Portrait

Die Sehnsucht nach guten Lebensmitteln wecken

Der Demeter-Bornwiesenhof hat sich zur innovativen Hofkäserei entwickelt

von Michael Olbrich-Majer

Manchmal muss sich etwas ändern. Sonst erdrückt einen die fehlende Freiheit. Das gilt auch für landwirtschaftliche Unternehmen. Meike Jaschok vom Bornwiesenhof tief im Hunsrück sah nach vielen Jahren den Punkt in der Betriebsentwicklung erreicht, an dem kaum etwas voran ging. Und schaltete um. Statt nach wie vor alles selbst zu machen, Käsen, Vermarkten, Büro, Kochen, wollte sie es richtig angehen: mit überzeugendem Milchhandwerk und einer neuen Produktpalette, die Spaß macht. Das war ihr inneres Bild. Dazu musste sie ihre Alltagsarbeit abgeben, die Käserei am Hof neu konzipieren und Leute für Büro, Küche und die Milchverarbeitung einstellen. Mit der Heumilch, die ihr Mann Andreas erzeugt, der Entwicklung besonderer Produkte und regionaler Vermarktung bis in konventionelle Supermärkte ist der Hof heute so gut aufgestellt, dass es auch die Söhne wieder zurück auf den Hof zieht. Die Entwicklung der Hofkäserei bringt Leben in den Betrieb.

Marktferne überwinden – aber wie?

In der Römerzeit verlief hier ein wichtiger Handelsweg nach Trier, heute ist es eine dünnbesiedelte Gegend. Großstädte liegen fern, der nächstgrößere Ort hat keine dreißigtausend Einwohner, Idar-Oberstein. Eine Region fürs Militär oder die Rückgabe an die Natur, wie der 2015 eingerichtete Nationalpark Hunsrück-Hochwald zeigt. Marktfern und mit kargen Böden – aber ein Hof zum Einsteigen! 1994 kamen Andreas und Meike Jaschok mit einem weiteren Paar auf den ehemaligen Siedlerhof, der seit 1989 biodynamisch bewirtschaftet wurde: eine Herausforderung auf diesem Grenzertragsstandort. Eine Molkerei war zwar nicht weit, zahlte aber nur konventionelle Milchpreise. Für Direktvermarktung lag der Hof zu weit weg von potenziellen Märkten und Kunden. Das Paar, bereits mit Kindern, war auf eine lange Pionierphase eingestellt, die sich nochmal verlängerte, als die zweite Familie im Jahr 2001 den Hof verließ. Jaschoks waren Meister – er als Landwirt, sie als Hauswirtschafterin – und brachten reichlich Erfahrung von verschiedenen Demeter-Höfen mit: Andreas Jaschok war u. a. ein paar Jahre in den USA gewesen. Meike Jaschok kam über die Arbeit im Bioladen zur Arbeit auf Höfen und in der Käserei. Kennengelernt hatten sie sich im Emmental auf einem Demeter-Betrieb.

Den Hof führen sie nach wie vor als Pächter, er ist im Eigentum eines Vereins, der ihn für die biodynamische Bewirtschaftung erworben hatte. Bis vor zehn Jahres verkästen Jaschoks einen Teil der Hofmilch zu einem Schnittkäse, dem Möhrenlaibchen, das über die Demeter-Fuchshöfe in Hessen vertrieben wurde; der Rest musste als konventionelle Milch verkauft werden. Gewirtschaftet wurde sparsam, Investitionen mussten erst verdient werden, was am Standort nicht einfach ist. Die Vermarktung von Getreide, Fleisch und etwas Schnittkäse lief eher schleppend. Die Jaschoks wollten raus aus dieser Situation.

Ganz auf Milch eingestellt: die Landwirtschaft

Das hier ist Grünlandgegend, schmale Tälchen, die sich in den Wald hinauf ziehen, mit steilen Hängen, das Ackern geht besser auf den Kuppen. Den Anbau von Marktfrüchten hat Andreas Jaschok inzwischen eingestellt: Seine Äcker dienen ebenfalls der Milcherzeugung, zumal angesichts der in den letzten Jahren auftretenden Trockenperioden eine sichere Futterversorgung lohnender ist. Neben zweijährigem Kleegras bauen die Jaschoks noch Getreide und Körnerleguminosen fürs Futter sowie Hafer zur Heuwerbung an. Eine gute Düngung, biodynamisch präparierter Rottemist und ggf. Gülle zum Getreide sind wichtig auf den armen Schotterböden, die nicht mehr als drei bis vier Tonnen Ertrag abgeben.

Die Wiesen sind artenreich, es gibt eine Reihe besonderer Standorte, Würzheu nennen die Jaschoks das, was sie hier ernten. Denn im Stall gibt es nur Heu und etwas eigenes Kraftfutter. Eine preiswerte Ballentrocknung für 36 Großballen, unterstützend befeuert mit einem 15 kW-Holzbrenner, hilft seit 2012, gutes Futter zu bergen. Den luftigen Laufstall für die gut vierzig Kühe haben die Landwirte 1995 mit eigenem Holz selbst gebaut. Für muttergebundene Kälberaufzucht und Mast, sowie um die Mistplatte zu überdachen, soll er demnächst erweitert werden. Zum Melkstand geht es über den Hof, 4.500 Liter je Kuh und Jahr melken der Landwirt und seine zwei Mitarbeiter, ein Lehrling und eine Praktikantin. Jaschok kreuzt Fleckvieh ein in seine rotbunte, seit 1954 hier grasende Herde, um die Fleischqualität zu betonen, und seit kurzem läuft auch ein schwarzweiß gefleckter Bulle vom Vogesenrind mit der Herde. Diese Rasse gedeiht unter vergleichbaren Bedingungen im Nachbarland Frankreich und gibt eine inhaltsreiche Milch für die Käserei. Natürlich haben alle Tiere Hörner: „Die Form des Gehörns gibt mir Hinweise auf den Charakter der Kuh“, so der Landwirt. Er unterscheidet für sich verschiedene Horntypen des Wuchses. Sein Zuchtziel ist eine mittelgroße Kuh mit harmonischem Körperbau und tiefem Rippenbogen für eine gute Grundfutterverwertung. Dazu züchtet der Landwirt im Ansatz mit Kuhfamilien und tauscht sich dazu mit anderen Biodynamikern in einer Arbeitsgruppe aus. Auch die biodynamischen Präparate werden in einer regionalen Arbeitsgruppe auf dem Schwalbenhof in der Nähe hergestellt.

Über den eigenen Schatten springen: verändern und investieren

Andreas Jaschok ist eng verbunden mit seinen Kühen und dem Land, was bedeutete: Eine Weiterentwicklung musste am Ort stattfinden. Sobald es das Familienleben erlaubte, ergriff die Bäuerin die Initiative: Das Paar änderte nach zweimal sieben Jahren die Strukturen und investierte. Denn die Möglichkeiten des Betriebes – mehr Wertschöpfung aus dem Anbau oder aus intensiverer Direktvermarktung – schienen abgegrast, zudem nahm die Konkurrenz beim Bio-Käse zu. „Was kann unser Hof?“ – darauf besannen sie sich und holten sich betriebswirtschaftliche Beratung. Eine Erkenntnis war: höhere Käseproduktion senkt die anteiligen Kosten. Und die vielen Kontakte in der Region, die Meike Jaschok als rührige Direktvermarkterin aufgebaut hatte, konnten für den Absatz genutzt werden. Wenn denn die Produktpalette stimmt. Dazu musste sie erweitert werden, auf hohem Qualitätsniveau: „Es nutzt nichts, wenn allein Demeter draufsteht, die Kunden müssen bei jedem Produkt ‚ja’ sagen“, ist bis heute ihre Erfahrung. „Das geht nur mit besten Produkten.“

So gingen sie ins Risiko und an den Um- und Ausbau des Altgebäudes sowie das Einrichten der ca. 120 qm Käsereiräume für knapp 100.000 Euro, beraten vom Verein für handwerkliche Milchverarbeitung, mit Geld von der Bank. 2009 waren sie fertig und EU-zugelassen. Produziert wird ausschließlich auf Bestellung, maximal ein Zehntel der Milch geht zur Bliesgau-Biomolkerei bei Saarbrücken. Aus gut zwei Dritteln der Hofmilch, ca. 130.000 Liter, werden neben Hartkäse auch Schnitt- und Frischkäse, Flammkäse, Quark und Joghurt bzw. Joghurtprodukte wie Abtropfjoghurt oder Fruchtjoghurt. An sechs Tagen verarbeiten Käserin Katja Kiy und ihre Kollegin Heidi Krummenauer zusammen mit Praktikanten und FÖJ-lern die Milch vom Hof, manchmal auch sonntags.

Kreativität und Präsenz erschließen den Markt

Die Produktentwicklung ging parallel zur Planung der Käserei. Gezielte Kreativität ist erforderlich, um ein unverkennbares und vielfältiges Hofsortiment aufzubauen. „Und reichlich Durchhaltevermögen!“ ergänzt Meike Jaschok, deren Flammkäs für Pfanne oder Grill zwar bereits 2006 den Innovationspreis des VHM bekam, aber erst sieben Jahre später zum Renner wurde. Da hilft auch die richtige Produktbezeichnung, musste sie lernen: „Grillkäse“ wird eben nur im Sommer gekauft, „Bratkäse“ klingt bräsig. Den „Flammkäs“, ein Convenience-Produkt und als Produktname geschützt, gibt es nun in sieben Varianten. Auch eine klare und ansprechende Etikettengestaltung ist kreative Pflicht, denn der Großteil der Milchprodukte vom Bornwiesenhof steht ja relativ anonym im Regal. Die Grafikerin ist praktischerweise im Nachbardorf. Nicht zuletzt ist die Verpackung zu klären – der Bornwiesenhof bietet seine Joghurts z. B. im transparenten Kunststoffbecher mit Sicherheitsverschluss an. Die Entwicklung einer resourcenschonenden Verpackung ist aktuelles Thema. Doch müssen die Käsefinessen auch an den Kunden gebracht werden, was einen weiteren Anlauf bedeutete. Auf Hofkunden oder Wochenmärkte war das nicht zu stützen. Dennoch ging viel über persönliches Marketing, Meike Jaschok war gefühlt bei allen regionalen Aktivitäten dabei. Eindeutig halfen zwei regionale Marken, die gefördert vom Land aufkamen: „SooNahe“, die Regionalmarke für Hunsrück und Nahe sowie „Landmarkt“. Beides brachte die Käsepalette in die Rewes und Edekas im südlichen Rheinland-Pfalz: Die konventionellen Lebensmitteleinzelhändler öffneten sich zu dem Zeitpunkt für regionale Produkte. Heute beliefert der Bornwiesenhof zwanzig Märkte. „Ich hätte nie gedacht, dass sich unsere Produkte in den Märkten verkaufen“, kommentiert die Bäuerin den Erfolg. Und sie nimmt keine Ware zurück! Ein gutes Drittel des Umsatzes erlöst sie über Bio-Hofläden und Supermärkte, die Hälfte erzielt sie über den Bio-Großhandel, circa zehn Prozent mit Gastronomen. Seine eigene Preispolitik sollte man übrigens rechtzeitig geklärt haben: Jaschoks machen keine Sonderangebote, sondern wollen einen nachhaltigen Preis. Denn er enthält den Auftrag, wieder ein solches Milchprodukt herzustellen. So trägt die Käserei inzwischen wesentlich, zu über achtzig Prozent, den Betrieb. Und wer aus der Nachbarschaft die Käseleckereien oder Wurst vom Hof will, findet sie im Käsehüttchen am Hof – Selbstbedienung auf Vertrauensbasis.

Käsekultur vermitteln

Im Laufe dieser Entwicklung hat Meike Jaschok gelernt, zu fragen, Fachleute zu Rate zu ziehen und sich stetig fortzubilden. Im Sommer schließt sie ihren Meister im Milchhandwerk ab. Zudem engagiert sich die Bäuerin im Vorstand des Verbands für handwerkliche Milchverarbeitung und als Fachreferentin in der Käserausbildung. Seit zwei, drei Jahren gibt sie ihr Wissen und ihre Begeisterung für die Milcherarbeitung auch in eigenen Kursen weiter: „Ich möchte, dass viel mehr Leute gute Milchprodukte machen“, dieses Motto leitet sie, ob nun beim Joghurtkurs für Profis („Bloß nicht aufstumpen!“) oder bei der Käsewerkstatt für jedermann bzw. -frau. Auch die Fachleute aus Handel, Gastronomie und Touristik hat sie im Visier mit ihrer Hofschule und Käsewerkstatt. 2016 konnten Jaschoks dafür das Haus gegenüber kaufen und renovieren, das nun als „Haus am Schwollbach“ dem Seminarbetrieb dient oder auch mal die Mitgliederversammlung der regionalen Demeter-Bauern beherbergt. Der Bornwiesenhof ist auch für die lokalen bzw. regionalen Medien ein Begriff, bis hin zum Fernsehen. Das Bildungsangebot will Meike Jaschok noch ausbauen.

Den Hof lebendig halten

Der einstige familiengeführte Gemischtbetrieb hat sich so gewandelt zur Hofkäserei mit einer Reihe Mitarbeitern und einer kleinen Bildungsstätte. Jetzt kommen die Jungen, so ist Sohn Kaspar noch auf dem Hof, besucht winters die Technikerschule und ist Betriebsleiter. Artur, noch im Landwirtschaftsstudium, kann sich vorstellen, in den Betrieb einzusteigen. Ingmar ist bereits wieder da, mit Lebensgefährtin Marieke Hops und 90 Hühnern. Er hält einige alte Zweinutzungsrassen wie Rheinländer oder Silverudds aus Schweden und will sie vermehren und verkaufen. Seine Passion pflegt er auch mit seinem „Hofhuhn-Blog“: persönlich, ehrlich, nachdenklich. Da werden heiße Eisen wie z. B. das Schlachten nicht ausgespart. Ende Januar wurde er mit dem „Goldenen Blogger“ für das beste Heimat-Blog ausgezeichnet. Auf dem Hof kümmert er sich neben Feld und Stall bereits um die Fleischvermarktung: Zehn, zwölf Rinder im Jahr gehen über Internet und Social Media in Zehn-Kilo-Fleischpaketen besser weg als einst im Hofladen.

„Es ist ein gutes Gefühl, wenn das, was wir aufgebaut haben, weiterentwickelt wird,“ resümieren Andreas und Meike Jaschok. Das ermögliche auch neue Freiräume, weil es jetzt ja viele sind, die mit anpacken, und bringe verschiedene Qualitäten in den Betrieb ein. So ist Kaspar mehr der Rechner, Ingmar der Kommunikator. Wohin sich der Betrieb entwickelt? Das ist noch offen. Ob nun weitere Betriebszweige hinzukommen, oder eine SoLaWi – die ja nicht immer vor Ort sein muss, wie das Beispiel TeiKei-Kaffe zeigt: Der Bornwiesenhof ist in lebendiger Entwicklung.

Bornwiesenhof

  • Lage am Hunsrück, auf ca. 350–430 m ü. NN, flachgründige, steinige, saure Buntsandsein- und Schieferböden, im Mittel 37 Bodenpunkte, 7,5 Grad Celsius und 700 mm Niederschlag im Jahresdurchschnitt

  • 103 ha, davon 75 Dauergrünland, 1 ha Wald: Betriebsschwerpunkt Milch und Käse

  • Acker 28 ha, v.a. Futter: Fruchtfolge: zweijähriges Kleegras / Hafer-Bohne / Triticale / Haferheu

  • 41 Rotbunte, 2 Bullen (Fleckvieh, Vogesenrind) und Nachzucht, 2–3 Schweine, 90 Zuchthühner, 1 Treibhund

  • Heumilcherzeugung zu 100 % in der Hofkäserei zu ca. 30 innovativen Produkten veredelt

  • Vermarktung: Käse über Großhandel, regionalen LEH, Na­turkostfachgeschäfte; Fleisch: Internet und Versand

  • Öko-Demonstrationsbetrieb, Lernort Bauernhof und Partner der Sarah Wiener Stiftung, Käsekurse für Verbraucher und Fachleute, Blog: hofhuhn.de

  • Gepachtet vom Arbeitskreis gesunder Landbau e.V.

  • Arbeitskräfte: 1,5 Betriebsleiter, Lehrling und Praktikant in der Landwirtschaft; Käserei (ca. 5 AK): Leitung Vermarktung, Käserin, Fachkraft, Praktikanten bzw. FÖJler, Fahrer; weitere Teilzeitkräfte in Hofbüro und Küche

  • Andreas, Kaspar und Meike Jaschok GbR,
    Hußweiler Straße 38–40, 55767 Hußweiler.
    www.bornwiesenhof-hunsrueck.de
    blog.hofhuhn.de
    www.haus-am-schwollbach.de