Feld & Stall
Was LandwirtE für Nachhaltigkeit leisten
Der Regionalwert-Leistungsrechner bei BODAN
von Silva Schleider
„Jeder Betrieb kann irgendetwas besonders gut und etwas anderes weniger gut. Die Regionalwert-Leistungsrechnung ordnet Einzel-Engagements in den Gesamtzusammenhang ein, gewichtet sie und zeigt uns, wo es sich lohnt
zu investieren. Und sie deckt auf, wenn Maßnahmen sich nur glanzvoll anhören, aber unterm Strich relativ wenig für die Nachhaltigkeit bringen.“
Achim Heitmann, Ackerbau, Hof Höllwangen, Überlingen
Ein Großteil der Nachhaltigkeitsleistungen, die landwirtschaftliche Betriebe mit viel Aufwand erbringen, bleibt für die Öffentlichkeit unsichtbar. Mit der Einführung der Regionalwert-Leistungsrechnung macht eine Gruppe von Bio-Unternehmen diese Leistungen jetzt sicht- und bewertbar. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass Finanzmittel künftig an die richtigen Stellen fließen, um die Landwirtschaft nachhaltig zu transformieren – sei es beim Kauf von Lebensmitteln, bei der Kreditvergabe oder in der Steuer- und Subventionspolitik.
Blühstreifen für Insekten, abwechslungsreiche Fruchtfolgen für die Bodenfruchtbarkeit, Tier-, Natur- und Wasserschutz – als Treuhänder unserer Kulturlandschaft investieren Landwirtschaftsbetriebe und Gemüsegärtnereien viel Zeit und Geld, um diese und viele andere Nachhaltigkeitsleistungen zu erbringen und unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Nachhaltigkeitsleistungen sind zwar gesellschaftlich gewünscht, sind im Sinne des Strategieplans der Bundesrepublik zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) für eine nachhaltige Landwirtschaft. Allerdings bleiben die meisten dieser Zusatzleistungen für die Öffentlichkeit unsichtbar und werden auch nicht angemessen entgolten – weder durch Produktpreise noch durch Agrar-Subventionen, die bislang v. a. flächenabhängig sind. „Wenn die politisch gewollte Transformation unseres Agrar- und Ernährungssystems gelingen soll, und wir das von der Bundesregierung gesteckte Ziel von 30 % Ökolandbau bis 2030 erreichen wollen, muss sich daran etwas ändern“, konstatiert Sascha Damaschun, Geschäftsführer des Öko-Großhändlers und Demeter Mitglieds BODAN, einem Pionierunternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie.
Leistungen sichtbar machen
Gemeinsam mit Partnerunternehmen auf der Lieferantenseite setzt sich BODAN dafür ein, die Nachhaltigkeitsleistungen von Bio-Höfen und -Gärtnereien sichtbar zu machen. Dazu arbeiten die Beteiligten mit Experten für Nachhaltigkeitsbuchhaltung zusammen. „Die Regionalwert Leistungen GmbH bei Freiburg hat dafür ein leicht handhabbares Online-Tool entwickelt, mit dem Landwirte anhand von etwa 300 Kennzahlen ermitteln können, welche Zusatzleistungen sie in den vier Bereichen Ökologie, Soziales und Regionalökonomie, für das Gemeinwohl und für die Umwelt erbringen“, so Jasmin Meyer, Nachhaltigkeitsmanagerin bei BODAN.
100 Lizenzen für die Regionalwert-Leistungsrechnung hat BODAN 2022 erworben, um sie Anbaubetrieben aus der eigenen Lieferkette zur Verfügung zu stellen – direkt oder über Hersteller-Partner. „Mit unserer Initiative wollen wir Transparenz schaffen und einen spürbaren Impuls dafür setzen, dass die Leistungen der Ökolandwirte fürs Gemeinwohl sichtbar und anerkannt werden“, erklärt BODAN-Geschäftsführer Volker Schwarz. Viele Höfe haben ihre Nachhaltigkeitsleistungen schon berechnet.
Als Pilot-Partner von BODAN sind aktuell die Bohlsener Mühle, Höfe aus dem Netzwerk ‚WIR. Bio Power Bodensee‘, Barnhouse und Beutelsbacher an Bord. In der 2022 gestarteten Pilotphase des ‚BODAN-Konvois‘ haben zunächst 32 landwirtschaftliche Betriebe aus dem Umfeld dieser Pilot-Partner die Leistungsrechnung durchgeführt. Die nächsten Höfe stehen bereits in den Startlöchern.
Mehrwert einfach und pragmatisch feststellen
Weitere Bio-Betriebe sind auf eigene Faust oder im Rahmen anderer Initiativen aktiv geworden. „Insgesamt wurde die Regionalwert-Leistungsrechnung bis heute von über 350 Bio-Höfen und -Gärtnereien für mindestens ein Geschäftsjahr durchgeführt“, berichtet Chrisabella Rappold von Regionalwert Leistungen. Die Bio-Branche übernimmt bei der Entwicklung und Anwendung der Regionalwert-Leistungsrechnung eine Vorreiterrolle. Aber auch etliche konventionelle Betriebe, die auf nachhaltiges Wirtschaften setzen, haben den Nutzen des Tools für sich entdeckt. Bis Ende März 2024 läuft ein Projekt, das 1000 einzelbetriebliche Auswertungen landwirtschaftlicher Betriebe aller Art und Größe zu nachhaltiger Betriebswirtschaft sammeln wollte: Auf dieser Basis wird das Kuratorium Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) Kennzahlen, zu nachhaltiger Betriebswirtschaft in der Landwirtschaft für Einzelbetriebe und die Branche ableiten und veröffentlichen.
Für Bauern und Gärtner, egal ob biozertifiziert oder nicht, bietet die Methode einen pragmatischen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie liefert ihnen wertvolle Daten für die Betriebsentwicklung, mit denen sie zugleich gegenüber Banken, Gemeinde oder Kunden darlegen können, wie viel sie in ihre langfristige Produktivität investieren und fürs Gemeinwohl tun. „Wir sehen das, was wir vorher nur vermutet haben, jetzt systematisch erfasst und bewertet. Das stärkt uns in unserer Haltung und in unserer Position“, bestätigt Achim Heitmann, Demeter-Landwirt der Erzeugergemeinschaft ‚77 Hube‘ aus dem Netzwerk ‚WIR. Bio Power Bodensee‘.
Nachhaltigkeitsleistungen angemessen entgelten
Allein die ersten 32 landwirtschaftlichen Bio-Betriebe, die bisher im Rahmen des ‚BODAN-Konvois‘ die Leistungsrechnung durchgeführt haben, kommen in einem Geschäftsjahr in Summe auf eine Nachhaltigkeitsleistung von über 4,6 Mio. Euro.
Und wie geht es nun weiter? „Im Gespräch mit Höfen, Herstellern und Bioläden überlegen wir als Öko-Großhandel, welche konkrete Formen die Wertschätzung für die zusätzlichen Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlleistungen annehmen kann, z. B. in der Vertragsgestaltung, bei der Preisfindung oder der Präsentation am Point of Sale“, sagt der Öko-Agraringenieur Sascha Damaschun.
Allein im Handel und über die Lebensmittelpreise lassen sich die Kosten für die Zusatzleistungen seiner Einschätzung nach allerdings nicht abdecken: „Hier müssen alle Agierenden Verantwortung übernehmen – Konsumierende, Verarbeitende, Handel und Politik“, ist Damaschun überzeugt. „Welche Instrumente bei einer sozial gerechten Finanzierung der Nachhaltigkeitsleistungen zum Zug kommen – z.B. am Ladenregal, in der Steuer- und Subventionspolitik oder bei der Kreditvergabe – darüber muss es dringend einen gesellschaftlichen und politischen Diskurs geben. Unsere Initiative zur Regionalwert-Leistungsrechnung will diesen Diskurs mit anstoßen und eine faktenbasierte Entscheidungsgrundlage bieten“, so Damaschun.
Nutzen der Regionalwert-Leistungsrechnung für landwirtschaftliche Betriebe
Anerkennung: Grundlagen für die Anerkennung der Leistungen durch Politik und Gesellschaft.
Selbsterkenntnis: Faktenbasierte Darstellung und Bewertung bisher nicht erfasster Nachhaltigkeitsleistungen statt „gefühlsbasierter“ Einschätzung.
Kommunikation: Bessere Sprachfähigkeit zu eigenen Leistungen gegenüber Stakeholdern wie Kund:innen (z. B. Preise), Banken (z. B. Risiko-Einschätzung und Kreditkonditionen), Gemeinden (z. B. Verpachtung von Land) und Politik (z. B. Subventionen und Steuern).
Betriebsentwicklung: Verbesserungs-potenziale erkennen, Wirkung von Maßnahmen überprüfen, Entwicklung beobachten.
Nachhaltigkeits-Berichterstattung: Pragmatischer Einstieg in die Nachhaltigkeits-Berichterstattung mit überschaubarem Aufwand.
Künftige Nachweispflichten: Gute Vorbereitung aufkommende Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit von Seiten der EU.