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Lichtverschmutzung - Gefahr für die Biodiversität?!
Fragen an Dr. Sibylle Schroer, wissenschaftliche Koordinatorin Nachhaltigkeitsforschung am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, IGB Berlin.
Frau Schroer, kurz erklärt – was ist Lichtverschmutzung?
Lichtverschmutzung ist künstliches Licht, das das natürliche Licht verschmutzt. Durch künstliches Licht werden Nachtlandschaften verändert: durch direkte Lichtemissionen, aber auch durch „Skyglow“, die Akkumulation von Lichtstrahlen durch Reflexionen an Partikeln in der Luft – das gilt in der Stadt und auf dem Land.
Welche Arten sind davon besonders betroffen?
Mehr oder weniger alle Arten, die im Freiraum leben, denn sie sind an den Tag-Nacht-Rhythmus angepasst. Künstliches Licht kann Lebensräume verändern, aber auch die Aktivitäts- und Ruhephasen durcheinanderbringen. Die Sehorgane von nachtaktiven Organismen sind auf sehr schwaches Licht eingestellt, künstliches Licht blendet die Tiere stark und die Blendung bleibt lange bestehen, bei Kröten bspw. bis zu 45 Minuten, wenn sie mit einer Taschenlampe geblendet wurden.
Das Hormon Melatonin spielt dabei eine wichtige Rolle, es steuert den Rhythmus von Ruhe- und Aktivitätsphasen bei Wirbeltieren. Dessen Bildung kann bereits bei sehr geringen Lichteinwirkungen unterdrückt werden. So können auch saisonale Prozesse wie der Fellwechsel beeinträchtigt werden. Besonders stark fallen die Auswirkungen auf lichtaffine Arten auf, wenn etwa Hunderte Insekten Lichtquellen umtanzen. Dieser Tanz kostet unzähligen Individuen das Leben. Genaue Zahlen gibt es nicht, wir wissen nur, dass es mindestens 9 Millionen öffentliche Leuchtpunkte in Deutschland gibt und gehen davon aus, dass durchschnittlich Hunderte Insekten jede Nacht daran verenden. Viele Insekten werden so aus ihrer ökologischen Aufgabe herausgesaugt, auch „Staubsaugereffekt“ genannt. Sie fehlen dann in ihrer Aufgabe, z. B. als Futter im Nahrungsnetz, als Bestäuber, als Gegenspieler von Schädlingen, als Beseitiger von Exkrementen und Kadavern und als Vektor für mikrobielle Prozesse.
Welche weiteren Auswirkungen gibt es?
Lichtscheue Arten verlieren durch künstliche Beleuchtung Lebensraum, erfahren Barrieren, die teils unüberwindbar sind oder müssen Umwege machen auf ihren Wander- oder Jagdrouten. Bei Fledermäusen wurde erkannt, dass sie durch Straßenbeleuchtung von Trinkrevieren an Seen, Bächen oder Tränken abgeschnitten werden können und dann viel weniger Wasser zu sich nehmen als Artgenossen ohne Einflüsse durch Beleuchtung.
Auch Pflanzen leiden unter Dauerbestrahlung. Das Signal der Blütenbildung und des Laubabwurfs wird durch Licht und Temperatur gesteuert und wenn beide Signale nicht den üblichen Rhythmen folgen, dann kann es (wie in diesem Winter) passieren, dass Bäume im Dezember zu starken Frösten all ihr Laub auf einmal abwerfen. Anhand von Radikalen wurde auch in Blättern gemessen, dass Bäume durch künstliches Licht in der Nacht gestresst werden, das kann zu einer früheren Alterung führen. Beleuchtung kann auch die Artenvielfalt von Blüten beeinträchtigen und sich somit auch auf Tag- oder Nachtbestäuber wie Nachtfalter auswirken.
Fragen: Katrin Bader
Stellschrauben für nachhaltige Beleuchtung
Lichteinsatz auf notwendiges Maß beschränken und nach Gebrauch ausschalten
Beleuchtungsstärke auf ausreichendes Maß herunterdimmen
Nur die zu beleuchtende Fläche erhellen, d.h. nicht in den Himmel oder in die
Horizontale strahlen, auch bei Aussenbeleuchtungen mit BewegungsmeldernLichtfarbe so warm wie möglich (maximal 3000 Kelvin)
Leitfaden für Umrüstungen und Neugestaltung öffentlicher Beleuchtung
https://www.bfn.de/sites/default/files/2022-05/skript543_4_aufl.pdf
Projekt „Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung“ (AuBe)