Hintergrund

Wie wirkt mein Betrieb auf das Klima?

von Guido Haas

 

Im Jahre 2005 verursachte die Landwirtschaft 13% der Gesamtemission Deutschlands. In Summe sind dies 133 Mio. t Treibhausgase in CO2-Äquivalenten. Davon werden durch Kohlendioxid (CO2) 42%, durch Methan (CH4) 17% und durch Distickstoffoxid (N2O) 41% freigesetzt. Der mit 75% größte Anteil wird bei der Bodennutzung hälftig als CO2 und N2O freigesetzt. Die Tierhaltung emittiert 20% vor allem als CH4. Rund 5% macht der sonstige Energieverbrauch aus.

 

Weil im hochindustrialisierten Deutschland insgesamt sehr viel fossile Energie verbraucht wird, ist der Anteil der Landwirtschaft mit nur 6% der CO2-Emission klein. Der Ernährungssektor als Ganzes mit Verarbeitung und Handel kommt auf einen wesentlich höheren Anteil. Bei CH4 und N2O dagegen sind die Anteile der Landwirtschaft bezogen auf die Gesamtemission Deutschland mit 45% und 82% deuutlich höher. Beide Gase werden überwiegend bei natürlichen, immer ablaufenden Prozessen freigesetzt. Gleichwohl ist bei allen drei Treibhausgasen eine Minderung der Emission möglich, vor allem, wenn in der Landwirtschaft systembezogene Ansätze gesamtbetrieblich verfolgt werden.

 

Systemvergleich Energie und CO2-Emission

Bio-Betriebe verbrauchen im Pflanzenbau je nach Studie nur ein bis zwei Drittel an Energie einer konventionell bewirtschafteten Fläche. Damit ist auch die Emission an CO2 deutlich geringer. Der Einsatz an Maschinen, Treibstoff, Kalk sowie Pflanz- und Saatgut ist in beiden Systemen im Mittel etwa gleich. Größter Verbrauchsbereich im konventionellen Landbau sind die chemisch-synthetischen Stickstoffdünger und Pflanzenschutzmittel, deren Synthese sehr energieaufwändig ist. Weil damit auch die Futtermittel, z. B. Futtergetreide, energieaufwändig erzeugt werden, verbraucht auch die konventionelle Tierproduktion mehr Energie. Da Futtermittel in großen Mengen aus dem Ausland importiert werden, verschlechtert sich die Energie- und Treibhausgas-Bilanz konventioneller Landwirtschaft zusätzlich.

 

Erst wenn im konventionellen Anbau mineralische Dünger durch organische Wirtschaftsdünger ersetzt und die Futtermittel weitestgehend im eigenen Betrieb erzeugt werden, zieht der konventionelle Betrieb mit dem Bio-Betrieb beim Energieverbrauch und Klimaeffekt gleich, wie eine Arbeitsgruppe an der Bundesforschungsanstalt FAL aufzeigte. Da dies vielfach nicht der Fall ist und sich absehbar nicht ändern wird, bleibt der CO2-Vorteil der Biologischen Landwirtschaft nachhaltig bestehen.

Systemvergleich

 

Systemvergleich N2O Lachgas

Die Stickstoffüberschüsse des Agrarsektors in Deutschland weisen seit vielen Jahren gleichbleibend im Mittel etwa 120 kg N je Hektar und Jahr auf. Damit verbleiben rund 2 Mio. Tonnen Stickstoff jährlich zuviel in der Umwelt, unter anderem als Nitrat im Wasser und als N2O in der Atmosphäre. Eine Änderung dieser gravierenden Umweltbelastung ist nicht absehbar. Im Gegenteil: aktuell steigende Stickstoffdüngergaben zum Beispiel in Verbindung mit Biogas-Mais werden das Problem wieder verschärfen.

 

Im allgemeinen weisen Bio-Betriebe um 2/3 geringere Stickstoffüberschüsse auf. Damit ist der Treibhauseffekt wie beim CO2 auch beim N2O deutlich gemindert. Gerade beim sehr stark treibhauswirksamen N2O, welches zu über 80% durch die Landwirtschaft freigesetzt wird, ist der Vorteil des Bio-Landbaus offensichtlich. Im weltweiten Vergleich der N2O-Emissionsmenge liegt die Landwirtschaft Deutschlands bereits an vierter Stelle nach den großen Flächenstaaten USA und Russland sowie Frankreich. In Kanada, Spanien, Großbritannien und Italien ist die N2O-Freisetzung geringer. Ein flächendeckender Biolandbau in Deutschland kann also wesentlich zur N2O-Minderung beitragen.

 

Systemvergleich CH4 Methan

Im direkten Vergleich mit einer geringer melkenden Bio-Kuh verursacht eine konventionelle Hochleistungskuh weniger CH4 je kg Milch. Denn: die „Erhaltungsemission” und der Erhaltungsbedarf bzw. der dazu erforderliche Anteil am Futter ist bei der Biokuh höher. Diese Rechnung ist allerdings unvollständig. Heutige Hochleistungskühe, vor allem HF-Kühe, haben nur eine sehr kurze Lebensdauer. Nicht selten werden nur noch eine oder zwei Laktationen ermolken. Je kürzer aber die Lebenszeit, desto höher der Anteil der Emission während der Aufzucht. Darüber hinaus müssen Hochleistungstiere oft mit einer Vielzahl von Hilfsmitteln und Extraaufwendungen versorgt werden, z. B. Kraftfutter-Importe aus Übersee, Arzneimittel, Tierarzt, usw., deren Produktion, Transport und Bereitstellung Treibhausgase verursacht. Einseitige Betrachtungen rein auf Tagesleistung bezogen, sind deshalb unvollständig.

 

Hohe Viehdichten werden im konventionellen Landbau vielfach durch hohen Futterzukauf und Getreideverfütterung realisiert. Ungefähr die Hälfte der Getreideerzeugung wird verfüttert. Hinzu kommen Importfuttermittel. Im Wirtschaftsjahr 2005/2006 importierte Deutschland 6,8 Mio. t Futtermittel, davon fast die Hälfte aus Übersee, vor allem aus Brasilien und Argentinien. Umgerechnet wird für die Erzeugung der importierten Futtermittel eine Fläche von 2,6 Mio. ha benötigt, was 25% der Futterfläche in Deutschland entspricht.

 

Der Biobetrieb kann bei der Methanemission punkten, wenn im Fall der Milchviehhaltung eine lange Lebensdauer, besser eine hohe Lebensleistung und bei geringem Einsatz an Medikamenten und sonstigen Hilfsstoffen keine oder nur wenige Futtermittel zugekauft werden, vor allem keine aus Übersee. Gleichwohl sollte die Milchleistung geringleistender Bio-Herden gezielt auf die Verbesserung der Futterqualität und Futterration sowie der Züchtung und Haltung geprüft werden.

 

Der grundsätzliche Ansatz zur Minderung der Methanemission bei der Tierhaltung insgesamt liegt vor allem in einer geringeren Besatzdichte. Denn bei der tierischen Erzeugung wird gegenüber der pflanzlichen wesentlich mehr Energie verbraucht und entsprechend mehr Treibhausgase frei. Die massive Verfütterung von Getreide, Mais und Körnerleguminosen an Tiere, statt dass sie direkt der menschlichen Ernährung dienen, ist hochgradig ineffizient und setzt ein Vielfaches an Treibhausgasen frei.

 

Die Klimagase

CO2 – Kohlendioxid entsteht beim Abbau oder der Verbrennung organischer Substanz, z.B. bei der Ausatmung von Mensch und Tier, Abbau von Humus und Pflanzenmaterial, Mistrotte/Kompostierung sowie durch Verbrennung fossiler und nachwachsender Energieträger

CH4 – Methan entsteht durch anaeroben Abbau organischer Substanz z.B. im Pansen, bei der Dunglagerung oder im Nassreisanbau. Der Treibhauseffekt ist 21 Mal höher als bei der gleichen Menge CO2.

N2O – Distickstoffoxid, das Lachgas, entsteht beim unvollständigen Ab- bzw. Umbau von Stickstoffverbindungen (u.a. von Nitrat) in Wirtschaftdüngern, Boden und Grundwasser. Es ist rund 300 Mal so treibhauswirksam wie C02.

Analyse betrieblicher Treibhausgasemission

Auf der anderen Seite steht der betriebseigene Beitrag zum Klimawandel. Für den Einzelbetrieb in Landwirtschaft, Verarbeitung oder Handel, aber auch für einen Marktverbund oder Erzeugergemeinschaft ist die Zusammenstellung und Analyse von Energieverbrauch und damit der Emission von Klimagasen gut möglich. Dabei werden Hauptverbraucher und Hauptemittenten identifiziert und Bewusstsein gebildet, um gezielt Alternativen und Verbesserung zu prüfen und zu verwirklichen.

 

Zum Beispiel sollte der Verbrauch fossiler direkter Energieträger verringert werden: Das betrifft Treibstoff, Heizöl, Gas, Strom bzw. konkret Schleppereinsatz, pfluglose Bodenbearbeitung, Verfahrenstechnik, Trocknung, Heiz- bzw. Prozessenergie, Kühllager, Gewächshaus, Handelswege. Neben den direkten sind auch die indirekten Energieverbraucher zu berücksichtigen: Dies sind Betriebsmittel wie Maschinen, Geräte und Verbrauchsmittel, bei deren Herstellung, Wartung, Reparatur, Verpackung und Transport fossile Energie verbraucht wird.

 

CO2-Produktauslobung

Sollen Brot, Gemüse, Käse, Wurst und Fleisch von Erzeugung bis zum Endverbraucher bilanziert werden, entsteht eine komplette Stoffflussanalyse entlang der Wertschöpfungskette. Dies hört sich umständlich und kompliziert an, aber es liegen Datensammlungen und Erfahrungen vor. Benötigt werden die betrieblichen Grunddaten.

 

Mit den Grunddaten kann individuell eine Klimabilanz der erzeugten Produkte erstellt werden, um zum Beispiel folgende Fragen zu beantworten: Wie viel kg CO2 wird bei meiner Produktion von 1 kg Getreide, Kartoffeln, Gemüse, Obst, Milch, bzw. verarbeitet zu Brot, Käse oder Wurst freigesetzt? Wie viel Energie wird für 1 kg Lebensmittel bis zum Konsumenten verbraucht? Wie viel Energie wird umgerechnet auf einen Hektar Betriebsfläche verbrannt? Wie viel Methan setzt meine Kuh frei? Wie viel Energie braucht mein Gewächshaus je kg Tomaten? Wo liegen die größten Einsparungsreserven, wo die größte Effizienzsteigerung? Wie steht mein Betrieb im Vergleich zu anderen Betrieben speziell zu einem vergleichbaren konventionellen Betrieb da?

 

Die gewonnenen Informationen sind für zukünftige Entscheidungen bei Organisation und Entwicklung der Produktion sowie Maschinen- und Gerätekauf von großer Bedeutung. Gleichzeitig kann die Klimabilanz des Betriebes und seiner Produkte den eigenen Kunden und Abnehmern ein Inhalt der Öffentlichkeitsarbeit sein. In Großbritannien werden bereits Produkte mit der jeweils verursachten Treibhausgas-Emission einzeln gekennzeichnet (umgerechnet auf Gramm CO2 je kg Produkt).

 

CO2-Emissions-Zertifikate

Als letzte Stufe einer betriebseigenen Klimabilanz kann die verursachte Emission von Treibhausgasen auch neutralisiert werden. Möglich ist dabei die freiwillige Teilnahme am sogenannten CO2-Emissions-Zertifikatehandel. Kritisch kann dabei das „Freikaufen” statt des Einsparens sein, vor allem wenn Zertifikate billig zu haben sind wie teilweise zur Zeit. Auch ist die Verwendung der beim Zertifikatkauf aufgebrachten Geldsummen häufig anonym, mit Verwaltungskosten verbunden und weit weg vom Kern landwirtschaftlicher Erzeugung oder Ernährung. Für landwirtschaftliche Betriebe liegen deshalb betriebseigene Maßnahmen der Kompensation erst einmal näher, zum Beispiel die Erzeugung regenerativer Energie (Holz, Wind, Sonne, Wasser, Wärmetauscher, Biogas) sowie CO2-Rückbindung durch nachweisbaren Humusaufbau, Aufforstung usw. Auch Betriebe in Verarbeitung und Handel können entlang der Wertschöpfungskette beginnend bei der Landwirtschaft direktere Formen der Neutralisierung von CO2 realisieren, das sie bei Verarbeitung, Lagerung und Transport emittieren.

 

Fazit

Klimaschutz wird die Themen Bodenschutz, Naturschutz, Wasserschutz und Tierschutz zukünftig als weitere zentrale Umweltwirkung ergänzen, um Landwirtschaft umweltfreundlich weiter zu entwickeln und zu vergleichen. Der Biobetrieb weist bei den beiden Treibhausgasen CO2 und N2O große Vorteile auf. Bei CH4 fehlt eine hinreichende Analyse, die Systemunterschiede dürften aber gering und eventuell auch nachteilig für den Biobetrieb sein.

Für den Einzelbetrieb sollte die absehbare Wirkung des Klimawandels vor Ort frühzeitig bei allen zukünftigen Entscheidungen für die Betriebsentwicklung, Investitionen und Bewirtschaftung berücksichtigt werden. Ebenso sollte einzelbetrieblich für landwirtschaftliche Höfe, aber auch für Verarbeitungs- und Handelsbetriebe der Beitrag zum Treibhauseffekt berechnet und bewertet werden, um Einsparungen auch an Kosten zu erkennen.

 

Dr. habil. Guido Haas,

seit 1992 mit dem landwirtschaftlichen Einfluss auf Klimawandel und Ressourcenverbrauch befasst, ehemals am Institut für Organischen Landbau der Universität Bonn, bietet Energie- und Klimacheck sowie ganzheitlich Ökobilanzierung für Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel an.

 

AgrarIngenieurbüro Haas,  Bad Honnef   http://www.agrarhaas.de,  eMail: g.haas(at)agrarhaas.de

 

Literatur

  • Bockisch, F.J. (Hrsg.) 2000: Bewertung von Verfahren der ökologischen und konventionellen landwirtschaftlichen Produktion im Hinblick auf den Energieeinsatz und bestimmte Schadgasemissionen. Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Braunschweig, Sonderheft 211.

  • Bundesregierung Deutschland 2007: Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Grünen zu „Landwirtschaft und Klimaschutz“. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/5346 v. 14.05.07.

  • Haas, G., U. Köpke 1994: Vergleich der Klimarelevanz ökologischer und konventioneller Landbewirtschaftung. In: Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Dt. Bundestages (Hrsg.), Bd. 1 Landwirtschaft, Studienprogramm, Teilband 2, Studie H. Economica-Verlag, Bonn.

  • Haas, G., Geier, U., Schulz, D.G., Köpke, U. 1995: Vergleich Konventioneller und Organischer Landbau - Teil I: Klimarelevante Kohlendioxid-Emission durch den Verbrauch fossiler Energie. Beiträge über Landwirtschaft 73, S. 401-415.

  • Haas, G. 2002: Ökobilanz: Ist der Öko-Betrieb ökologischer? Lebendige Erde 1, 12-16.

  • Haas, 2003: Nitrat im Grundwasser: Der Streit um die Ursachen. Lebendige Erde 5, 58-61.

  • Stop Climate Change – Das Zertifizierungssystem für den Klimaschutz: www.stop-climate-change.de

  • Umweltbundesamt 2006: Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2004. Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen 2006.