Hintergrund

Bodenmarkt und neue Eigentumsformen

Ökobauern brauchen neue Modelle, um ihre Anbaufläche zu sichern

von Dr. Titus Bahner

 

Seit einigen Jahren erleben wir massive Preissteigerungen an den landwirtschaftlichen Bodenmärkten bei uns wie auch weltweit. Neben der steigenden Nachfrage nach Agrarrohstoffen und Energiepflanzen spielen in Deutschland dabei die anhaltende Flächenversiegelung, der Biogas-Boom und im Osten die Verkaufspraxis der BVVG eine Rolle. Hinzu kommt jedoch auch die Nachfrage außerlandwirtschaftlicher Käufer zur Geldanlage angesichts der seit 2007 anhaltenden Weltfinanzkrise. All dies führt dazu, dass Boden im westdeutschen Durchschnitt inzwischen mit 22.000 € und damit zu einem Mehrfachen seines landwirtschaftlichen Ertragswertes gehandelt wird, der maximal bei etwa 8.000 € liegt.

Der Bodenmarkt entgleitet den Bauern

Im Hintergrund vollzieht sich noch dazu ein demographischer Wandel, durch den jetzt allmählich die Enkelgeneration von Landwirten Boden erbt, die ab den 1960er / 70er Jahren ihre Höfe aufgegeben haben. Diese Enkel haben häufig keinen emotionalen Bezug mehr zum Boden, leben nicht mehr vor Ort und können mit Geldvermögen mehr anfangen als mit Grundbesitz. Daher ist in Zukunft mit einer verstärkten Verkaufswelle von Flächen zu rechnen.

 

Bei einem durchschnittlichen Pachtanteil von 60 % bei gleichzeitig überhöhten Bodenpreisen ist es illusorisch zu erwarten, dass Bauern all dieses Land als Eigentum erwerben können, wie es heute noch z. B. vom Grundstücksverkehrsgesetz vorausgesetzt wird. Die Bedeutung außerlandwirtschaftlicher Käufer wird steigen. Der Bodenmarkt entgleitet den Bauern.

 

Vor diesem Hintergrund entstand 2012 im Auftrag des Internationalen Biologisch-Dynamischen Vereins IBDA in Dornach eine Studie, in der neben einer Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation am (Bio-)Bodenmarkt eine Vielfalt alternativer Bodeneigentumsmodelle dokumentiert wurde, die in Deutschland und im benachbarten Ausland in den vergangenen 40 Jahren entwickelt wurden. Schließlich sollte daraus ein neuer, der aktuellen Situation angepasster Ansatz entwickelt werden.

Wiedergewinnung der Gemeingüter

Inspiriert durch Ausführungen von Rudolf Steiner zu Wirtschafts- und Sozialfragen begann zu dieser Zeit eine Gruppe im Umfeld der frisch gegründeten GLS-Bank um Wilhelm Ernst Barkhoff an neuen Rechtsformen zu arbeiten, die in Bezug auf das Bodeneigentum wegweisend sein könnten. Barkhoffs Ansatz war, Grund und Boden aus dem Privateigentum herauszulösen und in eine Art treuhänderische Verwaltung zu übertragen. Das Eigentum sollte dabei aber nicht „neutralisiert“ werden, sondern in die Verantwortung von konkreten Menschen übergehen, denen die Gemeinwohlaspekte des Hofes ein Anliegen sind: biologisch-dynamischer Landbau, darüber hinaus aber auch Naturschutz, Pädagogik, Ausbildung und Forschung.

 

Mit der Herauslösung aus dem Privateigentum wollte er den bäuerlichen Impuls aufgreifen einen Hof über Generationen zu erhalten: Grund und Boden sollten langfristig unabhängig von den Wechselfällen des familiären Erbstroms werden und darüber hinaus auch vor dem Zugriff von Banken und spekulativen Bodenkäufern bewahrt werden.

Modelle der Pioniere

Als erster Hof wurde Gut Fuhlenhagen in Schleswig-Holstein 1969 auf eine „Landbauforschungsgesellschaft“ in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH übertragen. Weitere Höfe folgten, und weitere Formen wurden entwickelt. Viele Höfe gründeten als Eigentumsträger einen gemeinnützigen Verein, in dem die Kunden und Freunde des Hofes unkompliziert eine Mitbestimmung und Mitgestaltung übernehmen konnten. Die Bauern blieben als Pächter mit einem langfristigen und günstigen Vertrag weiterhin die Bewirtschafter. Gleichzeitig war der Quereinstieg von jungen Leuten in betriebliche Verantwortung auf einfache Weise möglich geworden und damit die Kontinuität der Bewirtschaftung über den Generationswechsel hinaus sichergestellt. Vielfach bildeten sich Betriebsgemeinschaften aus mehreren Familien, die relativ große Höfe kompetent und arbeitsteilig bewirtschaften konnten.

 

Ein noch weitergehendes Modell gemeinschaftlicher Verantwortung entstand im Rahmen der „Landwirtschaftsgemeinschaften“, bei denen angestrebt wurde, möglichst viele Menschen aus dem Umkreis in die direkte wirtschaftliche Verantwortung für den Hof einzubeziehen. Im Durchschnitt entfallen auf jeden Bundesbürger ca. 0,25 ha Agrarfläche, also ein Morgen Land. In der Landwirtschaftsgemeinschaft wurde jedem Bürger die Möglichkeit eröffnet, sich an einem Hof in diesem Umfang zu beteiligen. Auf dem 100 ha großen Hof Sophienlust bei Kiel sind heute beispielsweise über 160 Menschen in Form einer GbR gemeinsam für die Landwirtschaft verantwortlich, wobei die wirtschaftenden Bauern als Teil dieser Gemeinschaft voll, die übrigen Mitglieder jedoch nur begrenzt finanziell haften.

 

Eine weitere Gruppe gemeinnütziger Höfe wird in Form einer Stiftung geführt. Neben einzelbetrieblichen Stiftungen gibt es mit Aktion Kulturland in Hamburg, der Edith-Maryon-Stiftung bei Basel, sowie der holländischen „Stichting BD Grondbeheer“ überbetriebliche Träger, die biologisch-dynamische Höfe an Bewirtschafter verpachten. Stiftungsähnlich, aber in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins arbeitet die Rudolf-Steiner-Stiftung im pfälzischen Neuhof, der vier Höfe angehören. Stiftung Trias in Hattingen ist auf sozial-ökologische Wohnprojekte spezialisiert, die teilweise auch an Höfe angebunden sind.

 

Nach einer aktuellen Studie (siehe Zaiser/Nägel in diesem Heft, S. 13) werden heute bundesweit 85 meist biologisch-dynamische Betriebe mit dem Schwerpunkt Landwirtschaft von gemeinnützigen Trägern geführt. Hinzu kommen etwa hundert Höfe, die an gemeinnützige soziale Einrichtungen angegliedert sind. Zusammen machen diese Höfe immerhin 15 % der biologisch-dynamischen Anbauflächen in Deutschland und 10 % der Demeter-Betriebe aus.

Überbetriebliche Formen

Anfang der 1990er Jahre entwickelte die GLS-Bank mit den „Landwirtschaftsfonds“ I und II eine neue Unterstützungsform. Zuwendungen wurden überbetrieblich eingeworben und dann auf mehrere Höfe verteilt, um dort produktive Investitionen und zum Teil auch Landkauf zu ermöglichen. Dafür gab es eine Naturalrendite in Höhe eines vereinbarten Warenkorbs vom Hof. 2008 griff die Bank diesen Ansatz wieder auf und brachte – veranlasst durch umfangreiche BVVG-Landverkäufe in der Uckermark – mit dem Bio-Bodenfonds ein überbetriebliches Instrument zur Flächensicherung für Biobetriebe auf den Markt. Anleger zeichnen Genussrechte mit 2,5 % Rendite, die aus der Flächenpacht aufgebracht werden, müssen ihre Anteile aber unkündbar festlegen.

 

2005 startete in der Region Freiburg mit der Regionalwert AG ein weiteres neues Modell. In Form einer Aktiengesellschaft werden neben Landkäufen dabei auch Unternehmensbeteiligungen entlang der gesamten Öko-Wertschöpfungskette finanziert, um die Bürger der Region direkt an ihrer Nahrungsmittelversorgung zu beteiligen. Das Modell wurde bewusst übertragbar ausgestaltet. Inzwischen existiert eine weitere Regionalwert AG im Raum München.

 

Aus dem Ausland kommen zwei weitere alternative Modelle. Der Unternehmensverbund l‘Aubier in der französischsprachigen Schweiz betreibt seit 1971 einen 35 ha großen Demeter-Betrieb, in dessen Zusammenhang inzwischen die Produkt­verarbeitung, ein Hotel und sogar ein intergenerationelles Wohnprojekt entwickelt wurden. Eigentümer ist eine speziell gestaltete Aktiengesellschaft, über die in unterschiedlicher Weise über 1.300 Menschen finanziell in die Trägerschaft eingebunden sind. In Frankreich schließlich hat sich mit Terre de Liens seit 2006, begründet von einem Demeter-Gärtner, eine landesweit tätige Organisation zum Bodenerwerb entwickelt, die inzwischen 2.100 ha Land erworben und damit über hundert Betriebe gestützt und gesichert hat (siehe Kasten).

Bodenthema mit hoher Brisanz

Die aktuellen Zuspitzungen am Bodenmarkt werfen nun die Frage nach der Aktualität dieser Ansätze auf. Wie sehr ökologische Bauern von der Situation betroffen sind, zeigte eine bundesweite empirische Umfrage im Rahmen der IBDA-Studie. Auf mehrere hundert Anschreiben konnten 78 Rückmeldungen von Demeter- und Bioland-Betrieben ausgewertet werden. Die Betriebe bewirtschaften im Schnitt 87 ha Fläche und weisen damit eine überdurchschnittliche Größe auf. Die Hälfte der Betriebe hat in den letzten fünf Jahren Land gekauft, im Schnitt 4,2 ha Grünland bzw. 13,8 ha Ackerland. Die Hälfte der Betriebe rechnet zudem in den nächsten fünf Jahren mit 70 % Wahrscheinlichkeit, Flächen zum Kauf angeboten zu bekommen, im Schnitt 14 ha. Land wird also angeboten und könnte gekauft werden.

 

Die Bodenpreise aber zeigen deutlich steigende Tendenz. Auch die Pachtpreise sind stark gestiegen, sie lagen 2007 im Schnitt bei 291 €/ha und fünf Jahre später bei 423 €, das bedeutet eine Steigerung um 45 %. Die durchschnittlich verbliebene Pachtdauer beträgt dabei nur 7,5 Jahre, und die Betriebe schätzen, dass sie nur mit gut 50 % Wahrscheinlichkeit die Pachtflächen weiterhin bewirtschaften können. Die Betriebe müssen zukünftig in der Lage sein, diese Pachtflächen zu sichern.

Weiterentwicklung alternativer Eigentumsformen an Land

Um in dieser Situation hilfreich sein zu können, müssten die gemeinnützigen Bodeneigentumsformen weiterentwickelt werden. Die grundsätzliche Orientierung bietet nach wie vor das Konzept eines Umkreises aus Kunden und Unterstützern, der Verantwortung für das Bodeneigentum übernimmt, die Pflege von Allgemeingütern gewährleistet und neben der familiären Hofnachfolge auch einen Quereinstieg junger Leute ohne Land in die bäuerliche Verantwortung ermöglicht. Eine moderne Trägerstruktur müsste in diesem Sinne „positives“ außerlandwirtschaftliches Kapital für den Kauf von Flächen mobilisieren. Diese Flächen müssten zu einer Pacht weitergegeben werden, die sich nicht am Kaufpreis, sondern an nachhaltig zu erwirtschaftenden Erträgen orientiert.

Zum anderen möchten fördernde Geldgeber heute tendenziell ihr Geld nicht loslassen, sondern sind an einer Verbindung zum Projekt interessiert. Dem entspricht die Form des Beteiligungskapitals. Diese Beteiligung kann zu einem späteren Zeitpunkt in eine Schenkung umgewandelt werden („Brückenfunktion“ des Trägers).

Für die nötige Schlagkraft angesichts der aktuellen Situation müsste der Träger überbetrieblich angelegt sein und professionell geführt werden. Gleichzeitig muss er eine starke regionale Verankerung ermöglichen und „Wärme“ zwischen Hof und Geldanleger kommunizieren, da nicht mit einer Verzinsung der Geldanlage gerechnet werden kann.

Es scheint an der Zeit, die langjährigen Erfahrungen mit alternativen Eigentumsformen und die regional bereits jetzt existierenden Angebote für bürgerschaftliche Beteiligung an gemeinwohlorientierten Höfen publik zu machen, vielleicht in Form einer Kampagne, und damit den bedrohlichen Entwicklungen der Agrar- und Finanzwelt ein Fünkchen Hoffnung entgegen zu stellen.

Privateigentum und Gemeingüter

Landwirtschaftliche Flächen zu kaufen oder zu pachten – das gibt es bei uns erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Über viele Jahrhunderte hindurch war die Bodennutzung im Lehnssystem organisiert, die Bauernfamilie wirtschaftete mit Knechten und Mägden, entrichtete dem Grundherren Abgaben und Dienste und hatte auf den Umfang der dem Hof zugehörigen Flächen keinen Einfluss. Weite Teile des Landes wurden zudem als Allmende bewirtschaftet und waren nicht dem einzelnen Hof, sondern der Dorfgemeinschaft zugeordnet. Acker- wie Weideflächen wurden gemeinschaftlich bewirtschaftet.

 

Es ist nicht so, dass in dieser Bodenverfassung nichts geleistet wurde. Die umfangreichen Rodungen des Spätmittelalters mit Hand- und Pferdekraft, die Integration von Viehhaltung, Ackerbau, Gemüsebau und Waldwirtschaft in ein bäuerliches Anbausystem mit geregelter Düngerwirtschaft, später die anfängliche Urbarmachung sumpfiger Bereiche und die Eindeichung von Überschwemmungsflächen wurden in gemeinschaftlicher Arbeit geleistet. Das ganze Gesicht der mitteleuropäischen Kulturlandschaft entstand im Lehnssystem.

 

Erst mit der „Bauernbefreiung“ vor etwa 150 Jahren entstand bäuerliches Privateigentum an Grund und Boden. Natürlich bekamen die Bauern ihr Land nicht geschenkt. Sie durften es vielmehr über zwei bis drei Generationen den Grundherren abkaufen. Wer das nicht leisten konnte, verlor seine Bewirtschaftungsgrundlage („Bauernlegen“) und wurde zum Landarbeiter, Tagelöhner oder Auswanderer. Der Freikauf des Landes aus der Grundherrschaft war eine generationenübergreifende Leistung, vor der wir heute nur den Hut ziehen können.

 

Viele Jahrzehnte entwickelte sich das bäuerliche Wirtschaften erfreulich, und die „unsichtbare Hand“ der vor- und nachgelagerten Märkte ordnete die Nahrungsmittelversorgung der entstehenden Industriegesellschaft zufriedenstellend. Erst ab den 1960er Jahren wurden die allmählichen Folgen des Systems in Form zunehmender Umweltschäden sichtbar. Die Menschen entwickelten Bewusstsein für saubere Luft, klares Wasser, landschaftliche Schönheit und ökologische Vielfalt als Gemeingüter, die vom privaten Bodeneigentum vernachlässigt wurden. Im Allmendesystem absichtslos mitgeliefert, war von ihnen ein Jahrhundert lang gezehrt worden – nun wurden sie knapp.

Autor

 Dr. Titus Bahner; Projektbüro Kulturlandschaft, Buchberg 9, 29456 Hitzacker

 titus.bahner(at)lebendigesLand.de