Portrait

Brot und Klima

Beim Märkischen Landbrot stimmen CO2-Bilanz , Arbeitsplätze und gesellschaftliches Engagement

von Michael Olbrich-Majer

 

Backen braucht Energie. Und wie jeder weiß, nicht zu knapp. Was tun, wenn man gerne Bäcker ist, und dazu umweltbewusst? In Zeiten des Klimawandels ist das eine Frage von Bedeutung.

 

Joachim Weckmann ist Bäcker. Vor dreißig Jahren verkaufte er, studierter Kaufmann, selbstgebackenes Biobrot aus dem Rucksack. Nach fünf Jahren als Mitgründer in zwei Berliner Kollektivbäckereien, kaufte er 1981 auf Pump günstig die Bäckerei Märkisches Landbrot. Seit 1992 wird da ausschließlich Demeter-Brot gebacken. Eigentlich alles bestens auf der Öko- Habenseite, oder?

 

Doch Weckmann ist eben auch Manager, mit dem Blick für´s Ganze. Und wer ökobewegt ist, für den sind Energie und Nachhaltigkeit seit Jahrzehnten Themen ersten Ranges. Seit 1986 nahm er neben den ökologischen Rohstoffen zunehmend auch die technische Seite in den Blick. Es begann mit einem Blockheizkraftwerk. Dann gab es eine Diplomarbeit zu den Umweltaspekten bei Märkisches Landbrot, die eine wichtige Vorarbeit für das 1995 von der EU geregelte Öko-Audit – EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) war: Märkisches Landbrot war als Modell an dessen Entwicklung beteiligt und wurde 1995 als erstes Unternehmen der Lebensmittelbranche in Europa zertifiziert. Seitdem ist ein umfassendes Umweltmanagement Bestandteil der Geschäfte. Bereits auf dem Weg dahin, 1994, konnte der Umzug innerhalb Berlins dazu genutzt werden, um hinsichtlich der Umweltverträglichkeit einen Schritt weiter zu kommen: Auslagerung und Modernisierung des Fuhrparks, gemeinsame Infrastruktur mit den übrigen Nutzern des Geländes, Terra Naturkost (Großhandel) und der Vollkornkonditorei Tillmanns, und viele große und kleine Umwelt-Maßnahmen.

Umweltbilanz – wie geht das?

„Man muss es wollen”, und es darf auch was kosten”, meint Joachim Weckmann zum Aufwand einer Ökobilanz. Erst war die Ökobilanz auf Mitarbeiter gestützt, die das Unternehmen begleitende Projekte fütterten, doch es erwies sich rasch als sinnvoll, das richtig auf die Füße zu stellen. Seit einem guten Jahrzehnt ist Christoph Deinert mit seinem Büro dafür zuständig, sozusagen als Haus-und Hof-Ingenieur und Umweltbeauftragter des Betriebes. Denn es geht oftmals auch um Verbesserungen in Abläufen und Technik: Ökologie und betriebliche Effizienz gehen ineinander über. Grundlage der Ökobilanz sind ohnehin die betrieblichen Daten aus der Buchhaltung, vor allem Kosten für Strom und Wasser.

Drei Prinzipien leiten die Bilanzierung: Nur so genau machen wie vom Aufwand her vertretbar. Schätzungen sind besser als gar keine Daten. Ohne Dokumentation über das Vorgehen sind die Daten wertlos (z. B. Faustformeln, Zeit, etc.). Zusätzlich zu den vorliegenden Zahlen installiert Christoph Deinert hier und da Zähler an einzelnen Verbrauchern, z. B. Öfen. Die Rechnungsbelege aus der Buchhaltung werden hinzugezogen, weil Zähler zu 10% ungenau messen. Jährlich wird so auf Basis aller Daten eine Umweltbilanz erstellt, werden Kenndaten dokumentiert und analysiert. Daraus leitet das Unternehmen – Geschäftsführung und der aus Mitarbeitern bestehende Umweltausschuss – Maßnahmen ab bzw. geht mit geschärfter Aufmerksamkeit ins betriebsinterne Audit. Der monatliche Check deckt auch auf, ob etwas aus dem Ruder läuft. Eine Ökobilanz wird jährlich veröffentlicht, alle drei Jahre entsteht daraus die Umwelterklärung, die Erreichtes dokumentiert und Ziele beschreibt.

 

Permanenter Umweltcheck: spart auch Geld

Bereits in den Firmenzielen wird der ökologische Anspruch formuliert und über geeignete Managementinstrumente innerbetrieblich umgesetzt: Das sind vor allem Pläne und Checklisten zu Maßnahmen, Wartung und Instandhaltung, zur Hygiene, und umfasst Schulungen der Mitarbeiter sowie das eigentliche Ökoaudit im viermonatlichen Turnus. Mit Hilfe einer Umweltkostenrechung wird aufgezeigt, wie umweltrelevant Entscheidungen sind bzw. wird Handlungsbedarf festgestellt, konkret bezifferbar. Nicht zum Schaden der Bäckerei, die so auch ihre Produktivität steigert: zwei Fliegen mit einer Klappe. Auch der positive Effekt für die Umwelt kann so gemessen werden: z. B. führten 1998 die 17% Mehraufwendungen, die Märkisches Landbrot für Umweltzwecke, von der Demeter-Ware bis zu den technischen Maßnahmen ausgibt, zu einem Nettoeffekt für die Umwelt von 39.000 €, negative Umwelteffekte sind da schon abgezogen. Jedes Brot macht für 22 Cent die Umwelt heil. Für den auch spirituell denkenden Chef, der deswegen bei Demeter ist, weil er aus dem besten Getreide das Beste machen will, eine echte Freude.

 

Beim Umzug war das Gebäude gleich neu gedämmt und isolierverglast worden, auch die Dächer wurden einbezogen, inzwischen begrünt. Sehr effektiv beim Energiesparen, doch lässt sich die Abwärme, die jetzt drin bleibt, vielleicht auch nutzen? Eine solche Frage taucht nur auf, wenn man regelmäßig Effizienz prüft. Für die Büros ist die Wärme kaum verwendbar. Zwar beginnt der Betrieb frühmorgens vor fünf mit dem Mahlen, aber bis der Teig gegangen und die Brote fertig zum Backen sind, ist es später Nachmittag. Dann wird die Abwärme der Backstube abgesaugt, gefiltert und für das temperierte Lager genutzt. Bei 25 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit bleibt so das Brot frisch.

 

Apropos Filter. Natürlich gehört auch die Staubentlastung zum Umweltkonzept, für gesunde Arbeitsplätze und Explosionsschutz. An jedem Kneter filtert eine Ansaugvorrichtung die Luft. Und Lärmschutz: Die Ökodaten für die Geschäftsführung umfassen auch den Krankenstand – gesunde Arbeitsplätze sind ein Anliegen. Bei allen Baumaßnahmen wird auf umweltverträgliche Baustoffe und Materialien geachtet, sogar die Kabelumantelungen sind halogenfrei. Auch die Minderung und Entsorgung von Abfall und Abwasser wird betrachtet, ein Fettabscheider ist eingebaut.

 

Schritte zur Energieeffizienz

Die meiste Energie geht beim Einheizen der Öfen drauf. Daher kommen Thermo-Rollöfen – man kann das Brot auf Tablettwagen hinein rollen, zum Einsatz. Sie nutzen die Energie durch gute Verteilung effizient, der Wärmeleiter ist Öl, zentral im Kessel auf 300 Grad erhitzt. Eine Wärmerückgewinnung nutzt die Abgaswärme für die Warmwasserbereitung. Aktuell überlegen Weckmann und sein Energieberater Deinert den Ausstieg aus der Ölbefeuerung mit Holzpellets oder Rapsöl. Der Feinstaub aus der Pelletverfeuerung kann gefiltert werden und Märkisches Landbrot wäre 100% CO2 neutral. Aber ist es sinnvoll, Ackerflächen für Brennstoff zu nutzen, in Konkurrenz zur Lebensmittelerzeugung zu treten?

 

Um den CO2 -Ausstoß zu senken, hat die Bäckerei nur vier Stellschrauben: Strom Heizöl, Transporte – immerhin ein Drittel des Energieaufwandes und die Autos der Mitarbeiter. Zwar sind die Berliner mit ihren Bemühungen sehr erfolgreich: Seit 1994 ist die Emissionsquote (kg CO2 je kg Brot) um 45% runter von 33 auf 18 durch Verzicht auf die Herstellung von Crunchy und den ausschließlichen Einsatz von Ökostrom. Doch 0,18 kg CO2 sind nicht Null.

 

Daher auch die Bemühungen, die klimawirksamen Emissionen der Mitarbeiter zu senken. Ein Zertifikat gibt es als Anreiz, doch ist der Zuspruch zum Biodiesel verhalten, was ist mit der Motorgarantie? So kam es zur Idee, den Ausstoß der PKW und Lieferwagen zu kompensieren. Märkisches Landbrot beteiligt sich im Umfang dieser CO2 Emissionen an der Aufforstung von 10 ha Drachenbaum-Urwald in Madagaskar. Einheimische Beschäftigte und einheimisches Pflanzgut, das Projekt hat einen doppelten Nutzen – etwas worauf Joachim Weckmann gerne achtet. Start war 2006, im Frühjahr 2007 besuchte die Gattin des madegassischen Präsidenten das Unternehmen in Berlin. Inzwischen sind solche freiwilligen CO2- Kompensationen im Rahmen der Klimadiskussion verbreitet. Mit Demeter-Brandenburg wird ab Herbst eine ähnliche Aktion starten: Apfelbäume werden gepflanzt, ebenfalls Mehrfachnutzen. Auch die Kunden wurden motiviert: mit einem CO2 Rechner auf der Unternehmenswebsite.

 

Baustein zur Unternehmensentwicklung

Die regelmäßige Bilanzierung offenbart auch unrentable Maßnahmen. So konnte das Blockheizkraftwerk nicht richtig genutzt werden, es wurde an einen Demeter-Hof verkauft. Aus Chile importierte Module zu Solardestillation von Regenwassser für die Dampferzeugung wurden vom Regen zerfressen. Auch die solarthermische Anlage hat sich nicht gerechnet. Durch die Beratung und durch die Einbindung der Mitarbeiter kommen viele Maßnahmen auf den Tisch, die zur Effizienz beitragen: Schnelllauftore schließen rasch und mindern Wärmeverluste, Thermoölkessel geben keine Abwärme mehr ab, eine Scheibe zur Backstube gewährt Einblick für Besucher. Durch das stete Spiel zwischen Monitoring und Maßnahmen steht die Bäckerei ganz vorne. Die fortgeschriebene öffentliche Umwelterklärung sieht für 2007 nicht mehr viel vor: Reduzieren der Emissionen im Lieferverkehr. Aber wie im letzen Jahr, als der Ölverbrauch stieg, tauchen sicher neue Fragen auf. Z. B. die Photovoltaikanlage von derzeit 7 auf 21 kW Leistung erweitern.

 

Eine Ökobilanz richtig lesen – das gibt auch Anregungen zur Firmenstrategie: so bleibt es sinnvoll für die Bäckerei, sich weiter auf´s Brot zu konzentrieren und hier mit Technik, Management und Neuerungen dranzubleiben. Man muss ja nicht alles selbst machen. Seit 2005 gibt es ein externes Hygieneaudit, durchgeführt vom Büro für Lebensmittelkunde & Qualität, Dr. Beck. Auch die Wasserversorgung wurde neu angegangen, Brot besteht zu 40% aus Wasser. Zusätzlich zur bestehenden Wasserbelebungsanlage wurde 2006 ein eigener Brunnen gebohrt – frisches Grundwasser steht nun zur Verfügung und hebt die Qualität noch einmal. Als nächstes steht der Anschluss einer Anlage für die dreistufige Führung von Sauerteig an.

 

Einblick bis zur Rührschüssel

„Als reine Lieferbäckerei müssen wir uns die Berechtigung regelmäßig erarbeiten”, Joachim Weckmann hat bei allem praktizierten Ökoanspruch auch einen klaren Realismus. Den braucht man, wenn man mit einem günstigen Preis- Leistungsverhältnis wie alle anderen punkten muss. Daher ist das Profil beim Kunden für den Kauf entscheidend. Neben der „Pflicht”, Topqualität zum günstigen Preis, wird daher zunehmend die „Kür” wichtig. Der Marktführer setzt daher auf Kommunikation. Nicht nur, dass die Läden mit Materialien rund ums Brot ausgestattet werden, mit Postern, Flyern oder der Durchwahlliste in der Bäckerei, es gibt Ansprechendes für die Endkunden wie das monatliche Kundeninfo, Karten, die Brotfibel und zwei weitere Bücher mit Geschichten zum Brot. Und einen so ausführlichen Internetauftritt, dass man den Eindruck gewinnt, die Firma hätte ihr internes Netz veröffentlicht. Ob Infos, Veranstaltungen, Daten zur Ökobilanz oder zum Marketing oder Managementreview, Märkisches Landbrot ermöglicht ein Höchstmaß an Transparenz. Genau erfährt der Kunde da, was in welchem Brot drin ist oder dass ein geringer Zusatz von gemahlenem Restbrot das Brot frisch hält. Der Chef persönlich schreibt ein Internettagebuch, einen sogenannten Weblog. Weckmann will sich am Anspruch messen lassen: „Nehmen Sie uns beim Wort” lautet ein Motto der Bäckerei.

Verantwortung übernehmen

Das ist bei Märkisches Landbrot absolut glaubwürdig, denn sie machen es sich nicht einfach. Zwar konzentriert sich die Bäckerei auf ihre traditionelle Kernkompetenz, das Brot, was der Öko- und Umwelteffizienz entgegenkommt. Doch statt Sahnestückchen aus der Backstube präsentiert Weckmann lieber Projekte, die auch anderen nutzen, lokal wie anderswo. In Pankow wurde an eine Initiative angeknüpft und eine historische Bäckerei wieder eingerichtet – zwei Mitarbeiter backen jetzt hier Holzofenbrot. Ob Teilnahme an Stadtteilfesten oder Ladeneröffnungen mit dem mobilen Holzbackofen, oder an der Grünen Woche, ob Kunst in der Backstube für die Arbeitsstimmung oder die monatlich ein Dutzend Betriebsbesichtigungen von Kindergärten, Schulen, Fachbesucher, Umweltinitiativen, Märkisches Landbrot ist präsent und schafft Beziehungen.

 

Auch das steht in den Firmenzielen – solidarisch und effizient, beziehungsreich und transparent. Weckmann ist sich sicher, dass Ethikmanagement und immer wichtiger wird: Diese „Corporate social responsibility” reicht auch schonmal bis nach Niger, wo in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation Eirene mit der Aktion Hirsekorb in Verkaufstellen Bauern in Trockengebieten unterstützt wurden. Die Bäckerei setzt das jetzt fort und finanziert eine 18monatige Öko-Beratung durch einen einheimischen Berater. Oder die Unterstützung eines tibetischen Paares, das in seiner Heimat eine Biobäckerei aufziehen will. Und manchmal entstehen daraus Anregungen wie Hirsebrot oder der Versuchsanbau von Teff, einem äthiopischen Getreide. Zahlreiche Kooperationen wie die mit der FH Eberswalde, der Fördergemeinschaft ökologischer Landbau Brandenburg, Aktion BioBrotbox kommen dazu. Management heißt für den locker wirkenden Chef auch: Leute zusammenbringen, Mehrfachnutzen schaffen, idealistisch wie ökonomisch. Seine zurückhaltend-ruhige, freundliche Art ist da genau richtig.

 

Menschen zusammen bringen

Zusammen bringt er auch seine Lieferanten, die Demeter-Bauern aus Brandenburg – einer aus Sachsen ist auch dabei. Am runden Tisch werden Ernte, Qualitäten und Preise besprochen, Lieferungen vereinbart. Jeder Kunde kann das Gesicht der Landwirte kennen, auf einem Poster und im Internet werden sie vorgestellt. Auch Kundenbedürfnisse und Angebot sind zusammenzubringen. Das „Brot des Monats” als regelmäßige Neuerung ist da ein praktisches Mittel, angeregt durch Kunden oder Mitarbeiter. Neuerungen wie Essener Brot begleitet die Bäckerei mit eigener Keimherstellung – stete Produktentwicklung gehört dazu, wenn man vorne bleiben will. So gibt es immer wieder Besonderheiten bei den Getreiden, wie Schwarzer Emmer, Kamut, Lichtkornroggen und auch bei den Zutaten wird Märkisches Landbrot aktiv: Aktuell baut ein Landwirt 5 ha Schälsonnenblumen in Brandenburg an, damit die Einfuhr vermindert werden kann.

 

Gut zu wissen: Die tun was. Dann schmeckt das Brot doppelt so lecker. In den Worten der Bäckerei: Es gibt immer einen Anfang für das Bessere.

 

Unternehmenssteckbrief

  • 35 Mitarbeiter, davon 4 Bäckermeister; Geschäftsführer Joachim Weckmann

  • Verarbeitung von 1200 Tonnen Getreide jährlich, 90% selbst vermahlen,

  • 6000 Brote am Tag, Jahresumsatz 5 Mio.

  • Reiner Bio-Bäcker, Demeter-Anteil beim Getreide fast 100%

  • Produktpalette: 33 Sorten Brot (90% Vollkorn, Backferment, Sauerteig, Hefe) und ca. 30 Brötchen, darunter Spezialitäten (alte Sorten wie Emmer, Kamut, und Neuzüchtungen wie Lichtkornroggen, Früchte- und Schwarzbrot ) im Vertrieb auch Müsli, Crunchy (bioland)

  • Vertrieb: reine Lieferbäckerei (Auslieferung ausgelagert) 50% an Naturkostfachhandel, 30% an Reformhäuser

  • Berliner Umweltpreis 1997, Bundesverdienstkreuz am Band für J. Weckmann 2003

  • CO2 Ausstoß je kg Brot: 0,18 kg

  • Regionalität: 75% aus der Region

  • Märkisches Landbrot, Bergiusstr. 36, 12057 Berlin, 030-67 39 120