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Welthunger: Weiter wie bisher ist keine Option

Was läuft falsch bei der Ernährungssicherung?

Einschätzungen von Benny Härlin, Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

Der von der Weltbank und den Vereinten Nationen initiierte Weltagrarbericht, in dem über 500 Wissenschaftler und Experten vier Jahre lang den globalen Stand des Wissens über Landwirtschaft und Ernährung zusammenfassten und der von 58 Staaten – ohne die Bundesrepublik – verabschiedet wurde, sagt klar: Die Krisen von Ernährung, Umwelt und Gerechtigkeit können nur gemeinsam und integriert überwunden werden. Zu den wichtigsten Schritten und Optionen, die er zu diesem Zweck vorschlägt, gehören:

  • eine agrarökologische Revolution, die durch kleinteilige, arbeits-, erfahrungs- und wissensintensive Land- und Ernährungswirtschaft, welche die Abhängigkeit von fossiler Energie und Agrarchemie drastisch reduziert, die Bodenfruchtbarkeit und essenzielle ökologische Kreisläufe stabilisiert und dabei die Gesundheit von Lebensmitteln erhöht;

  • eine grundlegende Reform der globalen Agrarhandels-Architektur, weil diese Bäuerinnen und Bauern einen immer geringeren Anteil am Wert ihrer Produkte zugesteht, der stattdessen vor allem global agierenden Saatgut, Agrarchemie, Handels und Verarbeitungskonzernen zufließt und dabei die Verschwendung und Zerstörung natürlicher Ressourcen ebenso fördert wie die Verödung ländlicher Räume in allen Regionen der Welt;

  • die Umsetzung des Prinzips der Ernährungssouveränität, die Menschen und Staaten das Recht gibt, demokratisch darüber zu entscheiden, wie sie sich ernähren;

  • Investitionen in lokale und regionale ländliche Infrastruktur, insbesondere in die wachsende Zahl von Frauen, die landwirtschaftliche Betriebe in Agrargesellschaften des Südens führen, mit dem vordringlichen Ziel, Selbstversorgung und lokale Wirtschaftsentwicklung sowie Widerstandsfähigkeit gegen ökonomische und ökologische Krisen einschließlich des Klimawandels zu gewährleisten;

  • die finanzielle, politische und wissenschaftliche Anerkennung und Förderung der vielfältigen, weit über landwirtschaftliche Produkte hinausgehenden „multifunktionalen” Dienstleistungen und Werte, die von Bäuerinnen und Bauern zum Erhalt der Ökosysteme, aber auch für den sozialen und kulturellen Zusammenhalt von Gemeinden und Gesellschaften erbracht werden;

  • eine neue Herangehensweise in Wissenschaft und Technologie: Statt „von oben” Probleme zu definieren und technologische Lösungen zu bieten, die dann von den Betroffenen umzusetzen sind, sollten Wissenschaftler die Probleme „von unten” gemeinsam mit Landwirten definieren und bearbeiten und dabei praktisches, lokales und traditionelles Wissen nutzen und integrieren, um gemeinsam Innovationen zu entwickeln, die sich in erster Linie am Gemeinwohl orientieren und frei verfügbar sind.

Die Schlusserklärung des Welternährungsgipfels hat leider nur wenige dieser Ratschläge aufgegriffen und setzt stattdessen weiter auf konventionelles Wachstum und isolierte technische Lösungsansätze wie z. B. Biotechnologie. Er verspielte damit die Chance zur Neuorientierung, vor allem der Integration des Kampfes gegen Hunger und Umweltzerstörung. Die Verantwortlichen verdrängen noch immer die Dimensionen und die Dynamik der Krise, in der wir uns befinden.

 

Neu erschienen: „Wege aus der Hungerkrise – die Erkenntnisse des Weltagrarberichts und seine Vorschläge für eine Landwirtschaft von morgen”, eine Zusammenfassung auf 40 Seiten.

 

Download und Bestellung auf: http://www.weltagrarbericht.de