Feld & Stall

Hähnchen mästen statt Küken töten

Die Bruderhahn-Initiative startete erfolgreich

von Susanne Aigner

 

Männliche Küken der Legehybriden werden routinemäßig getötet, weil sie nicht zu verwerten sind – auch in der Aufzucht für Biobetriebe. Die Bruderhahninitiative Deutschland (BID) dagegen mästet diese Hähnchen – mit Erfolg.

Mit der Gründung im Januar 2013 von Naturkost Erfurt, Naturkost Elkershausen und Naturkost Nord sowie dem Bauckhof in Klein-Süstedt gingen acht Betriebe mit insgesamt 10.000 Bruderhähnen an den Start. Zu Pfingsten kamen bereits die ersten großen Partien auf den Markt. Ein halbes Jahr später war die Nachfrage nach den Masthähnchen so groß, dass sie mit den wenigen Hähnen nicht zu decken war. Zu Beginn 2014 wurden 20.000 Masthähnchen eingestallt. Von den Legehennen wurden 2013 rund 4.196.000 BID-Eier vermarktet. Bis Ende Juni 2014 waren drei Millionen BID-Eier verkauft. Die Initiative rechnet mit dem Verkauf von 26.000 Masthähnchen und 6,5 Millionen Eiern bis Jahresende.

Wachsender Markt für Bruderhähne

In der BID werden die Brüder aller Eier legenden Hennen aufgezogen. Eine Henne legt rund 250 Eier pro Legeperiode. Mit dem Verkauf der Eier muss sie den nur langsam wachsenden Bruder mit finanzieren, jedes verkaufte Ei mit vier Cent Aufschlag, drei Cent in die Aufzucht des Bruderhahns. Das sind 7,50 € pro Huhn und Legeperiode. Für den Kunden spielen die vier Cent keine Rolle, versichert Demeter-Landwirt Carsten Bauck. Das dunkle, bissfeste Fleisch mit dem eher nussigen Geschmack werde von Kennern geschätzt.

 

Immerhin fünf Monate dürfen die Bruderhähne leben. Auf dem Bauckhof liegt der Preis für ein Bruderhähnchen von 1,3 kg bei rund 20 € (15,50 € je Kilo). Angeboten werden auch Brust, Keule und Steak. Daneben haben auch drei Großhändler und ein Bio-Babykosthersteller sich auf die Vermarktung der Bruderhähne eingestellt. So ist die Schweizer Firma Holle seit März 2014 ein wichtiger Partner der BID, mit drei Produkten. In kleinen Gläschen wird die Babynahrung mit dem BID-Siegel verkauft. Die Zusammenarbeit mit Holle klappe ausgezeichnet, lobt BID-Koordinatorin Pamela Wieckmann. In den wenigen Monaten bekam die Firma viel positives Feedback von Seiten der Kunden.

 

Das Interesse an den Bruderhähnen von Seiten der Verbraucher ist groß, die Nachfrage größer als das Angebot. Aktuell gibt es 23 Landwirtschaftsbetriebe, darunter zwölf Bioland- und elf Demeter-Betriebe sowie drei verarbeitende Betriebe und neun Händler. Mit sechs potenziellen Erzeugern ist die BID im Gespräch. Noch konzentrieren sich die Betriebe eher auf den norddeutschen Raum. Im März aber ist Bodan in Überlingen als Naturkostgroßhändler eingestiegen. Die BID-Eier liefern das Hofgut Brachenreuthe, Anton Reisch sowie Natürlich Bio-Ei GmbH. Seit April sind Naturkost Kontor Bremen und Kornkraft Naturkost mit dabei.

Gebraucht werden Zweinutzungshühner

In der BID werden Hybride der Demeter-Linie LB-pluS von Lohmann eingesetzt. Die Aufzucht von Hybriden sei aber nur Symptombekämpfung, betont Carsten Bauck. Es gehe ihm nicht darum, mehr Geflügel zu vermarkten, sondern darum, den Druck auf die Zucht von Zweinutzungshühnern zu erhöhen. In diesem Sinne will die Initiative den Wandel hin zu einer ökologischen Zucht mit nachhaltigem Konsum einleiten.

 

Doch ein geeignetes Zweinutzungshuhn zu finden, ist nicht so einfach. Denn normalerweise sind Legeleistung und Körpergewicht beim Huhn genetisch negativ korreliert. Beide Merkmale lassen sich züchterisch nur sehr schwer vereinen. So sucht man in der Öko-Branche seit Jahren nach einem Huhn, dass neben einer hohen Legeleistung eine akzeptable Mastleistung erbringt und gleichzeitig für die Haltung im Freien geeignet ist.

 

Aktuelle Zuchtversuche laufen auf dem Tannhof und in Rengoldshausen. „HÄNSEL & GRETEL“ heißt das Projekt, in dem männliche und weibliche Küken der Zweinutzungsrasse Les Bleues gemeinsam aufgezogen und erst nach fünf Wochen räumlich getrennt werden. Eine weitere Idee ist, mit dem Tierzuchtfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft einen Geflügel-Züchtungsfonds zu gründen, in den auch die züchterischen Bemühungen der Domäne Mechthildshausen einfließen könnten.

Ende der Kükentötung in Sicht

Rund 34 Millionen männliche Küken werden jährlich getötet. Inzwischen ist auch die konventionelle Geflügelzucht auf das Problem der Kükentötung aufmerksam geworden. So beschlossen die Agrarminister aller Bundesländer auf ihrer Frühjahrskonferenz, die Massentötungen von männlichen Eintagsküken zu stoppen - eine Reaktion auf die Forderung von Verbrauchern nach mehr Tierschutz. Der Agrarminister von Nordrhein-Westfalen hat die Kükentötung Ende letzten Jahres verboten. Die Brütereien haben eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2015. Bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel in anderen Bundesländern Schule macht. Dann wäre die Nachfrage nach einem Zweinutzungshuhn so hoch wie nie zuvor.