegend an so genannten Grenzbereichen auf. Dies sind die Körperpartien, die den Menschen zur Umwelt abgrenzen. Dazu zählen die Haut, das Atmungssystem, und das Verdauungssystem. Die heftigste und gefährlichste Reaktion ist der Kreislaufzusammenbruch, der eine rasche Notfallbehandlung erfordert. Zum Glück gibt es nur wenige Allergene, die diese Wirkung hervorrufen wie z. B. Erdnüsse.

Worauf reagiert man allergisch?

Eine echte Allergie tritt nur gegen Eiweiß auf. Sie muss man unterscheiden von einer Pseudoallergie, die durch andere Substanzen ausgelöst werden kann. Daneben gibt es noch Unverträglichkeiten, die auf verminderten oder fehlenden Verdauungsenzymen basieren wie die Laktose-Intoleranz oder durch eine zeitweilige Überlastung des Körpers hervorgerufen werden (zu hohe Aufnahme, Darmkrankheiten) wie z. B. die Fruktose-Malabsorption. Die echte Allergie lässt sich im Blut durch das Vorhandensein von Antikörpern nachweisen. Sie tritt meist auf geringste Spuren des Allergens (dosisunabhängig) auf, während Pseudoallergien und Unverträglichkeiten oft erst nach Verzehr einer gewissen Menge des Lebensmittels oder der Substanz auftreten. Sie sind auch nicht im Blut nachzuweisen. Die häufigsten Allergene in Deutschland bei Kindern sind Kuhmilch, Soja, Eier, Obst, Nüsse, Fisch, Weizen und bei Erwachsenen Haselnuss, Sellerie, Apfel, Karotte, Erdnuss, Fisch, Gewürze. (1). In anderen Ländern wie z. B. in Japan gibt es häufig Allergien auf Reis.

 

Zunehmend gibt es so genannte Kreuzallergien. Dabei ähneln sich Eiweißteile (Epitope) verschiedenster Pflanzen, so dass man z. B. gegen Birkenpollen und das ähnliche Haselnusseiweiß allergisch reagiert. Man nennt diese Allergien auch Pollenassoziierte Lebensmittelallergien. Diese können verstärkt auftreten, wenn die entsprechenden Pollen in der Luft sind. Etwa 50 % der Birkenpollenallergiker entwickelt Kreuzallergien auf Lebensmittel. Auch auf Latex (Matratzen, Gummihandschuhe) kann man allergisch sein, es zeigt wiederum Kreuzallergien zu Banane, Acerola, Kiwi und Maniok. Bei einer Allergie auf Vogelfedern kann es auch eine Kreuzallergie zu Hühnereiern geben.

Lebensmittelallergien – Ein Ratgeber für den Einkauf

Hrsg.: Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): http://www.bll.de/publikationen.

Eiweiß ist nicht gleich Eiweiß

Man spricht meist von einem Eiweiß in einem Lebensmittel wie Apfeleiweiß oder Kuhmilcheiweiß. Dies ist aber sehr vereinfacht, denn tatsächlich handelt es sich immer um verschiedene Eiweiße in den Lebensmitteln wie Speicher-, Struktur-, Transportproteine. Dazu kommen noch Verunreinigungen z. B. durch Bakterien, deren Zelle ebenfalls Eiweiß enthält. Eiweiß muss also differenziert werden. Bei Äpfeln tritt eine Allergie oft nur auf bestimmte Sorten auf. Weniger allergen sind Boskop, Gravensteiner, Altländer, Hammerstein, Berlepsch oder Goldparmäne, auch Santana oder Elstar. Diskutiert wird auch über so genannte Stresseiweiße. In Abhängigkeit von Anbauverfahren und Wachstumsbedingungen bilden Pflanzen unter „Stress” z. B. durch triebige Düngung oder extremes Wetter wie lange Hitzeperioden veränderte Eiweißmoleküle, die Allergie auslösen können.

 

Kennzeichnungspflicht für Allergene:

  • glutenhaltiges Getreide (Weizen, Dinkel, Emmer, Einkorn, Gerste, Roggen und Hafer, Kamut)

  • Fisch, Fischerzeugnisse

  • Krustentiere

  • Eier und Eierzeugnisse

  • Erdnüsse

  • Lupinen und Lupinenerzeugnisse

  • Soja und Sojaerzeugnisse

  • Milch (einschließlich Laktose)

  • Schalenfrüchte (Nüsse)

  • Sellerie und Sellerieerzeugnisse

  • Senf

  • Sesamsamen

  • Schwefeldioxid und Sulfite ab einer Konzentration > 10 mg pro Kilo oder Liter

  • Weichtiere (Schnecken etc.)

    EU Allergen-Kennzeichnung für 14 Lebensmittelgruppen

Bei Apfelsaft zeigte sich ein weiterer Einfluss. Bestimmte Sorten, denen man Trübstoffe abgezüchtet hatte, damit der Saft klarer ist, führten bei Menschen zu Allergien, während dies bei anderen nicht der Fall war. Hintergrund ist, dass die Trübstoffe – sie wirken als Ballaststoffe – die Saftpassage durch das menschliche Verdauungssystem verlangsamten. Dadurch haben die Verdauungsenzyme länger Zeit, die Safteiweiße zu bearbeiten und abzubauen. Die trübstoffarmen Säfte gelangen zu schnell in den Dünndarm, wo bereits die Resorption stattfindet, ohne dass sie genügend abgebaut werden konnten.

Ähnliches lässt sich über die Homogenisierung des Milchfettes sagen. Durch dieses Verfahren wird die Größe des Fettkügelchens vermindert. Dabei reißt die Eiweißhülle, es lagern sich andere Eiweiße an. Das viel kleinere Fettkügelchen gelangt schneller in den Darm, wird weniger abgebaut. Tritt dann noch eine durchlässige Darmschleimhaut hinzu, so kann eine Allergie ausgelöst werden. (2) Aus diesem Grund ist bei Demeter-Milch die Fetthomogenisierung nicht zulässig.

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Grenzbereich

Symptome

Häufigkeit

Haut

Nesselsucht mit Quaddeln, Juckreiz, Schwellungen

50 %

Auge und Atemwege

Tränen, Fließschnupfen, Bronchitis, Asthma

20 %

Verdauungsbereich

Übelkeit, Blähungen, Durchfälle

20 %

Herz-Kreislauf-System

Schwindel, Kreislaufzusammenbruch

10 %

mögliche Begleitsymptome

Migräne, Übererregbarkeit

 
Pollenassoziierte Lebensmittelallergien

Birkenpollen

Birkengewächse wie Haselnuss; Obst (Rosenblütler): Apfel, Birne, Pflaume, Pfirsich, Nektarine, Aprikose, Kirsche, Kiwi, Mango, Avocado, Sellerie, Möhren,

Beifusspollen

Pfeffergewächse: grüner, schwarzer und weißer Pfeffer, Korbblütler wie Beifussgewürz, Estragon, Kamille, evtl. Korbblütlergemüse: Artischocke, Löwenzahn, Sonnenblume

Gräserpollen

Hülsenfrüchte (Erdnuss, Soja, Bohnen), Lippenblütler, Tomaten, Kartoffeln

Platanenpollen

Melone

Was passiert bei einer Lebensmittel-Allergie?

Mit jeder Nahrungsaufnahme nimmt der Mensch etwas Fremdes auf. „Man isst sich krank und verdaut sich gesund”, sagt ein arabisches Sprichwort. Die „Entgiftung” der Nahrung geschieht durch die Verdauung. Säuren und Basen und Verdauungsenzyme bauen die Lebensmittel zu einfachen Verbindungen ab. Nur so können die Nährstoffe im Blut aufgenommen werden, ohne dass der Mensch daran erkrankt. So beginnt bereits im Mund die Zerstörung der Form, der Abbau wird durch Magen und Darm fortgeführt. Untersuchungen zeigen bei Menschen mit geringer Magensäureproduktion eine erhöhe Allergiebereitschaft. Außerdem hilft uns die Darmflora, die von Nährstoffen lebt, die der Mensch nicht nutzen kann (z. B. Zellulose): Sie beseitigt nebenbei auch unerwünschte Mikroorganismen wie Pilze und krankmachende Bakterien und Giftstoffe. Wenn die Verdauung nicht in der Lage ist, das Nahrungseiweiß so weit abzubauen, dass der arteigene Charakter zerstört ist, können solche größeren Eiweißbruchstücke bei nicht intakter Dünndarmschleimhaut ins Blut gelangen. Dies bedeutet dann Alarmstufe, denn ein Fremdeiweiß gefährdet die menschliche Immunität. Das Immunsystem beginnt Antikörper gegen diese Eiweißreste zu bilden, um sie unschädlich zu machen. Im Blut dulden wir nur unser eigenes Eiweiß. Beim folgenden Kontakt mit dem Lebensmittel kommt es dann zu einer starken Immunreaktion, da der Körper – er kennt das Muster – schnell die Antikörper bilden kann. Man unterscheidet den Sofort- und den verzögerten Typ (nach Stunden oder Tagen). Voraussetzung ist also, dass der Mensch bestimmte Eiweiße nicht richtig abbaut. Jeder Abbau setzt eine Wahrnehmung voraus, um entsprechende Verdauungsenzyme überhaupt mobilisieren zu können. Diese Wahrnehmung kann gestört, irritiert oder wie beim Säugling noch nicht fertig ausgebildet sein. Die Antikörper lassen sich im Blut durch entsprechende Tests nachweisen. Es handelt sich um die Immunglobuline E (Ig E). Untersuchungen auf Immunglobuline G (Ig G) lassen keine Diagnosen über Allergien zu. Oft wird auch ein Provokationstest oder eine Auslassdiät zur Diagnostik durchgeführt. Dies sollte immer bei einem Arzt geschehen.

Was tun bei einer Allergie?

Bei nachgewiesener Allergie wird erst einmal das Lebensmittel gemieden (Karenz). Dies kann über einen längeren Zeitraum nötig sein. Bei einer Allergie auf ein Grundnahrungsmittel muss auf vollwertigen Ersatz geachtet werden. Bei Kindern verschwinden Allergien oft nach einiger Zeit, so z. B. eine Milchallergie im Säuglingsalter zu 80 % mit 3 bis 4 Jahren, Erdnussallergie bleibt allerdings zu 80 % lange bestehen. Durch Schälen entfernt man bestimmte Eiweiße, so dass Obst und Gemüse für manche Allergiker verträglicher werden. Durch Erhitzung kann bei einigen Obst- und Gemüsearten ebenfalls das Eiweiß so denaturiert werden, dass es seine Allergenität verliert z.B. bei Äpfeln. So ist Kompott, Kuchen, gekochtes Gemüse oft verträglich. Das Eiweiß von Sellerie ist dagegen hitzestabil und bleibt auch in gekochtem Zustand allergen. Bei Milch zeigen neuere Untersuchungen, dass Rohmilch verträglicher ist und vor Allergien schützt. (3) Milchfett hat einen schützender Einfluss vor Milchallergien durch konjugierte Linolsäuren (CLA) und Omega-3-Fettsäuren.(4) Dieser Einfluss von Milchfett war vielen Müttern schon immer bekannt, deren Kinder verdünnte Sahne vertrugen, aber keine Milch. Auch Milch von Kühen, die ihre Hörner behalten haben, schützt – so erste Erfahrungen – vor der Entstehung eventueller Allergien.

 

Damit sind bereits Maßnahmen der Allergieprävention angesprochen. Hier sind die Anbaumethode, Haltungsformen (Weide) und Futter der Kühe sowie auch bestimmte Verzehrshinweise wichtig. Neue Präventionsempfehlungen für Schwangere und Säuglinge empfehlen keine Vermeidung mehr, sondern die Gewöhnung an die Lebensmittel. Wenn die Mutter in der Schwangerschaft bereits Milch trinkt, so lernt das Ungeborene sie bereits über das mütterliche Blut kennen. Gerade bei Kleinkindern gibt es offenbar „Zeitfenster”, in denen neue Lebensmittel in den Speiseplan integriert werden sollten. So wird die Einführung von glutenhaltigem Getreide (Weizen, Dinkel, Hafer, Gerste) zwischen dem 5. bis 7. Lebensmonat empfohlen, wenn möglichst noch zu anderen Mahlzeiten gestillt wird, denn die Muttermilch verbessert die Toleranz gegenüber neuen, unbekannten Lebensmitteln.

Dr. Petra Kühne

Ernährungswissenschaftlerin, Buchautorin und Vorstand des Arbeitskreis für Ernährungsforschung, http://www.ak-ernaehrung.de

Anmerkungen und Literatur:

  • (1) Floto-Stammen, Sonja: Ratgeber bei Lebensmittelunverträglichkeiten. aid infodienst Nr. 1415 Bonn 2009, S.

  • (2) Beck, Alexander: Die Homogenisierung von Milch und ihre Bedeutung für Allergien gegen Kuhmilch. Ernährungsrundbrief 1/2001, S. 42ff.

  • (3) Waser, M., Michels, K.B., Bieli, C., Floistrup, H., Pershagen, G., von Mutius, E., Ege, M., Riedler, J., Schram-Bijkerk, D., Brunekreef, B., Van Hage, M., Lauener, R., Braun-Fahrländer, C. (2007): Inverse association of farm milk consumption with asthma and allergy in rural and suburban populations across Europe. Clin Exp Allergy (37):661-70.

  • (4) Baars, T., Jahreis, G.: Allergiezusammenhänge im Überblick. Milchfettqualität als schützende Maßnahme gegen Allergien. Beitrag 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau. 2009

  • (5) VFED: Nahrungsmittelallergien im Gespräch. Spezial Nr. 88/2005

  • (6) Grashoff, Kirstin: Lebensmittelallergien im Fokus. „Ernährungsumschau” H. 9/2004