Feld & Stall

Den Wurm füttern

Und, fragte Bauer B seinen Nachbarn Bauer A: Wie viele Regenwürmer hast du pro Quadratmeter?

A: Keine Ahnung, und du?

B: Ich habe gerade bis eineinhalb Meter tief zählen lassen: zwischen 400 und 800. Das sei ziemlich gut, sagen die Fachleute, und diese Würmer würden ca. achtzig Tonnen Nährhumus pro Jahr auf dem Hektar erzeugen.

A: Das ist ja mehr, als ich Stallmist zu meinen Kartoffeln gebe!

B: Ja schon, aber der Nährhumus, den die Würmer erzeugen, hat nur 80 % des Stickstoffs von Stallmist. Aber in der Gesamtmenge an Stickstoff kommt das in etwa hin mit 400 dt/ha. Außerdem wird der Stickstoff aus Wurmlosung nicht so leicht ausgewaschen.

A: Und wie bekommt man so viele Regenwürmer?

B: Genauso, wie du viel Milch von den Kühen bekommst: wenn du sie gut fütterst! Ich habe gelesen, dass die Bodentiere ca. 1 kg Heu pro qm und Jahr fressen würden, wenn sie es bekämen. Da gibt es eine alte Regel in einem neuen Lehrbuch der Bodenmikrobiologie: „Bodenleben ist Hungerleben” (OTTOW 2011). Rudolf Steiner, der die Biologisch-Dynamische Landwirtschaft anstieß, der kannte diese Regel und riet dementsprechend: „Düngen heißt, den Boden zu beleben.” Für ihn waren die Regenwürmer ganz besonders wichtig für die Bodenfruchtbarkeit (GA 347): Besonders der Schleim dieser Bodentiere sei wichtig und ihre Ausscheidungen in Ihren Wohnröhren, denn die tapezierten ihre Wohnungen mit ihrer Losung.

A: Sind denn alle Würmer gleich wertvoll?

B: Je nach Aufgabe sind sie in ihrem jeweiligen Lebensbereich wertvoll, aber eben unterschiedlich wirksam. In Deutschland gibt es ca. 46 Arten Würmer im Boden und weltweit ca. 3.000 verschiedene Wurmarten. Am jeweiligen Standort sind es meist nur fünf, sechs Arten. Drei verschiedene Gruppen kümmern sich um den Boden: Die Streubewohner leben nur oben und setzen die Streu um, das sind die sogenannten Kompostwürmer. Die Mineralbodenbewohner leben im mittleren Bereich unter der Streuschicht. Für uns die wichtigsten sind, für die tiefgründige Bodenfruchtbarkeit und den Wurzeltiefgang, die tiefgrabenden Arten wie der Tauwurm (Lumbricus terrestris) und der große Wiesenwurm (Allolobophora longa). Deren Arbeit geht mit der Aktivität der Wurzeln Hand in Hand. Die Wurzeln machen kleine Poren und die Würmer weiten diese Poren und kleiden sie mit ihrer Losung, dem Nährhumus aus. Der enthält auch leicht verfügbare Mineralstoffe in der Porentapete.

A: Ich hab mal gelesen, dass die Würmer bis zu zehn Jahre alt werden?

B: Ja das stimmt, und deshalb sollten wir ihre Wohnung möglichst wenig durch Bodenbearbeitung und Pflügen stören. Manche graben sogar bis sieben Meter tief. Vielleicht folgen sie der Tonverlagerung. Auf jeden Fall holen sie sich von oben abgestorbene Substanz und Wurzelausscheidungen und formen diese zusammen mit dem eigenen Schleim und dem Ton zum Ton-Humuskomplex. Mit dem kleiden sie ihre Wohnröhre aus, die Tapete dient da auch zur Feuchteregulierung. Ist alles tapeziert, wird die Losung oben auf dem Boden abgelegt, regenstabile Krümel, die auch mal faustgroß werden können. Am liebsten fressen diese Würmer abgestorbenes Kleegras, bis zur Blüte gereift, wegen der Bienen aber besser nach der Blüte geschnitten. Mit einem solchen Mulch haben sich in einer Unter­suchung die Tiefgräber in fünf Jahren von 25 % auf 75 % der gesamten Regenwurmpopulation vermehrt. Mit der Vorliebe für Mulch aus Kleegras oder Wickroggen stehen sie natürlich in Konkurrenz mit den Kühen.

A: Und wie entscheidest du, was wichtiger ist für die Bodenfruchtbarkeit – der Wurm- oder der Kuhdünger?

B: Natürlich ist beides wichtig: Die Tiefgründigkeit und die bis 5 % höhere Bodenfeuchtigkeit, die durch die Würmer entstehen, sind genauso wichtig für die Fruchtbarkeit wie die Kräfte, die vom Kuhmist kommen und den Boden von oben her beleben. Das Besondere des Kuhdüngers ist seine organisierende Kraft, dass er durch die Fruchtfolge hindurch die Ackerstücke miteinander zu einem Organismus verbindet. Und er enthält die geballten Kräfte des Futters, die von der Verdauung nicht verbraucht wurde. Das Besondere des Wurmdüngers dagegen ist seine strukturbildende Kraft, die zeigt sich in der Krümelerzeugung und Tiefenwirkung durch die Bioporen mit den angereicherten Mineralstoffen. Die sind wie Adern, wie vorgezeichnete Bahnen für die Wurzeln. Auch die Bodenatmung ist auf diese Poren angewiesen, denn durch die Poren werden Wasser und Luft reguliert.

A: Und woher nehmen wir das Futter für die Würmer und andere Bodentiere?

B: Dazu brauchst du eine optimierte Fruchtfolge, zu Gunsten der Bodenfruchtbarkeit. Bodenruhe ist der wichtigste Faktor für den Humusaufbau im Unterboden. Wenn du, wie früher üblich, das Kleegras länger stehen lässt, ein bis zwei Jahre, und es noch mit reifem Kompost düngst, wächst der Klee gut weiter, die Wurzelmenge im Unterboden nimmt zu, und durch mehr Wurzelvolumen steigen der Wurzelkontakt mit dem Mineralboden und die Wasserverfügbarkeit. Natürlich sollten in den Ansaatmischungen auch tiefwurzelnde Gräser, Luzerne und Pfahlwurzler wie Malve, Pimpinelle, oder Rohrglanzgras drin sein. Damit hält man im Herbst den durchsickernden Stickstoff, so dass er nicht ins Grundwasser gehen kann. Die tiefgrabenden Regenwürmer danken es dir mit humusbasierter Fruchtbarkeit, Liebigs Minimumgesetz relativiert sich hier.

A: Und wie machst du das mit dem Mulch praktisch? Wie dick darf die Schicht denn sein, dass es nicht fault oder versauert?

B: Zu dick ist die Mulchschicht selten und sie schadet höchstens bei ganz jungem Rasenschnitt, denn sie behindert nicht die Bodenatmung. Weil es nicht anaerob vergraben wird, fault das Mulchmaterial nicht. Das zeigen auch die Pflanzenwurzeln, die zum Teil von unten in die Mulchschicht wachsen und diese als Nährstoffquelle nutzen.

A: Aber Hornmist kannst du so ja nicht anwenden.

B: Ich denke, da ist der Mulch kein Hindernis, wenn er unten feucht bleibt; man braucht vielleicht eine etwas größere Aufwandmenge, und eine große Tropfengröße kann nicht schaden. Das könnte mal erforscht werden. Auch kann man vor einer Aussaat die Samen mit Hornmist baden, wie man es mit Pflanzgut tut.

A: Wenn das Mulchmaterial so reif sein soll, hat es ja teilweise schon Samen gebildet – besteht da nicht das Risiko für mehr Beikräuter? Und was ist mit Wurzelbeikräutern?

B: Ja, durchaus, wenn es um Ampfer oder Distel geht. Wichtig ist, dass die Schicht lichtdicht ist. Wenn du das konsequent befolgst, gibst du zusätzliches Mulchmaterial drauf, was die samenbürtigen Beikräuter spätestens im Jugendstadium unterdrückt. Wenn stellenweise noch zu wenig Mulch liegt, oder Pflanzen durchkommen, versetzt du den Mulch an diesen Stellen mit der Gabel etwas seitlich, Handarbeit eben. Die lohnt sich aber, um die Spätverkrautung zu verhindern. Sollte die Mulchschicht insgesamt nicht dick genug sein, kannst du Transfermulch nachlegen.

A: Was ist denn Transfermulch?

B: Der kommt von einem anderen Feld, entweder frisch gemäht, angetrocknet, als Heu oder siliert. In der Regel ist das vom Kleegras aus deiner Fruchtfolge, er kann aber auch von einer Zwischenfrucht oder von Nachbarbetrieben stammen. Man kann ihn auch zukaufen.

A: Im Ernst, Silage? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Regenwürmer Silage mögen.

B: Stimmt, da gehen erstmal die Kompostwürmer dran. Die Tiefgräber warten ein, zwei Wochen, bis der Geruch verflogen ist und die Säure abgebaut wird.

Der Zwischenfruchtmulch kann übrigens auch direkt von der Fläche stammen, auf die die Folgefrucht kommt, das heißt dann In-Situ-Mulch. Für Getreide ist das besonders gut geeignet. Die Zwischenfrucht wird gehäckselt und dann wird gesät. Der Boden ist so meist zwar nur dünn bedeckt, aber bis das Getreide den Boden beschattet, reicht dieser Futtervorrat fürs Bodenleben über den Sommer. Bei Hafer gibt es mit diesem Verfahren Erfahrungen mit sehr guten Hektolitergewichten. Man muss aber sorgfältig planen, um die Würmer zu schonen: denn jede Bodenbearbeitung zerstört einen Teil der Wurmbehausungen. Zwischenfruchtbau ist insofern ein heftiger Eingriff.

A: Und jetzt, wie pflanzt ihr in die Mulchschicht?

B: Da gibt es Geräte mit einem senkrecht rotierenden Messer, z. B. Murocut, das die Mulchschicht aufschneidet: Dahinter läuft dann ganz normal die Pflanzmaschine, die den Setzling in die Erde bringt. So ein Messer kann auch vor dem Säschar laufen. Danach musst du nicht mehr hacken, wenn die Pflanzen so groß sind, dass sie aus der 20 cm dicken Mulchschicht herausschauen. Kartoffeln bedeckt man nach dem Häufeln mit Transfermulch: das geht mit dem Breitstreuer. Besonders wirkungsvoll ist die bodenaufbauende Wirkung in Kulturen wie Melonen, Zucchini oder Kürbissen, wenn die Erde ganzjährig bedeckt ist und dadurch keine Verkrautung mehr erfolgt. Auch arbeitswirtschaftlich ist das ein interessantes Verfahren.

A: Machen Schnecken im Salat mit Mulch kein Problem?

B: Die Schnecken sind mit dem Mulch beschäftigt, die interessieren sich für den jungen Salat nur am Rande. Außerdem stellen sich bald Gegenspieler ein, die die Schneckenpopulation klein halten. Insgesamt ist das Mikroklima im Bestand ausgeglichener durch die Mulchschicht. Die Bodenstruktur wird durch Starkregen nicht zerstört, und der Regen kann besser versickern. Saubere Bestände von Lauch, Sellerie und Kohl, die ja ziemlich lange auf dem Acker stehen, kannst du Dir im Internet unter www.mulch-gemuesebau.de ansehen.

Den lebendigen Boden jedenfalls kannst du beim Mulchen wörtlich nehmen: Durch die mehr lebenden Organismen, die von und unter der Mulchdecke leben, ist die Krume locker und feucht und tief durchwurzelt. Und der höhere Humusgehalt führt bei den Pflanzen zu mehr Widerstandskraft gegenüber Schädlingen und zu intensiverem Geschmack.

  • Literatur: Fetscher, J. 2017: Was bringt das Mulchen? Ein fünfjähriger Versuch mit Transfer-Mulch in der Mühlengärtnerei. Lebendige Erde 4/2017

  • Fetscher J. 2017: Mulchdüngung und biologische Aktivität im Unterboden. Studie zu Regenwurm, Bodenfruchtbarkeit und CO2, Schriftenreihe d. Forschungsring BD26

  • Ottow, J.C.G., 2011: Mikrobiologie von Böden. Biodiversität, Ökophysiologie und Metagenomik, Springer Berlin/ Heidelberg, S.23ff

  • Steiner, R., 1922: Die Erkenntnis des Menschenwesen nach Leib, Seele, Geist. Über frühe Erdenzustände. (Vorträge für die Arbeiter am Goetheanumbau, Vortrag Nr. 8, S. 137). GA 347 Rudolf Steiner Verlag Dornach

  • Steiner, R., 2016 „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“, TB, Rudolf Steiner Verlag Dornach

Autor: Dr. Johannes Fetscher

war Demeter-Berater und führte eine Gärtnerei. Zusammen mit den Unis Bonn und Trier forschte er 2008-2013 zu Mulch, CO2 und Regenwurmaktivität.

johannesfetscher10(at)gmail.com