Kurz & aktuell

Entwicklungsorientierung ist der Maßstab, nicht der Markt!

Vier Jahre Arbeit der Nexus Foundation zu Ernährungssicherung und Welthandel

 

Herr Fuchs, nach vier Jahren Nexus Foundation geht deren Arbeit zu Welthandel und Ernährungssicherung nun zur NGO „QUNO“ in Genf über. Was ist Ihr Resumee – wo sollte man ansetzen, um die Agrahandelsstrukturen, die den Hunger auf der Welt mitverursachen, zu verändern?

 

Der wichtigste Knackpunkt heißt da: von der Markt- zur Entwicklungsorientierung! Seit langem sinkt die Zahl der Hungernden nicht unter 800 Millionen, während die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft gravierend steigt: Wesentlich verantwortlich dafür ist im Welthandelsregime ein Wort in der Präambel der WTO zur Einigung bezüglich der Landwirtschaft: Marktorientierung. Diese Marktorientierung, gerne als „Exportorientierung“ gelesen und eingefordert, stellt die Landwirtschaft unter das Diktat von Spezialisierung und Industrialisierung. Solche Landwirtschaft schafft auf dem Land – wo die meisten Hungernden leben – für ungelernte Arbeiter nur saisonale und prekäre Jobs, ist enorm Wasser verbrauchend und stark umweltbelastend. Sie verbilligt zwar Lebensmittel für den städtischen Konsum, untergräbt aber durch begleitende verzerrende Subventionen die vor Ort gewachsenen landwirtschaftlichen Strukturen. „Marktorientierung“ passt im Kern nicht zum Wesen von Landwirtschaft und Ernährung. Märkte für Landwirtschaft und Lebensmittel sind zunächst mal regional und vielfältig. So dienen sie den Ernährungsbedürfnissen der Menschen und schonen die Umwelt. Deswegen brauchen landwirtschaftliche und Lebensmittelmärkte aus Sicht der Nexus Foundation eine Entwicklungsorientierung. Entwicklung von Bodenfruchtbarkeit, von lokal angepasstem Saatgut sowie tiergerechte Haltungssysteme, eine entwicklungsorientierte Ernährung und Entwicklung ländlicher Räume – überall ist Entwicklung die Orientierung!

 

Also ist Landwirtschaft von der WTO anders als Industrie und Dienstleistung zu regeln?

Genau: Die erste Einsicht, die die Nexus Foundation heraus gearbeitet hat, ist, dass Landwirtschaft aus verschiedenen Gründen besonders ist, und von daher einer eigenen Behandlung im Handelsregime bedarf.

Wie also sollten landwirtschaftliche bzw. Ernährungsmärkte organisiert sein?

 

Die Schlüssel-Formel dazu ist: “Regional ist 1. Wahl”. Dieses Motto aus der deutschsprachigen Bio-Szene hat sich als Leitformel aus der Nexus-Arbeit auch für internationale Märkte heraus gestellt. Das, was regional gut organisiert werden kann, sollte regional organisiert werden. Nationale und internationale Märkte sollten daraufhin das regionale Angebot ergänzen. Die Formel „Regional ist 1. Wahl“ sollte als Konsens internationale Handelsvereinbarungen durchziehen.

 

Was wäre ein guter Ausgangspunkt für eine solche Umgestaltung?

 

Im Kern des „Regional ist 1. Wahl“-Konzeptes steht das öffentliche Beschaffungswesen. Dieser große und gesellschaftlich gestaltbare Markt spielt eine Schlüsselrolle in dem Konzept. Jüngste Bestrebungen, auch diesen Markt zu liberalisieren, laufen dieser Einsicht aber entgegen. Doch nicht Protektionismus, also „Schutz“ durch Zölle oder Regeln wäre die Lösung, auch nicht wie in Russland der Zwang zu regionalem Einkauf, sondern eine Erlaubnis zur Präferenz: Jede öffentliche oder gemeinschaftliche Institution sollte das Recht haben, bewusst regional einkaufen zu dürfen – was heute meist nicht der Fall ist, da die Pflicht zur Ausschreibung und zur Wahl des günstigsten Angebots besteht.

 

Fragen: mom

Veröffentlichungshinweise dazu bei der Redaktion bzw. www.nexus-foundation.net/ergebnisse/