Portrait

Dammkultur: Qualität vom Boden an

Jens, Sven und Werner Weißenbach häufeln ihr Gemüse

von Michael Olbrich-Majer

 

"Was rennst und mühst Du Dich, zu mehren Deine Tat? Halt nur den Acker rein, dann sprießt von selbst die Saat". An der Küchenwand hängt dieser Bauernspruch wie ein Leitmotiv für Werner Weißenbach. Qualität und Boden – das ist sein Thema. So hat er sich vom Ackerbauern mit Schweinen zum Boden pflegenden Gemüsebauern entwickelt und den Boden nicht gepflügt, sondern gehäufelt. Inzwischen sind die Söhne Jens und Sven in seine Fußstapfen getreten. Auch sie setzen auf Qualität vom Boden her: Für das Gemüse schwören sie auf Dammkultur.

 

Dammkultur

Bis in den 70er Jahren in Spanien verbreitet, gab es im Ökolandbau immer wieder mal Ansätze dazu, ob von Kemmink oder von Weichel. Weiterentwickelt wurde die südliche Variante von dem deutschspanischen Biodynamiker Julian Turiel in den 90er Jahren. Seit einigen Jahren ist das System serienreif und umfasst nicht nur Häufelkörper und Zinken, sondern auch verschiedene Schleppen, Unterschneider, Striegel und ermöglicht zwei Dammabstände: 90 cm und 45 cm. Die Arbeitsbreite der Geräte reicht bis 7,20 m, Standard sind 3,60 m. Die Anwendung bedarf einer intensiven Einweisung, kommt es doch auf die richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt an. Die bietet Turiel zusammen mit dem Bodenforscher Dr. Gotthard Stielow an. Ein Dammkulturgerät baut inzwischen auch die Firma Frost Maschinenbau. Mehr zur Dammkultur unter www.haeufelpflug.de, bzw. www.frost-maschinenbau.de, bzw. im Herbst in Lebendige Erde.

 

Stimmt der Boden, stimmt der Rest

Nach der landwirtschaftlichen Ausbildung und einer Zeit als Verwalter auf verschiedenen Betrieben heiratete Werner Weißenbach auf den Knollmannshof ein. Die Geschichte des in der Nähe von Bielefeld liegende Gehöfts reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. 1969 wurde er dem Paar überschrieben, 1976 stellten Werner und Inge Weißenbach den auf Ackerbau und Eberzucht eingerichteten Betrieb um: gesündere Lebensmittel waren das Ziel. Der Landwirt wurde ANOG- Mitglied, da konnte man damals noch Distelnester rausspritzen. Doch irgendwann merkte er: das brauche ich nicht und wechselte 1986 zu Demeter. Feldfrüchte und etwas Gemüse, ein paar Mastrinder und Schweine, das waren die Schwerpunkte. Inge Weißenbach baute derweil den Hofladen auf. In dieser Zeit begann Weißenbach, mit dem Kemmink-Verfahren seine Böden zu bearbeiten. Ihm war klar: Gute Lebensmittel brauchen einen vernünftigen Boden. Um den wollte er sich kümmern.

 

Kemmink und weiter

Wer erinnert sich noch? Das Kemmink-System zur Bodenbearbeitung, benannt nach seinem Erfinder, sorgte in den 80er Jahren in der Ökolandbauszene für Diskussionen: nicht nur, dass es keinen Pflug mehr geben sollte, nein jetzt sollte der Boden mit speziell entwickelten Zinken regelmäßig gehäufelt, gelockert und gestriegelt werden. Zweifel an der Praktikabilität waren sofort da, auch wenn einige Betriebe das erfolgreich anzuwenden wussten. Und die Frage nach dem Humus: Wird der nicht rasch abgebaut, verheizt, wenn man den Boden so oft bearbeitet? Zeitaufwendig sowieso, ermöglichte dies Verfahren zudem nur eine geringe Flächenleistung. Werner Weißenbach verabschiedete sich nach einigen Jahren von Kemmink, zu dominant die Person, zu starr die Anweisungen. Das Häufeln behielt er aber bei, fürs Gemüse.

 

Ran ans Gemüse: Einstieg der Söhne

Ein neuer Kurs kam mit den Söhnen. Die waren eigentlich gar nicht auf Landwirtschaft aus, lernten Werkzeugmacher und Automechaniker. Jens und Sven, die zwei jüngeren Weißenbachs, entschieden sich aber dafür, ihre eigenen Herren zu sein – die Freiheit des Landwirts und Unternehmers lockte. Und das Vorbild der Eltern. So kamen noch eine Ausbildung als Gärtner bzw. als Landwirt dazu. Die Gebäude boten genug Platz, aber wie entwickelt man einen eher kleinen Gemischtbetrieb so, dass drei Familien davon leben können? Zupacht? Hier in der Region kaum möglich. Die betriebliche Erfahrung und die Nachfrage am Biomarkt legten Gemüse nahe. So stiegen die Brüder langsam in den Betrieb ein, zunächst als Angestellte. Mit der Zeit bauten sie den Umfang und die Zahl der kultivierten Gemüse aus, in enger Absprache mit dem Großhandel. Bislang sind das 16 verschiedene Gemüse auf fast der Hälfte der Betriebsfläche. Auch die Vermarktung muss entsprechend ausgebaut werden. Neben einem größeren Kühllager hat sich so ein Arbeitsfeld für die Frauen ergeben: Abokisten und Hofladen. "Wir wollen keinen aus dem Markt drängen, sondern über Qualität einsteigen", so beschreibt Weißenbach senior das wachsende Engagement des Hofes im Gemüsebereich.

 

Seit Jahresbeginn ist der Hof komplett übergeben. Der Senior ist "nur" noch Fahrer: an drei Vormittagen in der Woche bringt er die Gemüsekisten zu den aktuell 80 Kunden in der Region. Und natürlich ist er Ratgeber – aber nur, wenn er gefragt wird. Dass es damals, als er und seine Frau den Hof übernahmen so reibungslos geklappt hat, ist ihm ein Vorbild. Dabei sah es zwischendrin ganz anders aus, Werner und Inge Weißenbach waren schon drauf und dran zu verkaufen, weil keine Nachfolge in Sicht war.

 

Qualität vor Ertrag

Nach diesem Motto setzen die Weißenbachs ihre Prioritäten, ob anbautechnisch, bei Sorten oder in der Vermarktung. Nur erstklassige Ware kommt in die Kisten, sie sortieren scharf und bestücken sie so, als ob sie sie selbst kaufen wollten. Das Auge isst bzw. kauft mit. Das ist natürlich nicht alles. Die biologisch-dynamische Bewirtschaftung und die Bodenbearbeitung mit Dämmen tragen wesentlich dazu bei. Geschmack statt Menge ist die Richtung. Auch deshalb hat der Hof Tierhaltung, tierischer Dung ist das Beste für den Boden. Für die reine Stickstoffversorgung wären die zehn Rinder und 60 Schweine nicht erforderlich. Die Kunden honorieren Qualität, wenn sie den Unterschieds schmecken und auch der Handel hat mehr davon: das Gemüse der Weißenbachs hält lange. So erzielt der Hof auch Bonuszahlungen beim Großhandel.

 

Die Fruchtfolge ist variabel, Kleegras vor den Starkzehrern Blumenkohl und Brokkoli sowie Getreide vor Gemüse sind die Konstanten. "Bei pflugloser Bearbeitung ist die Fruchtfolge nicht das Problem", so die Erfahrung von Werner Weißenbach. In diesem Jahr sind auch Erbsen mit Leindotter dabei. Das Getreide geht teils an die Schweine, teils zur Demeter-Erzeugergemeinschaft, teils an den mit dem Hof kooperierenden Bäcker. Über das Kleegras geht im ersten Jahr ein Wanderschäfer, der seine Tiere hier pfercht – zusätzliche Düngung und Verwertung. Der Mist aus den Ställen wird erdig kompostiert und mit einem Orbitalstreuer relativ fein ausgebracht.

 

Dammkultur muss man lernen

Vier bis fünf Arbeitsgänge sind nötig, bevor Ruhe am Damm einkehrt. Lieber weite Abstände und wenig Handarbeit, als zu dicht gesät und dann viel zu jäten, das ist die Devise der drei vom Knollmannshof und sie geht auf. Zudem halten Dämme die Feuchte länger, besonders gut für Wurzelgemüse. Aber auch der frisch gepflanzte Lauch profitiert davon. Trotz Wetterschwankungen fallen die Ernten gleichmäßig gut aus. Schnecken scheinen die Dämme zu meiden. Die Dämme erwärmen sich im Frühjahr rascher, sicher auch anderswo, auf schweren Böden, ein Vorteil.

 

Das "langsamere" Vorgängermodell des Häufelpflugs nutzen sie noch zum Pastinaken lockern, für den Rest haben die beiden Jungbauern im letzten Jahr die verbesserte, mehr systemische Variante angeschafft. Es ersetzt ihnen Pflug und Kreiselegge, wie Sven beschreibt. Neben verschiedenen Häufelzinken und Anbaumöglichkeiten gibt es eine Dammwalze, Häufelkörper sowie eine Rohr- und eine Kettenschleppe. Alles relativ einfache Mechanik, rasch austauschbar, viele Varianten. Die Kunst aber besteht darin, das richtige Werkzeug zum richtigen Zeitpunkt passend eingestellt anzuwenden. Das muss man üben, lernen ein Gefühl dafür bekommen und vorher nachdenken. Ohne genaue Beobachtung geht das nicht. Und nicht ohne Geduld: "Nicht zu früh. Nicht zu nass" ist die Devise. Bodenaufbau geht vor sauberem Acker.

Dämme ziehen und die Spitze mit der Rundschleppe zum Trapez glätten – so sieht der letzte Schritt vor dem Pflanzen aus. Es geht weiter mit Häufeln, leicht Abschleppen, vielleicht auch mal mit dem walzenartigen Kettenkrümler drüber. Einen Unterschneider und eine spezielle Drillmaschine haben sie sich nicht gekauft. Getreide, bauen die Weißenbachs nicht auf Dämmen, nur die Bodenlockerung erfolgt häufig mit vorgezogenen Häufelgängen. Ansonsten wird gegrubbert und auf 18 cm Reihenabstand – zum Hacken – gesät, dann gestriegelt und Untersaat hinein. Der Dinkel wird seit zehn Jahren selbst nachgebaut.

 

Bessere Qualität durch mehr Humus?

Neben dem Hofgut Rengoldshausen, dem Dottenfelderhof und dem Versuchsgut der Uni Kassel-Witzenhausen ist der Knollmanshof ein Pionier in Sachen Dammkultur. So fand im Mai wieder einmal eine Vorführung für die Berufskollegen statt, bei der auch der Entwickler Julian Turiel Auskunft gab. Vielleicht lohnt auch ein Blick in den Landwirtschaftlichen Kurs Rudolf Steiners: "Sie werden es leichter haben, gewöhnliche Erde ... fruchtbar zu durchdringen mit humusartiger Substanz, wenn Sie Erdhügel aufrichten ..."

 

Der Humusgehalt ist seit der Umstellung um mehr als die Hälfte gestiegen, von 2% auf 3%. Dadurch wird auch Kohlendioxid gebunden, ein positiver Beitrag zum Klimaschutz. Immerhin sind 1% Humusaufbau in 20 Jahren aufs Jahr gerechnet ca. 2,5 t C je Hektar bzw. ca. 5 t CO2, die gebunden wurden. Im Betrieb mit seinen rund 50 ha entspricht das umgerechnet knapp 250 Tonnen CO2 pro Jahr, 5000 t CO2 insgesamt über die Zeit. Das ist nur der Humusaufbau, die ökologische Wirtschaftsweise ist je Hektar zusätzlich noch doppelt so energieeffizient wie konventioneller Landbau, stößt also auch weniger CO2 aus. Im Vergleich: ein Jahr lang ein Einfamilienhaus mit Gas heizen, macht ca. 5 t CO2 aus.

 

Vermarktung: Möglichst direkt

Für den täglich außer montags geöffneten Hofladen ist Kerstin Oberkramer, Fleischfachverkäuferin, eingestellt. Der Laden wurde von Weißenbachs nach und nach ausgebaut, auf heute gut 120 qm und ist ein von der Landwirtschaft eigenständiges Gewerbe. Neben Gemüse, einer Theke für Milchprodukte und einer Frisch-Fleischtheke, gibt es Brot und ein ausgewähltes und locker arrangiertes Sortiment von Müsli, Tee, Kosmetik, bis Wein. Service gehört mit dazu, ob präpariertes Grillfleisch in der Saison oder eine Weinprobe mit Demeter-Winzer, der Bäcker verkauft samstags selbst Kuchen und gibt auch mal einen Kochkurs: "Kochen mit Jochen". So ist erstens was los rund um den Laden und zweitens haben die Kunden authentische Gegenüber. Denn es ist wichtig für die Kundschaft – so Weißenbach senior, dass "der Bauer" oder "die Bäuerin" zu sprechen ist. Wer den Hof macht, kann besser überzeugen.

 

Die zwei jungen Familien setzen beim Verkauf vor allem auf die Direktvermarktung. Die soll ausgebaut werden. Die Großstadt Bielefeld, aber auch andere Städte der Region bieten für Abokisten reichlich Potenzial, seit letztem Herbst bietet der Knollmannshof eine solche an. Die Schwiegertöchter Wendy und Vicky machen den Bestellservice, Jens und Sven packen. Auch über das Internet kann man bestellen, die Kisten gibt es in verschiedenen Größen und Varianten plus Trockensortiment und Käse. Ein Teil des Gemüses geht in enger Absprache an den regionalen Großhandel, Naturkost Elkershausen, Naturkost West und Weiling.

 

Biodynamisch denken und Präparate nutzen

"Wir arbeiten nicht gegen, sondern mit der Natur: Im Unterschied zu einigen organischen Kollegen, die gerne ausreizen, was biologisch geht, hat für die Weißenbachs Qualität Vorrang. Denken in der Kategorie Bekämpfung oder Pflanzenversorgung passt da nicht: "Wenn der Boden in Ordnung ist, reguliert sich das meiste." Und statt Blumenkohl mit organischen Zukaufdünger hochzupäppeln, lassen sie ihn einfach 10 bis 14 Tage länger auf dem Feld. So stören bei der Ernte auch nicht die zahlreichen kräftigen Blätter, die sich bei zuviel Stickstoff entwickeln. Die Pflanzkartoffeln werden in Kanne-Brottrunk getaucht, um Pilzerkrankungen vorzubeugen. Und Kartoffelkäfer hält Weißenbach mit einer dreimaligen Hornmistspritzung, abends an Wurzeltagen, fern. Denn so ist der Boden im Gleichgewicht und die Pflanzen locken auch keine Läuse an. Rühren ist noch Aufgabe des Seniors, der wieder auf Handrühren umgestiegen ist, im Kupferfass. Ausgebracht wird eine reduzierte Menge, mittels einer durch einen Scheibenwischermotor angetrieben Pumpe und speziellen Düsen. Die Arbeiten des Instituts für Biologisch-dynamische Forschung zusammen mit dem Michaelshof, die u.a. auch den Bildkräfteaspekt einbezieht, haben ihn davon überzeugt. Hornmist versetzt er nach dem Beispiel des Franzosen Piere Masson mit Kompostpräparaten, um Rotte und Konsistenz des Präparats zu verbessern. Kiesel schafft er in der Regel pro Gemüsesatz nur einmal.

 

Künftig steht für die Weißenbachs wohl weiter die Betriebsentwicklung im Vordergrund: vielleicht über Glas- oder Folienhäuser nachdenken und auf jeden Fall das Gemüselager ausbauen. Damit die Qualität auch weiter Spitze bleibt.

 

Betriebsspiegel Knollmannshof

  • Fläche: 52,5 ha, davon 2 ha Weide, 3 ha Wald, 25 ha Feldgemüse inkl. Kartoffeln, 14 ha Getreide (10 mit Untersaat), 8,5 ha Kleegras.

  • 16 Gemüse, viele Sorten Kohl, Zwiebel, Porree, Kümmelsamen

  • 100 m ü. NN, im Jahresdurchschnitt 8 Grad, 750 mm Jahresniederschlag, sandiger Lehm mit 63 Bodenpunkten.

  • im Schnitt 10 Mastrinder im Offenstall, und 60 Mastschweine

  • Vermarktung: Hofladen, Gemüsekisten, Naturkostgroßhandel, Internet

  • Arbeitskräfte: 2 Betriebsleiter, 2 Praktikanten, ca. 10 Erntehelfer im Sommer, Teilzeitkraft im Hofladen und Vater für Lieferfahrten

  • Besonderheiten: Dammkultur

Demeter-Hof und Hofladen Knollmannshof GbR, Jens und Sven Weißenbach

Fritz-Niewald-Weg, 32107 Bad Salzuflen-Aspe

Tel: 05222-963720, http://www.hofladen-weissenbach.de