Hintergrund

Landschaft auf Betriebsebene individuell gestalten

Ein qualitativer Ansatz

von Andreas Wolfart

 

Nahezu jedem Landwirt dürfte eine Ecke auf seinem Betrieb einfallen, die er schon länger neu gestalten möchte. Ob es hinter dem Stall nicht „stimmt“, an der Zufahrt wenig einladend ist oder mal etwas nur für die Natur oder die Bienen geschehen sollte: Die Frage ist meist: wie? Oft ist man sich unsicher, was für diesen speziellen Ort das Richtige wäre: Manchmal stellt sich keine geeignete Idee ein, oder aber eine Maßnahme drängt sich auf und verlangt, sofort in die Tat umgesetzt zu werden.

Statt nun zu warten oder spontan das erst Beste zu tun, kann man die Unzufriedenheit als Anlass nehmen, sich mit dem Ort näher zu befassen: ihn mit Empathie und im Detail so wahrzunehmen, wie er sich zur Zeit darbietet.

Man kann sich darüber klar werden, welche Bedeutung der Ort für den Betrieb hat – auch über die eigentliche Produktion hinaus – oder welche er bekommen könnte, ob er von Hofkunden gesehen wird, ob dort Wildtiere oder Vögel zu Hause sind, ob sich Spaziergänger an ihm erfreuen oder sich ausruhen, wie der Ort früher aussah usw. Geht man auf diese Weise unmittelbar auf den Ort ein, so finden sich geeignete Gestaltungsmöglichkeiten, die zur Landschaft wie auch zum Betrieb passen.

Stimmungen und Atmosphäre als Qualitäten eines Ortes

Für eine umfassende Beschreibung eines Ortes reicht die isolierte Beschreibung von wahrgenommenen Einzelheiten nicht aus. Der hier vertretene qualitative Ansatz regt an, die Umgebung und schließlich den Raum bis zum Horizont mit in die Beschreibung einzubeziehen. Darüber hinaus können Stimmungen und Atmosphäre eines Ortes als selbstständige Qualitäten erlebt und beschrieben werden; sie lassen sich nicht aus Einzelheiten ableiten, tragen aber Wesentliches zum Gesamtbild bei. Dieser Zugang ermöglicht gerade Laien wie Landwirten oder interessierten Bürgern eine in sich stimmige und individuelle Entwicklung ihrer Landschaft. Einseitigkeit und Willkür lassen sich umso besser umgehen, desto intensiver der Dialog mit der Landschaft, mit anderen Menschen und mit verschiedenen Landnutzern gelingt.

 

Der Gestaltungsprozess

Drei Schritte haben sich bewährt, einen Landschaftsbereich ästhetisch, betrieblich und naturschutzfachlich gut zu entwickeln:

  • den Ort mit seiner Nutzung und Umgebung wahrnehmen;

  • Ideen für die Entwicklung und Gestaltung dieses Ortes sammeln und die Möglichkeiten abwägen;

  • ein Vorhaben erst festlegen und dann durchführen.

Einfach beginnen

Der erste Schritt kann sehr einfach in einen Hof- bzw. Feldrundgang eingefügt werden: Fünf Minuten genügen, um einen Ort näher zu betrachten und wahrzunehmen. Dazu hält man sich eine Weile an dem Ort auf, der einem besonders am Herzen liegt oder der in irgendeiner Hinsicht unbefriedigend ist, den man also entwickeln oder verändern möchte. Man prägt sich genau die Form und Nutzung des Geländes, der Schläge, der Schlagränder und der vielleicht vorhandenen Gehölze ein. Vielleicht fallen Vogelgesang, Zivilisationsgeräusche, etwa vorhandene Stille, Duft, Gerüche oder andere Einzelheiten auf. Beim Betrachten der näheren Umgebung ist zu erleben, wie dieser Ort in die Landschaft eingebettet ist. Schließlich lässt man den Blick bis zum Horizont schweifen.

Ganz wichtig ist es nun, von den betrachteten Einzelheiten abzusehen und die gegenwärtige Stimmung und Atmosphäre des Ortes aufzunehmen. Diese drücken sich z. B. in Weite, Abwechslungsreichtum, Licht, Wärme, Feuchte, Schönheit oder Harmonie aus. Am Schluss der Betrachtung besinne man, was den Ort auszeichnet (ggf. etwas ganz Lokaltypisches), was er für den Betrieb bedeutet und wem er wichtig ist. Aus den Wahrnehmungen und Empfindungen kann man sodann versuchen, vor dem inneren Auge ein rundes Gesamtbild des Ortes zu malen.

Gemeinsame Arbeit beflügelt die Phantasie

Betrachtet man einen Ort so gemeinsam mit anderen Menschen, so ergibt sich ein viel reicheres und farbigeres Bild dieses Ortes. Jeder sieht die Landschaft mit seinen Augen: der Landwirt hinsichtlich Ertrag und Qualität seiner Feldfrüchte, der Jäger strebt eine hohe Dichte jagdbaren Wildes an, den Naturschützer interessieren seltene Tier- und Pflanzenarten, der Spaziergänger sucht Schönheit, Abwechslung oder Ruhe. Auf viele Qualitäten des Ortes wird man erst im Dialog mit anderen Menschen aufmerksam: Man sieht ihn dann mit anderen Augen.

Auch im zweiten Schritt, dem Sammeln von Ideen für die Entwicklung und Gestaltung des Ortes, beflügelt der Dialog mit Anderen die Phantasie. Einseitige Ideen erfahren eine Korrektur, und es zeichnen sich Möglichkeiten ab, die einen Mehrfachnutzen bringen. Von Hofkunden, Jägern, Naturschützern und anderen Landschaftsinteressierten kann der Landwirt somit vielfache Unterstützung erhalten – ideelle, tatkräftige und schließlich auch finanzielle.

Dialog mit der Landschaft

Genauso weiterführend wie der Dialog mit anderen Menschen ist der Dialog mit der Landschaft. Gerade im zweiten Schritt ist es wichtig, sich immer wieder zu fragen: Passt eine Gestaltungsmöglichkeit oder eine neue Nutzung in die gegebene Landschaft? Hebt sie latent vorhandene Qualitäten des Ortes hervor? Stärkt sie dadurch Eigenart und Individualität des Ortes und des Betriebes?

Die Bezeichnung „Dialog mit der Landschaft” erscheint durchaus gerechtfertigt, geht es doch beim Sammeln und Abwägen von Gestaltungsideen auch darum, ob man sich von Gewohnheiten, allgemeinen „Rezepten“ und Lehrmeinungen leiten lässt, oder ob man sich an der konkreten, aufmerksam wahrgenommenen Landschaft orientiert. Handelt man punktuell oder vor dem Hintergrund einer bewussten Ganzheit der Landschaft und des Betriebes? Wie ändert sich je nach eingenommener Haltung das eigene Verhältnis zur Landschaft und zu ihrer Nutzung?

Vorhaben festlegen

Vorhaben zu konkretisieren wird bewusst dem dritten Schritt vorbehalten. Eine vorschnelle Festlegung auf bestimmte Maßnahmen würde den Prozess der Ideenbildung behindern, der ja auch verändern und verwerfen, anders anzusetzen oder sich anderen Blickrichtungen zu öffnen umfasst. Gleichwohl entsteht natürlich manche Idee erst beim Tun. Mit der Wahrnehmung der Qualitäten des Ortes und mit der „spielerischen” Handhabung verschiedener Gestaltungsideen nähert man sich den Möglichkeiten, die diesem Ort innewohnen. Eine (zu schnell gefasste) Einzelmaßnahme realisiert meist nur eine einzige dieser Möglichkeiten und schließt die anderen aus.

Vorhandene Erfahrungen nutzen

Der Landwirt kennt die Standortverhältnisse auf seinen Flächen, auch unter Witterungsbedingungen, die vom Normalverlauf abweichen. Betriebsführung und –besonderheiten überblickt niemand besser als er. Er weiß in der Regel auch, wie die Fläche früher ausgesehen hat und wozu sie diente. Jeder Mensch ist bezüglich der Schönheit eines Ortes empfindsam und kann sich der speziellen Qualitäten dieses Ortes bewusst werden. Es liegt also nahe, wenn der Landwirt und andere Landnutzer selbst die Initiative für die Gestaltung des Ortes ergreifen. Betrieb und Landschaft können sich so unverwechselbar und individuell entfalten.

Reichen die Fachkenntnisse der Beteiligten für einzelne Aspekte des Vorhabens nicht aus, z. B. bei der Wahl standortgerechter Gehölze, oder zu beachtenden Vorschriften, sollten entsprechende Fachleute zur Beratung hinzugezogen werden.

Das ausgewählte Vorhaben muss sich in den Betriebsablauf einfügen oder zu einer gemeinsamen Entwicklung von Betrieb und Landschaft führen, um stimmig und dauerhaft zu sein. Gute Voraussetzungen für eine wirtschaftlich tragfähige Entwicklung von Betrieb und Landschaft bildet die Zuwendung auch von Menschen außerhalb des Betriebes, indem sie eingeladen werden, den Gestaltungsprozess von der Wahrnehmung an mitzuvollziehen.

Weiterführende Anleitungen

Den hier skizzierten Ansatz führt das Handbuch „Landschaft im Dialog gestalten“ (Wolfart & Rentz, Verlag Lebendige Erde 2006) näher aus. Für jeden der drei Schritte des Gestaltungsprozesses bietet das Handbuch eine Einstimmung, eine detaillierte Anleitung für das eigenständige Vorgehen sowie ein gegliedertes Notizblatt. Die Notizblätter erleichtern das zusammenfassende Überdenken und Festhalten der Arbeitsschritte. Sie können zugleich als Nachweis der Landschaftstätigkeit gegenüber Dritten genutzt werden. Wer sich näher mit dem qualitativen Ansatz der Landschaftswahrnehmung und –gestaltung befassen will, findet vertiefende Übungen im zweiten Teil des Handbuchs. Die Landschaftsarbeit als Schulungsweg stellen van Elsen in diesem Heft (vgl. S. 20) sowie Bockemühl & Järvinen in ihrem Buch „Auf den Spuren der biologisch-dynamischen Präparatepflanzen – Lebensorgane bilden für die Kulturlandschaft“ (Verlag am Goetheanum 2005) dar. Rückmeldungen zum Handbuch sind ausdrücklich gewünscht.

 

Dr. Andreas Wolfart, Schleiermacher Str. 38, 06114 Halle/Saale, AndreasWolfart@aol.com

ist Mitautor des Buches: „Landschaft im Dialog gestalten” im Verlag Lebendige Erde.