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Pestiziden ihren „wahren Preis“ geben

Interview mit Prof. Dr. Erik Gawel, Umweltökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), zur im März 2021 veröffentlichten Studie „Wirkung verschiedener Abgabekonzepte zur Reduktion des Pestizideinsatzes in Deutschland – eine Simulationsanalyse“

Herr Prof. Gawel, was genau wurde analysiert?

Will man eine Pestizidsteuer, stellt sich die Frage, was genau man wie besteuern möchte. Dazu haben wir vier Konzepte, u. a. die dänische Steuer und zwei Varianten des UFZ-Vorschlages für Deutschland durchgerechnet. Wir wollten wissen, was konkret die zu erwartenden Minderungseffekte auf Pestizidmenge und Behandlungsfläche sowie das voraussichtliche Aufkommen sind.

Welches Konzept hätte den besten Einfluss, führt also zu weniger Pestiziden?

Wir denken, dass es den größten Umwelterfolg bringt, die Abgabe am konkreten Risiko der einzelnen Produkte auszurichten. Als Indikator verwenden wir die Unterschiede bei den in der Zulassung festgesetzten maximalen Aufwandmengen je Hektar und Jahr. Diese variieren in Anbetracht der unterschiedlichen Wirksamkeit der jeweiligen Wirkstoffe bis zum Tausendfachen. Mit einer Anknüpfung an die maximal zulässige Aufwandmenge ließe sich eine wesentlich stärkere Reduktion der potenziell behandelbaren Fläche erreichen, während das dänische Steuermodell zumindest eine Verlagerung hin zu niedrigdosierten Pflanzenschutzmitteln mit hochwirksamen Wirkstoffen bewirkt.

Wie schnell wäre so eine Abgabe umsetzbar?

Im europäischen Ausland (Dänemark, Schweden, Frankreich u. a.) sind Pestizid­abgaben längst unspektakuläre Realität. Auch für Deutschland liegen die Konzepte auf dem Tisch. Juristisch und ökonomisch ist das machbar. Die entscheidende Hürde ist der politische Wille, zur Begrenzung des Pestizid-Einsatzes auch ökonomische Hebel einzusetzen und Pestizide klar zu verteuern. Politik spiegelt hier den mutmaßlichen Wählerwillen – je deutlicher wir alle die Erwartung formulieren, dass Risiken für Umwelt und Gesundheit einen Preis haben sollen, aber auch die Bereitschaft, für pestizidarme Produkte mehr zu zahlen, desto wahrscheinlicher wird auch ein solches Instrument. Die Bundestagswahl wäre eine nächste gute Gelegenheit dafür.

Was würde mit den Einnahmen passieren?

Hierfür gibt es grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten. Man kann die Einnahmen nutzen, um zusätzlich zum Lenkungseffekt noch Biodiversitätsschutz (z. B. Blührandstreifen) oder Aufklärung zum sparsamen Mitteleinsatz zu finanzieren. Man kann aber auch Härten beim Pestizidverzicht (Ertragsausfälle) abpuffern. In jedem Falle sind die Einnahmen ein weiterer wichtiger Pluspunkt einer Pestizidpolitik auch über Abgaben.

 

Fragen: Katrin Bader

Studie:www.gls.de/pestizidabgabe
Die Studie wurde von NGOs im Bündnis mit der GLS Bank in Auftrag gegeben.