Kurz & aktuell

Braucht die Landwirtschaft Wachstum?

Gespräch mit Frieder Thomas, Agrarbündnis, zum aktuellen Kritischen Agrarbericht

 

Das Agrarbündnis hat in seinem aktuellen Kritischen Agrarbericht für 2016 den Schwerpunkt Wachstum. Warum?

 

Das Thema Wachstum ist ein zentrales, gerade wenn man sich – wie es in der Satzung des Agrarbündnisses festgelegt ist – für eine bäuerliche Landwirtschaft einsetzt. Zunächst geht es um die Grenzen des Wachstums aus ökologischen Gründen; gleichzeitig müssen wir aber auch eine wachsende Weltbevölkerung ernähren. Es geht daher darum, wie wir Produktionsmethoden und wie wir Konsum gestalten wollen.

Ein ganz anderes Thema ist der permanente Wachstumsdruck, der auf den Höfen lastet. Zu wachsen, wenn man erfolgreich ist, das ist völlig in Ordnung. Mehr zu produzieren, um Menschen satt zu machen, auch das ist sinnvoll. Aber viele Betriebe wachsen ja, ohne dass sie es selbst wollen; es geht dabei ja nur um die Existenzsicherung, und nicht um ein kluges nachhaltiges Betriebskonzept. Hier müssen wir nach praktikablen Alternativen suchen: Wie kann eine bäuerliche „Ökonomie des Genug“ aussehen? Innerhalb des gegebenen Systems ist das schwierig; aber wir fangen mit dem Systemwandel an.

 

Wachstum als Selbstzweck produziert Nebenwirkungen: Was thematisiert der aktuelle Bericht?

 

Nun, ich würde Selbstzweck nicht nur negativ sehen: Wenn man eine gute Geschäftsidee hat, muss Wachsen ja nichts Schlechtes sein. Problematisch wird Wachstum, wenn es nur eine Reaktion auf Konkurrenzdruck von außen ist. Dann werden leider die möglichen Grenzen ausgereizt; Vorsorge und fürsorgliches Wirtschaften haben dann kaum noch eine Chance. In der Tierhaltung wird der notwendige Umbau inzwischen glücklicherweise nicht nur von uns deutlich thematisiert, dazu gibt es einige Beiträge. Aber auch beim Boden und seiner Fruchtbarkeit oder beim ausufernden Einsatz von Glyphosat besteht erheblicher Handlungsbedarf, auch dazu steht was im Kritischen Agrarbericht.

Aber die Frage ist ja auch, ob Wachstum überhaupt eine Lösung ist: Denn auch Wachstumsbetrieben fällt es immer schwerer, sich auf die ständig schwankenden und in der Tendenz eher sinkenden Erzeugerpreise einzustellen. Wachstum ist auch in der Landwirtschaft längst kein Garant mehr für Erfolg oder Wohlstand.

 

Wachse oder Weiche, das gilt auch für Ökobauern. Deren Zahl in Deutschland stockt, der Import steigt, er muss also wachsen. Gibt der Kritische Agrarbericht hier eine Antwort, wie?

 

Eine spannende Frage: Die eine Antwort gibt der Bericht nicht. Denn der Kritische Agrarbericht macht auch die Vielfalt der Diskussion deutlich: Rund um Bio 3.0 geht es um die grundsätzliche Ausrichtung, was „bio“ sein kann und soll – vor allem in der Produktionstechnik: Wie und wo sollen Grenzen gesetzt werden? Andere diskutieren eher darüber, welche Betriebsstrukturen zum Ökolandbau passen. Und auch der Mythos vom „Grünen Wachstum“ ist bei uns ein Thema: Es gibt Grenzen des Wachstums, auch bei umweltfreundlicher Produktion. Das Spannende ist: Hier befinden wir uns in einer Debatte mit sehr vielen Aspekten; der Ausgang ist noch offen und einen Königsweg wird es wohl nicht geben.

 

Fragen: Michael Olbrich-Majer

Das Agrarbündnis, eine Arbeitsplattform von 26 Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz, kommentiert einmal jährlich die Entwicklungen der Landwirtschaft, vom Welthandel bis zum Wald, von der Agrarkultur bis zu Alternativen der Agrar­politik.

 

Der Kritische Agrarbericht 2016: Schwerpunkt: Wachstum

AbL Verlag, Bahnhofstraße 31, 59065 Hamm, 320 S., 22,00 Euro, ISBN: 978-3-93041359-1, http://www.bauernstimme.de