Feld & Stall

Hortus officinarum

Ein Deutsch-Schweizer Verein züchtet biodynamische Heilkräuter

von Susanne Aigner

 

Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch Pflanzen wegen ihrer Heilwirkung. Wildkräuter in ihrer Vielfalt standen üblicherweise allen zur freien Verfügung. Heute wird, was man früher in freier Wildbahn sammelte, weitgehend kultiviert. Eine große Zahl von Arznei- und Gewürzpflanzen dient als Ausgangsmaterial zur Herstellung pharmazeutischer Präparate und Naturkosmetik.

 

Dazu werden die Wildkräuter zunehmend zum Gegenstand von Selektion und Züchtung. Arzneibücher legen den Gehalt an Wirkstoffen fest, zudem werden Nachweise für die Arten- und Sortenechtheit bzw. Rückverfolgbarkeit gefordert. Für das Saatgut bestehen zurzeit noch keine Vorschriften.

 

Konventionell wird meist einseitig auf Wirkstoffe und Ertrag gezüchtet, die Pflanze ist hier nur die „Verpackung“ von Wirkstoffen. Außerdem nehmen Hybridsorten und Patente zu, und die Versuchung von Genmanipulation besteht durchaus, auch wenn der Markt für Heilkräuter bisher dafür noch zu klein ist.

Mit biodynamischer Züchtung Heilkräuter-Vielfalt bewahren

Hortus officinarum setzt sich für eine biodynamische Weitervermehrung und Züchtung des Saatguts von Heilpflanzen ein. Die langjährige eigene Saatgutpflege komplementärmedizinischer Hersteller wie WALA, Weleda oder ökologischer Züchter wie Sativa bildet einen kostbaren Schatz an Biodiversität. Durch kontrollierten biodynamischen Nachbau, mit sorgfältiger Selektion und klarer Dokumentation wird Saatgut geerntet, das langfristig den Anforderungen sowohl der Hersteller wie auch der Behörden gerecht werden soll.

 

„Hortus officinarum versteht sich als Netzwerk, das diese Erfahrungen bündelt und den Mitgliedern Saatgut zur Verfügung stellt“, erklärt Andreas Ellenberger, Mitbegründer mit langjähriger Erfahrung in Heilpflanzenanbau und Saatgutvermehrung. „Bei ihrer Arbeit gehen die Hortus-Gärtner davon aus, dass bereits die biodynamische Pflege die Pflanzen in ihrer Plastizität unterstützt und wie eine Züchtungsmaßnahme wirkt.“ Daneben würden aber auch Kriterien wie Pflanzengesundheit, Sortenechtheit und eine gewisse Einheitlichkeit berücksichtigt. Der Verein gründete sich 2008 aus dem Zusammenschluss verschiedener Gärtner mit langjährigen Erfahrungen in der biodynamischen Gemüsezüchtung und im Heilpflanzenanbau. Aktuell gehören ihm rund 100 Mitglieder an, darunter Firmen, Ärzte, Apotheker und Privatpersonen. Die Erhaltungs- und Züchtungsarbeit findet bislang in drei Betrieben in der Schweiz und in Deutschland statt.

 

So kultivieren die Hortus-Beauftragten in den Weleda-Heilpflanzengärten in Schwäbisch-Gmünd und Arlesheim (Schweiz) zahlreiche der rund angebauten 300 Arten gezielt für die Saatgutgewinnung. Darunter sind nicht nur Gewürzpflanzen wie Liebstöckel oder Majoran, sondern auch weniger bekannte Kräuter wie Bilsenkraut, Ackergauchheil und Eselsdistel, welche man in der anthroposophischen Heilkunde verwendet. Einzelne Kräuter werden auch ausgewildert, wie zum Beispiel das Edelweiß (Leontopodium alpinum) im Engadin auf 2000 m. ü. M. oder der Stengellose Tragant (Astragalus exscapus), ein Vertreter der Trockenrasengesellschaften, der im kontinentalen Klima und in der Schweiz nur noch in kleinen Populationen vorkommt. Diese Maßnahmen erlauben nicht nur eine gezielte Saatguternte, sondern leisten auch einen Beitrag zur Stärkung der Biodiversität.

Neue Formen des Umgangs mit Saatgut

Seit Jahren beschäftigen sich ökologische Pflanzenzüchter mit der Frage, wie Saatgut frei bleiben, seine Vielfalt erhalten und als Gemeingut weitergegeben werden kann. „Das Einzige, wozu sich die Abnehmer des Saatgutes verpflichten sollen, ist, alle ihre späteren Züchtungsmaßnahmen offenzulegen, im Sinne einer public license“, so Andreas Ellenberger.

 

Hortus officinarum arbeitet bereits an der praktischen Umsetzung. In der vereinseigenen Datenbank „hortusdata“ wird das von den Mitgliedern selbst vermehrte Saatgut erfasst. Gelagert wird es dezentral in den jeweiligen Betrieben. Die angeschlossenen Betriebe können dann über die Vereinswebsite auf das Inventar, in welchem das Saatgut nach Arten, Sorten, Herkünften, verfügbaren Mengen, Qualitäten sortiert ist, auf das vorhandene Saatgut zugreifen. In einem praxisbezogenen Lexikon fließen die Erfahrungen der Netzwerkmitglieder ein. Ein vereinseigenes Label kennzeichnet das Saatgut, das über mindestens drei Generationen hinweg selektiert wurde. Es soll die biodynamische Pflege des Saatguts dokumentieren und für die Selektions- und Vermehrungstechniken sowie für die Ausrichtung auf nachhaltige Züchtungsziele bürgen.

Kontakt

Andreas Ellenberger,

Widenweg 371, CH-4204 Himmelried

eMail: hortus-officinarum(at)bluewin.ch

http://hortus-officinarum.ch/