Feld & Stall

Weide hat Potenzial

Handlungsempfehlungen aus einem Forschungsprojekt

von Bettina Egle und Corinna Nieland

Die Weidehaltung gewinnt für Bio-Milchviehbetriebe an Bedeutung – auch für Betriebe, die auf den ersten Blick keine idealen Voraussetzungen haben. Die häufigeren trockenen Sommer und die damit einhergehende Frage, wie das eigene Milchvieh adäquat mit (überwiegend) betriebseigenem Futter versorgt werden kann, bewegt viele Landwirte.

GrazyDaisy – regionale Beweidungssysteme auf extensiven Standorten

Im Forschungsprojekt GrazyDaisy hat der Demeter e. V. zusammen mit der Universität Hohenheim und der Bioland Beratung GmbH regionale Beweidungssysteme im südöstlichen Baden-Württemberg untersucht. Ziel war es, die Leistungsfähigkeit von Weide auch auf extensiven Standorten zu ermitteln und die Beweidung zu optimieren. An dem Projekt waren im Jahr 2018 27 Betriebe aus vier agrarökologisch unterschiedlichen Naturräumen an einer Grunddatenerhebung beteiligt. Darunter waren Grünland- und Gemischtbetriebe. In den Jahren 2019 und 2020 wurden auf sieben Betrieben, davon drei Demeter-Betriebe, weitere Erhebungen vorgenommen.

Von der Weide kann ein relevanter Anteil der Milchproduktion erfolgen

Die Ergebnisse des Projektes zeigen, dass das Potenzial von eher extensiven Milchviehweiden nicht unterschätzt werden darf. Selbst während Trockenphasen kann ein relevanter Anteil der Milchproduktion auf der Weide erfolgen. Ein Patentrezept zum Beweidungsmanagement gibt es nicht, da viele – sich gegenseitig beeinflussende – Faktoren berücksichtigt werden müssen. Ein an den Standort und den Jahresverlauf angepasstes Management von Milchviehherde, verfügbarer Biomasse und Beweidung muss deshalb betriebsindividuell gefunden werden.

Wiederkehrende Kontrolle der Aufwuchsmenge und -qualität ist unerlässlich

In trockenen Jahren ist die Zufütterung ein wichtiges Hilfsmittel für Milchviehbetriebe, um fehlende Weideaufwüchse auszugleichen. Die Zufütterung und der Weidegang sollten dabei so aufeinander abgestimmt sein, dass das Potenzial der Weide voll ausgenutzt wird. Zur Steuerung der Zufütterung ist eine wiederkehrende Kontrolle der Aufwuchsmenge und -qualität notwendig. Dies kann beispielsweise mit Hilfe einer regelmäßigen Weidebegehung und einer Aufwuchsmessung mit der Deckelmethode erfolgen. Für diese leicht anzuwendende Methode wird in der Mitte des Deckels eines 10 Liter-Eimers ein Loch geschnitten. Der Deckel wird auf den Aufwuchs gelegt und durch das Loch mittels eines Meterstabs die aktuelle Höhe des Aufwuchses bestimmt. Ebenso wie die Aufwuchsmenge sollte der Kraftfuttereinsatz ständig überprüft werden. Häufig ist seine Wirkung geringer als erhofft.

GrazyDaisy

  • Laufzeit: 1.4.2018 bis 30.9.2021
  • Beteiligte: Demeter e. V., Bioland Beratung GmbH,
  • Universität Hohenheim
  • 2018: 27 Betriebe, davon 12 Demeter-Betriebe,
  • 15 Bioland-Betriebe
  • 2019–2020: 7 Betriebe, davon 3 Demeter, 4 Bioland
  • Region: Südwest-Deutschland

GrazyDaisy ist ein CORE Organic Plus-Projekt und wurde aus Mitteln des BMEL gefördert.

Vielfältige aber eher extensive Betriebsstandorte

Im Folgenden werden die Standortbedingungen der Projektbetriebe sowie die Ergebnisse einzelner Auswertungen detaillierter vorgestellt. Die untersuchten Betriebe liegen am Rande und auf der Schwäbischen Alb sowie im Oberland und in der Bodenseeregion. Im Hinblick auf Höhenlage, Niederschlagsmenge und Temperatur sowie Flächenausstattung sind die Betriebe sehr heterogen. Beweidet wird vorrangig als extensiv einzustufendes Dauergrünland. Diese Einstufung erklärt sich aus der geringen jährlichen Niederschlagsmenge, der ungünstigen Niederschlagsverteilung, dem teils späten Vegetationsbeginn und den partiell flachgründigen und steinigen Böden (z. B. Schwäbische Alb). Die Weiden setzen sich überwiegend aus einer klee- und kräuterreichen Vegetation (50% der gesammelten Proben) oder Beständen mit ausgewogenen Kraut- und Grasanteilen (39 % der gesammelten Proben) zusammen.

Abbildung 1: Energieanteile aus Weide bzw. Zufütterung

Verfügbare Biomasse auf extensiven Weidestandorten in einem Trockenjahr

Auswertungen der Biomasse vom statistischen Bundesamt für das Jahr 2018 in der Projektregion zeigen, dass im Vergleich zum Vor- und Folgejahr ein Drittel bis ein Viertel weniger Biomasse verfügbar waren. Zum Zeitpunkt der Beprobung im Sommer (Juli bis September) waren auf den Weiden der Projektbetriebe dennoch bis zu 9,9 Prozent des statistischen Jahresertrages verfügbar. Eine relevante Futtermenge, die es auszunutzen lohnt.

Der Futterwert des Aufwuchses auf den Weiden unterschied sich bei der Beprobung mit einer Spannweite (pro kg Trocken­masse) von 120 bis 282 g Rohprotein, neutraler Detergenzienfaser (NDF) von 319 bis 579 g und Nettoengergiegehalten (NEL) von 5,0 bis 6,6 MJ deutlich zwischen den Betrieben. Die Grünlandbetriebe mit einer hohen Niederschlagsmenge wiesen im Vergleich zu den anderen Gruppen einen höheren Rohproteingehalt in der Weide auf. Im mehrjährigen Durchschnitt sind auf einigen Weiden in Bayern und Österreich, mit ähnlichen Bedingungen wie in der Projektregion, im Sommer Rohprotein-, Faser- und Nettoenergiegehalte von 192 bis 202 g Rohprotein, 320 bis 425 g NDF und NEL von 5,2 bis 6,2 MJ/kg Trockenmasse zu erwarten (Steinwidder et al., 2017; Buchgraber, 2018; Starz 2014). Der Vergleich zeigt, dass viele Projektbetriebe trotz der Trockenheit mindestens durchschnittlichen Futterqualitäten auf ihren Weiden erzielen konnten.

Verfügbare Biomasse beeinflusst durch Kombination verschiedener Faktoren

Einen Zusammenhang zwischen der verfügbaren Biomasse auf den Weiden und deren Nährstoff -und Energiegehalten zu Faktoren des Standortes (Niederschlag, Temperatur, Höhenlage) oder zu Entscheidungen des Beweidungsmanagements (z. B. Besatzrate, tägliche Weidedauer) gab es nicht. Zudem unterschieden sich die Futterverfügbarkeit und -qualität auch nicht zwischen verschiedenen Weidesystemen (d. h. Kurzrasen-, Umtriebs-, Stand- oder Portionsweide) oder Vegetationstypen mit unterschiedlichem Kraut- und Grasanteil. Die verfügbare Biomasse des Weideaufwuchses und dessen Futterwert in Trockenjahren wird somit nicht durch einzelne, sondern durch eine Kombination verschiedener Faktoren beeinflusst.

Milch aus der Weide produzieren

Die mittlere Jahresmilchleistung pro Betrieb lag im Jahr 2017 zwischen 4.800 und 7.805 kg/Tier. Im Sommer 2018 schwankte die mittlere Tagesmilchleistung pro Betrieb zwischen 15,4 und 28,8 kg/Tier. Der Fettgehalt der Milch lag zwischen 3,4 und 4,7%, der Eiweißgehalt zwischen 2,9 und 3,6% und der Harnstoffgehalt zwischen 14 und 43 mg/dl. Im Stall wurden täglich zwischen 3,9 bis 18,5 kg Trockenmasse/Tier Raufutter und 0 bis 3,2 kg Trockenmasse/Tier Konzentratfutter zugefüttert.

Obwohl während der Vegetationszeit im Jahr 2018 unterdurchschnittlich wenig Niederschlag fiel, konnten die meisten Betriebe einen relevanten Anteil an Milch aus der Weide produzieren. Auf einem Betrieb wurde trotz der Trockenheit nicht zugefüttert. Auf den anderen Betrieben wurden im Sommer 2018 zwischen 20 und 82,9 % der Milch aus der Weide produziert, der Durchschnitt lag bei 46,4% (siehe Abb. 1). Das zeigt, dass es sich auch in Trockenjahren lohnt, Milchkühe auf die Weide zu lassen. Die Tiere können beim Weiden mehr von der Fläche holen, als es bei Schnittnutzung möglich ist.

Autorinnen

Corinna Nieland, Referentin Forschungsprojekte

Bettina Egle, Demeter-Beraterin, Kontakt: corinna.nieland(at)demeter.de