Berichte

Entwickeln statt kontrollieren

Demeter-Projekt Anerkennung
Erfahrungsbericht aus Brandenburg

von Rienk ter Braake und Schirin Oeding

Die aktuelle Demeter-Zertifizierung bezieht sich hauptsächlich auf die jährliche Kontrolle. In ein bis drei Stunden werden über eine Checkliste mit etwa 150 Kontrollfragen und ungefähr 15 Anhängen die Mindestanforderungen abgehakt. Dies geschieht in Kombination mit der Bio-Kontrolle. Für die vielleicht wichtigsten Fragen aber ist weder Platz noch Zeit: Wie verhalte ich mich zu den biodynamischen Prinzipien? Was kann ich heute machen, damit mein Betrieb morgen als stärkerer biodynamischer Betrieb dasteht?

Können wir die Zertifizierung auch anders gestalten? Dynamischer? Dies testen die Betriebe, die derzeit am Projekt Anerkennung teilnehmen. Sie treffen sich in Betriebsentwicklungs-Gruppen (BEG) auf den jeweiligen Betrieben und besprechen anhand einer jährlichen Selbstauskunft, wo sie gerade im Hinblick auf die biodynamischen Prinzipien Ökologie, Lebenskräfte und Präparate, Soziales und Kultur stehen. „Solche Gespräche sind was ganz anderes als eine Kontrolle”, so ein teilnehmender Landwirt. „Es kommen nicht so oft Kollegen auf meinen Betrieb, um mit mir über die so wichtige biodynamische Entwicklung meines Hofs zu sprechen. Das ist sehr wertvoll für mich, denn die Kollegen schauen ganz anders hin als die Kontrolleure.” All diese Betriebsgespräche werden von einem Moderator begleitet.

In der Region Brandenburg fanden bereits drei solcher Gespräche statt. Die Selbstauskunft-Formulare wurden von allen Teilnehmern wahrheitsgemäß und unmissverständlich ausgefüllt. Die Formulare vermitteln einen ersten Eindruck der Betriebe. Dieser wird über einen Betriebsrundgang und ein Gespräch vertieft. Die Kollegen charakterisieren den Betrieb, den sie gerade besuchen, und geben Tipps. Zum Abschluss entscheidet der besuchte Erzeuger, was er bis zum nächsten Jahr konkret umgesetzt und verändert haben will. Dieser Entwicklungsschritt wird im folgenden Jahr von den Kollegen begutachtet. So entsteht eine zukunftsorientierte Demeter-Zertifizierung mit Fokus auf morgen und nicht nur auf gestern. Während des Projekts sind die Betriebe komplett aus den normalen Demeter-Kontrollen herausgenommen, lediglich die EU-Bio-Kontrolle wird durchgeführt. „Für mich ist das Projekt sehr fruchtbar, es bewegt sich was. Es ist allerdings die Frage, ob es ganz ohne Kontrolle geht”, so einer der Teilnehmer. Es wird eine wichtige Herausforderung sein, wie die biodynamische Entwicklung der Betriebe in den Vordergrund rücken kann, aber parallel das Versprechen der Demeter-Richtlinien an die Verbraucher über eine schlanke und eindeutige Kontrolle gewährleistet wird. Daher widmet sich das Projekt auch der Kommunikation mit den Verbrauchern, um ihre Wahrnehmung und Akzeptanz solch einer neuen Anerkennung zu überprüfen. Dazu ist für 2020 eine Umfrage geplant.

Zum Projekthintergrund

2018 startete das Pilotprojekt Anerkennung mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Im Mittelpunkt sollen künftig der individuelle Betrieb und die Weiterentwicklung der biodynamischen Qualität stehen. 2017 wurde das Projekt als partizipatives Vorgehen konzipiert: Die neue Demeter-Anerkennung wird in Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Betrieben ausgearbeitet. Die Rückmeldungen und Erfahrungsberichte der Teilnehmerbetriebe, der Moderatoren und des Projektteams und -beirats fließen in den Entwicklungsprozess des Projekts ein.

Projektaufbau und Inhalte

Das Projekt „wandert” durch Deutschland, jedes Jahr kommen neue Regionen, jeweils rund 25 Betriebe dazu. Im Jahr 2018 waren wir in Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein aktiv. Für 2019 sind Baden-Württemberg und eventuell Bayern geplant. Bis zu 100 Betriebe können bis 2022 teilnehmen. Die Voraussetzung ist, dass sie seit mindestens drei Jahren Demeter-Mitglied sind und in dieser Zeit keine groben Richtlinienverstöße hatten. Je nach Ergebnissen des Projektes besteht nach dem Ablauf der Projektzeit in 2023 die Möglichkeit, die Teilnahme von landwirtschaftlichen Betrieben an der neuen Anerkennung zu erweitern und mehr Betriebe in das Verfahren aufzunehmen. Das Projekt ist ein bedeutender Baustein der Weiterentwicklung von Kontrolle und Anerkennung für unsere landwirtschaftlichen Mitgliedsbetriebe. Parallel wird auch die Demeter-Regelkontrolle überarbeitet. Beispielsweise werden im Bereich Tierwohl gezielte, risikoorientierte Kontrollen von einer kleinen Gruppe zugelassener Kontrolleure, die jährlich geschult werden, durchgeführt. Ein Ansatz für risikoorientierte Erzeuger-Kontrollen ist derzeit in Bearbeitung.

Rienk ter Braake und Schirin Oeding, ProjektkoordinationErzeugung Demeter e.V. schirin.oeding(at)demeter.de