Portrait

Gesund investieren – alternativ finanzieren

Demeter-Gärtner Thomas Sannmann hat dazu Genussscheine erprobt

Von Michael Olbrich-Majer

 

Draußen Frost, auf den Feldern Schnee, der Weiher gefroren – aber Demeter-Gärtner Thomas Sannmann reicht mir seine ersten Radieschen. Ansehnlich, rot und aromatisch, trotz schattigem März, aus dem Warmhaus. Der Kontrast ist schon erheblich: Ein Gewächs­hausschiff weiter blühen bereits die ersten Tomaten, während der Frühling Ende März immer noch Sonderurlaub macht. Alles tipptopp organisiert hier, die Gärtnerei verkauft schon kistenweise Schnittlauch, Kräuter und die ersten Wildsalatspezialitäten wie Mizuna oder rotstieligen Löwenzahn.

 

Die Gärtnerei Sannmann vor den Toren Hamburgs ist kein kleiner Krauter, sondern auf der Höhe der Zeit: Herren der Tunnel, so könnte man Thomas Sannmann und seinen Anbauleiter Markus Walkusch-Eylandt auch nennen. Denn sie bewirtschaften 22 Folientunnel auf 2 ha, dazu noch 1,5 ha Glashäuser und 12 ha Freilandgemüse. Was bewegt eine so professionelle biodynamische Gärtnerei, sich Investitionsmittel nicht bei der Bank, sondern bei den Kunden zu besorgen? Investiert werden muss ja fast jedes Jahr, 2008 war zum Beispiel dann doch eine Drainage im Freiland fällig. Schauen wir uns das näher an:

Gemüsebau seit Generationen

Bereits Thomas Sannmanns Vorfahren waren Gemüsebauern, seit 1780. Sein Großvater schipperte die Ernte noch mit dem Kahn bei Ebbe zum Großmarkt in die Innenstadt Hamburgs. Sannmanns Gärtnerei liegt im traditionellen Hamburger Gemüseanbaugebiet, Ochsenwerder, Teil der Vier- und Marschlande südöstlich der Stadt, eingedeicht zwischen Armen der Elbe. Aus den fünf Hektar, mit denen der Gärtnermeister den Betrieb 1992 umstellte, sind heute 50 geworden, allerdings ist die Hälfte davon Weide fürs Rindvieh. Zwischen fünf Glashäusern und 22 Folientunneln bewegen sich die Gärtner und Mitarbeiter mit dem Fahrrad, um Kräuter, Früh- und schutzbedürftiges Gemüse anzubauen, oder einen Teil der Jungpflanzen nachzuziehen. Mit dieser Fläche an geschütztem Anbau könnte man meinen, die Gärtnerei sei Tomatenspezialist: Immerhin 70 Tonnen pro Jahr können von den neun gepflanzten Sorten geerntet werden. Mit dabei ist eine lokale Rarität, die Vierländer Platte, deren Erhaltungszucht Sannmann durchführt.

 

Doch ist das Spektrum der Gärtnerei breit: Tomaten sind Saisongeschäft, und der Chef bemüht sich, möglichst das ganze Jahr über etwas im Angebot zu haben. Von Kräutern über Winter, frühen Salaten zwischen Feldsalat und dem ersten Kopfsalat, oder Kürbis im späten Herbst: ca. 40 Kulturen werden von den mehr als dreißig Mitarbeitern, Lehrlingen, Aushilfen und Saisonarbeitern gepflegt. Die Flächen, fast alles Pacht, liegen rund um die Gärtnerei, bis auf sieben Hektar, die Sannmann neu hinzugenommen hat – u. a. für Kürbis. Vermarktet wird an den Biogroßhandel und die an den Hof angeschlossene Abokiste, die Sannmanns Ex-Frau Monika als von der Gärtnerei unabhängiges Unternehmen führt.

 

Der Gärtnermeister und Inhaber hat erst vor kurzem den Betrieb neu in eigenständig arbeitende Bereiche gegliedert, die von leitenden Mitarbeitern eigenverantwortlich geführt werden. Dieser Neugriff war nach Jahren des munteren aber wenig strukturierten Wachstums nötig geworden. Etwas anders als erwartet, folgt nun die Verantwortung den Kulturarten, so könnte man das Prinzip beschreiben: Kräuteranbau und Aufbereitung, Fruchtgemüse und feine Salate, Kochgemüse und Kopfsalate, sowie Feingemüse teilen sich nun als Bereiche mit Leiter und Mitarbeitern die Flächen nach Maßgabe der Anbauplanung, die ebenfalls einer der Bereiche, zuständig für Anbau, Boden, Kalkulation ist. Auch Verkauf, Lager, und Büro sind eigene Bereiche. So können die Mitarbeiter sich mit ihrem ganzen Potenzial einbringen. Für Thomas Sannmann ist es eine Entlastung, denn „am Schluss war ich überall gleichzeitig“, und es bedeutet eine Optimierung im Sinne der Kulturführung. Er selbst kümmert sich jetzt im Schwerpunkt um Papierkram, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit und Entwicklung des Unternehmens. „Einer muss sich den Blick fürs Ganze leisten“. Dazu hat er sich Beratung geholt. Die Anregung dazu bekam der Unternehmer aus einem anthroposophischen Arbeitskreis. Das Coaching geht auch weiter. Denn Fragen gibt es genug: Sollte die Kompostwirtschaft vom Umfang her ein eigener Bereich werden? Wie lasten wir Häuser und Mitarbeiter im Winter besser aus? Wie geht es weiter mit dem Betrieb? Sannmann ist Mitte fünfzig, da sollte man beginnen, sich darüber Gedanken zu machen, zumal, wenn die Kinder andere Wege gewählt haben. Braucht es für einen solchen Übergang eine andere Eigentumsform, ein anderes Finanzierungsmodell? Einbezug der Kunden?

Ein Testlauf: Investitionen gemeinsam mit Kunden tragen

Wohl vor diesem Hintergrund ist es zu sehen, dass der Betriebsleiter damit anfing, einmal ein anderes Modell der Finanzierung als das durch die Hausbank zu versuchen: Testfeld für die Betriebsentwicklung. Gelegenheit dazu bot sich, als die Gärtnerei vor zwei Jahren einen weiteren Schritt zur Intensivierung der Arbeit mit dem Kompost gehen und eine Komposttee-Anlage erwerben wollte. Die sollte 33.000 Euro kosten, eine überschaubare Summe, etwas Neues zu probieren, zumal Banken bei solch kleineren Beträgen weniger Interesse haben. Die Gärtnerei Sannmann gab Genussscheine aus. Das geht relativ unkompliziert, weil gesetzlich wenig geregelt ist: Laufzeit, Verzinsung und Modalitäten wie Kündigung, Fälligkeit lassen sich betriebsindividuell gestalten und es ist keine Absicherung über das Grundbuch nötig. Das zurzeit niedrige Zinsniveau macht solche betrieblichen, dem Eigenkapital ähnelnden Finanzierungsmittel attraktiv für Anleger, wenn man mit entsprechenden Zinsen wirbt. Anleger erwerben damit Rechte am Betrieb und gehen anteilig mit ins unternehmerische Risiko, aber sie bestimmen, anders als Aktionäre, nicht mit.

 

Für Thomas Sannmann war das eine positive Erfahrung: Die auf dem Hoffest und mittels Flyer beworbene Beteiligungsmöglichkeit im Einzelwert von 500 Euro, für die er wahlweise feste 4 % Geld- bzw. 5 % Naturalverzinsung bot, war rasch gezeichnet; einzelne stiegen mit bis zu 5.000 Euro ein. So legte der Gärtner gleich nach und gab noch einmal 100.000 Euro, ebenfalls in Form von Genussscheinen mit fünfjähriger Laufzeit und gleicher Verzinsung aus. Das ist die zulässige Höchstsumme. Investiert werden musste genug: endlich aus dem Altgebäude und der alten Scheune raus in richtige Räume für Büro, Mitarbeiterküche samt Sanitärräumen, Kräuterbinderaum und Tageskühlraum fürs Gemüse. Davon träumten bereits alle, die da arbeiteten. Und Energiesparschirme für das beheizte Glashaus, Beregnung sowie ein neuer Radlader waren auch drin, alles freudig präsentiert auf der Website.

 

Denn mit der Ausgabe von Genussscheinen hat sich der Betrieb gegenüber seinen Anlegern zur jährlichen Rechenschaft verpflichtet. Dazu lädt der Gärtnermeister seine Investoren einmal im Jahr ein, erläutert und zeigt, was mit deren Geld gemacht wurde. Er hat so investiert, dass die Wirtschaftskraft der Gärtnerei gestärkt wird, denn er muss auch ans Zurückzahlen denken. Immerhin, unter bestimmten Umständen sind die Ausschüttungen als Betriebsausgabe steuerlich abzugsfähig

 

Für die Genussscheine bis 100.000 Euro ist zwar kein aufwändiger zu genehmigender Prospekt wie z. B. für Aktien erforderlich, doch empfiehlt sich, zur Formulierung des Beteiligungsangebots Steuerberater und einen kundigen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Sannmann hatte einen Textbaustein verwendet, der zwischenzeitlich durch Gesetzesänderung veraltet war und wurde dafür von der Bafin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, gerügt. Thomas Sannmann empfiehlt daher, den Wortlaut immer vom Fachmann prüfen zu lassen, sich ggf. an die Bafin zu wenden.

Kompostkunst für gesunde Böden

Eine Gärtnerei mit Rinderherde? Für Thomas Sannmann gehörte dieser ungewohnte Betriebszweig damals im Rahmen der Umstellung dazu. Seitdem sorgt eine Herde aus zehn Herford x Rotbunten Mutterkühen samt Bulle und Nachzucht nicht nur für Fleischbeilage für die Kunden, sondern primär für besten Mist. Denn geht man mit dem Chef und dem Anbauleiter durch ein Glashaus, wird rasch klar, wenn sie begeistert im Boden wühlend, die gute Anwurzelung der Tomaten prüfen: Die beiden legen höchsten Wert auf einen Top-Bodenzustand. Das geht nur mit sorgfältiger Kompostwirtschaft. Angeregt von Lübkes, den Kompostlehrern in Österreich, wird auf einer 2500 qm befestigten Kompostplatte in gewissenhaft komponierten und geführten Mieten der Grund für die Bodenfruchtbarkeit im Betrieb gelegt. Dazu gehört in einem biodynamischen Betrieb natürlich auch ein Anteil Rindermist. Im tiefen Winter werden keine Mieten aufgesetzt, der Erfolg ist nicht sicher. Auch ein Grund übrigens für die Befestigung: das hoch anstehende Grundwasser ließ die optimale Bearbeitung der Mieten auf dem Acker nicht zu und die Reife gelang nicht.

 

Die Wohltaten des Kompost will Gärtnermeister Sannmann gerne breiter nutzen: So können die Kunden Kompost im Fünf-Kilo-Sack kaufen. Und so kam es zur Idee des Komposttees: Das aus den USA stammende Gerät funktioniert wie ein Whirlpool, sprudelt bei 25 Grad den in die großen Teefilter eingefüllten Kompost 24 Stunden durch und extrahiert so auf aerobe Weise bodenfördernde Mikroorganismen. Der Tee wird, vor allem auf die Jungpflanzen, mit dem Bewässerungssystem verteilt. Dieses ist ein Sprühsystem, das den Boden im Gegensatz zur Tröpfchenbewässerung flächendeckend feucht hält. Insgesamt ist der Kompost sowohl bei der Bodenfruchtbarkeit wie auch für die Pflanzengesundheit ein entscheidendes Betriebsmittel. Das zeigen auch die gestiegenen Humusgehalte – die auch klimaschützendes Binden von CO2 bedeuten.

 

Umgestellt auf Vielfalt und Geschmack

Thomas Sannmann hat Gärtnern von der Pike auf gelernt. Über die gärtnerische Landjugend hatte er viele Betriebe in Deutschland gesehen, auch Bio-Gärtner. Die Familiengründung, das erste Kind, warfen weitere Fragen auf, so dass er beschloss: Ich gehe diesen Weg. Nicht einfach, den Vater, der damals allein Betriebsleiter war, von Bio zu überzeugen. Also experimentierte er mit dem damals so genannten alternativen Anbau auf schrittweise ausgedehnten Flächen, während Vater Willy weiter konventionell wirtschaftete, besuchte den biodynamischen Einführungskurs in Darmstadt, nahm Kontakt zur Demeter im Norden auf, knüpfte Kontakte zum frisch gegründeten (Bio-) Verteilerdienst. 1992 wurde die Gärtnerei dann ganz umgestellt, als GbR von Vater und Sohn. Der Mist kam anfangs mit dem LKW vom Hof Dannwisch, dann ließ Sannmann seine Gründüngung von einem Hobbykuhhalter abweiden, bis ebenfalls 1992 die ersten fünf eigenen Kühe kamen. „ Ich hatte keine Ahnung von Rindvieh – aber es hat Spaß gemacht, auch unseren Kindern.“ Heu machen, Weiden einzäunen – ungewohnte Arbeiten für Gärtner.

 

Im geschützten Anbau wie auch auf den Freiflächen werden die biodynamischen Präparate eingesetzt – „fast jede Woche läuft das Rührfass“, so beschreibt das Markus Walkusch-Eylandt, denn zu Fruchtgemüse gibt es je dreimal Hornmist und Hornkiesel. Der größte Teil der Jungpflanzen wird vom Bioland-Spezialisten Homann zugekauft, mit der eigenen Erde gelang die Anzucht nicht ganz so gut. Die Erde mischt die Gärtnerei zum Teil selbst, kauft aber für salzempfindliche Pflanzen auch zu. Homann zieht auch die biodynamisch bzw. samenfest gezüchteten Sorten vor, die Sannmann einsetzt. Einen kleinen Teil des Saatgutes vermehrt die Gärtnerei selbst, mit der Möhre „Mona“ arbeiten sie mit der Züchterin Christina Henatsch im nahen Gut Wulfsdorf zusammen. Bei wichtigen Aussaaten schauen die Gärtner in den Thun-Kalender, aber in der Regel passt das nicht zum festen Betriebsrhythmus in der Gärtnerei: morgens ernten, nachmittags pflegen.

 

Ein Teil der Ernte wird über die Abokiste an 2000 Kunden vermarktet, der Großteil über den Biogroßhandel und samstags hat auch der Hofladen auf. Da gibt es auch eine Sannmann-Tomatensuppe im Glas – Tomatentraum – von den Husumer Werkstätten zubereitet.

Aktivitäten strahlen aus

Die Kompetenz der Gärtnerei wird auch auf anderen Feldern genutzt: Wöchentlich führt Andrea Porps inzwischen zwei Gruppen „Gärtnerkinder“ durchs Anbaujahr. Im Mai pflanzt Thomas Sannmann mit seinen Kunden wieder Bantam-Mais, eine Aktion im Rahmen seiner Aktivitäten gegen AgroGentechnik. Hier hat er mit dem Bündnis für eine gentechnikfreie Metropolregion Hamburg erreicht, dass alle Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft sich zur Freiheit von Gentechnik bekannt haben. Ende Juli werden beim Tomatenfest mit Selbsternte wieder Sorten verkostet und im Herbst gibt es ein Erntefest mit Öko-Markt. Vor kurzem erst fand ein Kompostkurs statt, in dem die Gärtner ihr Rezept für einen guten Kompost weitergaben. Das ist, neben anderen Tipps, auch auf deren Website zu finden: Gute Öffentlichkeitsarbeit ist für Thomas Sannmann selbstverständlich, was eine Webmasterin und ein Fotograf in seinem Auftrag erledigen. Hier präsentiert der Betriebsleiter auch freudig die Anschaffungen, welche die Genussscheine möglich gemacht haben. Und die Besucher erfahren: Danke, es hat sich gelohnt, eine überschaubare und regionale Investition mit Sinn.

Betriebsspiegel Gärtnerei Sannmann

  • Traditionelle Familiengärtnerei seit 1780, Inhaber Thomas Sannmann, Demeter seit 1992

  • Südöstlich von Hamburg auf sandigem Lehm bzw. lehmigen Sandböden, 28 bis 35 Bodenpunkte, überwiegend drainiert (seit 2008) bzw. durch Gräben entwässert, Beregnung

  • 51 ha, davon 12 ha Freilandgemüse, 1,5 ha Glashäuser (1 ha heizbar) , 2 ha Folientunnel, 24 ha Grünland

  • 40 Sorten Gemüse, Kräuter, Salate, teilweise eigene Jungpflanzenanzucht (u. a. Erhaltungszucht der Tomatensorte Vierländer Platte)

  • Mutterkuhherde (10) mit Nachzucht (24) und eigenem Bullen

  • Intensive Kompostwirtschaft sowie Arbeit mit Kompostauszug

  • Vermarktung über Naturkostgroßhandel, einen eigenständigen Abokistenbetrieb, Hofladen

  • Familienbetrieb mit 18 Mitarbeitern, 3 Auszubildenden, 12 Hilfs- bzw. Saisonkräften

  • Gärtnerei Sannmann, Ochsenwerder Norddeich 50, 21037 Hamburg, http://www.sannmann.com