Kurz & aktuell

Volksbegehren Artenschutz – in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa

Interview mit Sven Prange, Koordinator des Volksbegehrens „Rettet die Biene“ bei proBiene

Herr Prange, was soll durch das Volksbegehren erreicht werden?

Wir wollen eine der ökologischen Katastrophen unserer Zeit lindern: das Artensterben. Ob Vögel, Insekten oder Pflanzen – Baden-Württemberg leidet unter einem dramatischen Verlust der Biodiversität. Damit die Politik endlich verbindlich dagegen vorgeht, wollen wir per Volksbegehren ein Gesetz verabschieden. Das beinhaltet ein verbindliches Öko-Landbauziel von 50 Prozent bis 2035, die Umstellung aller Staatsbetriebe auf Öko, eine Pestizidreduktionsstrategie der Landesregierung, ein Verbot von artengefährdenden Pestiziden in bestimmten Schutzgebieten und den Schutz von Streuobstwiesen.

Wer ist daran beteiligt?

Das Volksbegehren ist eine Initiative aus der Landwirtschaft. Gestartet von den Imker-Kollegen Tobias Miltenberger und David Gerstmeier von proBiene, gibt es mittlerweile einen breiten Trägerkreis. Dazu gehören neben Demeter auch Naturland, die AbL, die Bäuerlicher Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall, Slow Food, Fridays for Future, BUND, NABU und viele mehr.

Wie ist der Ablauf?

Wir haben bis zum 23. März 2020 Zeit, um ca. 770.000 Unterschriften von Bürgern aus Baden-Württemberg zu sammeln. Sind die geforderten Unterschriften zusammengekommen, folgt die Beratung und Anhörung im Landtag: Wird das Gesetz angenommen oder wird es abgelehnt. Im letzten Fall kommt es zu einem Volksentscheid.

Einige Bauern sehen das Volksbegehren kritisch. Auf den Betrieben herrscht Unverständnis oder sogar Existenzangst. Welche Folgen hätte es für die Bauern, konventionelle sowie ökologische?

Wir nehmen die Bedenken der Bauern sehr ernst und wollen niemandem schaden. Eher sehen wir im Volksbegehren eine Chance auf Veränderung aus der Bevölkerung heraus. Auch sind wir in stetem Austausch mit Vertretern der Bauern, um für eine möglichst gute Umsetzung zu sorgen. Für ökologisch arbeitende Landwirte sehen wir im Volksbegehren das Potenzial, endlich im Rahmen einer fairen Förderung durch die Landespolitik ihre Vorteile in Sache Ökologie auch besser entlohnt zu bekommen. Für konventionelle Landwirte heißt das Volksbegehren, dass sie auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren, auf bäuerlichen Strukturen basierenden Arbeitsweise durch Gesellschaft und Politik die finanzielle wie ideelle Wertschätzung bekommen, die zuletzt verloren gegangen ist. Wenn das Gesetz durchkommt und durch die Politik gut und sinnvoll ausgestattet wird, bietet das Volksbegehren die Chance, zum größten Förderprogramm für die regionale, bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft in der Geschichte des Bundeslandes zu werden.

Sind Volksbegehren ein Zeichen für Politik-Verdrossenheit?

Die Politik erlebt jetzt das, was Unternehmen schon länger erleben: Die Menschen wollen mitreden und mitgestalten – und das auf Augenhöhe. Offenbar ist die Politik allein nicht mehr in der Lage, die großen Aufgaben, um unsere Gesellschaft enkelfähig zu machen, auch mit großen Lösungsansätzen anzugehen. Da bedarf es der Ermunterung durch die Bevölkerung.

Neben den deutschen Volksinitiativen gibt es auch auf Europäischer Ebene Bürger­initiativen (EBI), wie Save Farmers and Bees und die EBI Rettet die Bienen! Schutz der Artenvielfalt und Verbesserung der Lebensräume von Insekten in Europa. Das zeigt deutlich, dass die Bürger etwas verändern wollen und nicht auf politische Entscheidungen warten möchten. Aber klar ist auch: Wir müssen das gemeinsam mit und nicht anstatt der Politik schaffen.

Interview: Katrin Bader

Update: Am 15.10. stimmte der Trägerkreis des Volksbegehrens einem Eckpunktepapier und Dialogangebot der Landesregierung zu und mobilisiert daher bis Mitte Dezember nicht weiter.

Infos