Portrait

Resilient auf leichten Böden

Gut Peetzig – nachhaltiges Wirtschaften mit Boden, Mensch und Kapital

von Katrin Bade

Die Uckermark bietet mit einer Bevölkerungsdichte von 39 Einwohnern je km² viel Freiraum: Wo sich Wolf und Kranich gute Nacht sagen, kann man entschleunigt Urlaub machen oder auch Landwirtschaft betreiben. Besonders gut funktioniert das, wenn einem wie auf Gut Peetzig bei Angermünde dafür 450 Hektar arrondiert zur Verfügung stehen. Allerdings birgt der leichte Sandboden einige Herausforderungen: Er ist anfällig für Winderosion, und das sowieso schon geringe Wasserhaltevermögen wird durch die zunehmenden Temperaturen und Trockenphasen nicht besser. Will man als Landwirt trotzdem gute Ernten einbringen, muss man Strategien entwickeln, um mit diesen Bedingungen klarzukommen. Ulf Dobroschke und Heike Böthig ist das gelungen.

Gut Peetzig war zu DDR-Zeiten Teil eines Volkseigenen Guts mit drei Schlägen à 200 Hektar. Ab 1987 wurden die schlechten Böden mit maximal 25 Bodenpunkten nicht mehr bewirtschaftet und stillgelegt. Im Jahr 1994 kaufte ein anthroposophischer Lesekreis die Gebäude für ein Wohnprojekt und suchte für die Bewirtschaftung der Äcker fähige Landwirte. Vier Bauern gründeten eine GbR, Ulf Dobroschke war einer davon. Er blieb 2003 als Einziger übrig, nachdem das Wohnprojekt scheiterte. Nun hatte er die Verantwortung für etliche leerstehende, baufällige Gebäude, 500 Hektar verwilderte Fläche und jede Menge Investitionsbedarf. Schließlich kaufte er die Hofstelle, bestehend aus dem Gutshaus, einer Scheune und einem Pferdestall, sowie 15 ha Land. Seit 2007 führt Ulf Dobroschke das Gut mit seiner Frau Heike Böthig als GbR zu gleichen Teilen. Er ist für den Ackerbau, die Hauptanträge und die Maschinenpflege zuständig, Heike Böthig übernimmt die Direktvermarktung, Buchführung und Heu- bzw. Strohbergung. Gemeinsam mit einem Angestellten, ein Nachbar, der schon seit 2001 dabei ist, bewirtschaften sie 452 Hektar. Davon sind 231 Hektar in Privatbesitz und der Rest gehört der BioBodenGesellschaft, die Ulf Dobroschke 2007 mit initiierte.

Standortgerechter Ackerbau

Dass Bauern ihre Bewirtschaftung an den Standort anpassen, ist nicht neu. Doch an einem Grenzstandort wie Peetzig, einer stark kupierten Endmoränenlandschaft, in der teilweise die C-Horizonte anstehen, und die Region nicht umsonst „Brandenburger Sandbüchse“ genannt wird, ist es eine Herausforderung per se: „Der Sandboden hat noch nie viel Wasserspeicherkapazität gehabt und vor allem die Winderosion schadete der Bodenfruchtbarkeit,“ beschreibt Ulf Dobroschke die Ausgangssituation. „Es ist nicht ein einzelner Baustein, der zum Erfolg führt, sondern ein Komplex aus vielen Maßnahmen. Man kann nicht eine Sache verändern und hoffen, dass sie die Lösung ist.“ Nach dieser Devise kümmert er sich auch um seine Böden, deren Leistungsfähigkeit die Basis seiner Existenz ist.

Um den Boden möglichst wenig zu verdichten, setzt er auf seine „Samtpfoten“: Zwei dreirädrige Terra Trac Schlepper von Horsch, deren Produktion 2003 eingestellt wurde. Daher werden sie in der hofeigenen Werkstatt gehegt und gepflegt. „Mit einem Bodendruck von 400 g je cm² sind sie schonender als ein Mensch, der 500 g Druck je cm² ausübt.“ Ein Vorteil der unüblichen Fahrzeuge ist, dass der Boden nur einmal überfahren wird – nicht wie bei einem vierrädrigen Traktor, bei dem das Hinterrad in der gleichen Spur wie das Vorderrad läuft. Außerdem minimiert und kombiniert Dobroschke Arbeitsgänge. Seit 2016 arbeitet er nur noch mit dem Schälpflug, maximal 15 cm tief. Ganz ohne geht es wegen der Quecken nicht.

In der Fruchtfolge wechseln sich Sommerungen und Winterungen ab: Den Auftakt machen drei Jahre Luzernegras, was dem Bodenaufbau dient und frisch, als Heu oder siliert die Futtergrundlage für die drei Mutterkuhherden ist. Zugekauft wird nur etwas Mineralfutter – das hat auch in den Trockenjahren 2018/2019 geklappt. Dem Luzernegras folgen Dinkel, Hafer, Roggen, Lupine – deren Vorfruchtwirkung Ulf Dobroschke sehr schätzt – und nochmal Roggen bzw. Wickroggen. Kulturen wie Hanf, Buchweizen, Senf und Leindotter oder Phacelia sind als Teilflächen in die Fruchtfolgeglieder integriert. Der Hanf bringt eine gute Bodengare und unterdrückt Unkraut sehr effektiv. Blühstreifen ergänzen die Pflanzenvielfalt auf der Hälfte der Schläge.

Die zunehmende Sommertrockenheit macht den Anbau von Zwischenfrüchten wie Wickroggen immer schwieriger. Daher werden sie zunehmend im Direktsaatverfahren ohne Stoppelbearbeitung mit einer John Deere 750A Schlitzdrille, optimiert nach den eigenen Ansprüchen, gesät, möglichst spät, da im Herbst wieder mit Regen zu rechnen ist. Als Untersaat im Wintergetreide kommt eine Mischung aus 90 % Weidelgras und 10 % Weißklee zum Einsatz, wobei ein Jahr später fast nur Klee sichtbar ist. Die Getreidestoppeln werden gemulcht, um der Untersaat mehr Licht zu geben. Der Mulch ist Futter für die Bodenorganismen, die Wurzeln erhalten die Bodenstruktur, das Bodenleben ist ungestört und die Oberfläche möglichst ganzjährig bedeckt – was wiederum Erosion vorbeugt. Dank der guten Maschinenausstattung, von der Präparate­spritze über den Kompoststreuer bis hin zum Mähdrescher, kann der Zeitpunkt von Bodenbearbeitung, Düngung oder Ernte individuell bestimmt werden und ist nicht von einem Lohnunternehmen abhängig. So ist es möglich, die Bearbeitung der Witterung und dabei besonders der Temperatur anzupassen, denn die beeinflusst die Aktivität der Mikroorganismen und die Dauer der Umsetzungsprozesse.

Auf Trockenheit reagieren – Erosion vermeiden

Um Winderosion vorzubeugen, die dem Boden Wasser und Material entzieht, wurden im Jahr 1996 insgesamt 6,5 km Windschutzhecken angepflanzt, teilweise durch Programme zur Förderung der Artenvielfalt finanziert. Ulf Dobroschke gliederte die einst 200 ha großen Schläge in je 20 ha großen Flächen. Das Ackerland, auf dem die Hecken durch die Bauern der Gut Peetzig GbR mit Förderung des Landes angelegt wurden, wurde in den Folgejahren aus dem Bewirtschaftungsplan für den Agrarförderantrag herausgenommen. Die Neupflanzungen wurden drei Jahre lang regelmäßig bewässert, sonst wären sie nicht angewachsen. Heute sind aus den kleinen Setzlingen stattliche Biotope geworden: teilweise 15 m breit, mittig von Birken, Kiefern oder Ahorn geprägt und nach außen hin flacher werdend mit Sträuchern wie Schlehe, Holunder oder Vogelbeere bepflanzt, insgesamt 43 verholzende Arten. Sie dienen als Futter- und Bruthabitat für 53 teils gefährdete Vogelarten wie Haubenlerche, Steinschmätzer oder Braunkehlchen. Die Hecken und Wildtiere sind auch ein Puzzleteil des betrieblichen Organismus, was Schädlingskontrolle, Bestäubung der Kulturpflanzen und Belebung der Landschaft angeht.

Um das Wasserhaltevermögen des Bodens langfristig zu verbessern, wird der Humusaufbau durch die Fruchtfolge und angepasste Bodenbearbeitung gefördert. Eine kurzfristigere Methode, um auf die Trockenheit zu reagieren, bietet die Sortenwahl. Dabei werden biodynamische oder alte Sorten bevorzugt. In engem Kontakt mit dem VERN, dem Verein zur Erhaltung und Rekultivierung alter Nutzpflanzen, und den Bäckern vom Märkischen Landbrot testet Ulf Dobroschke regelmäßig verschiedene Sorten aus. In gemeinsamen Versuchen finden sie heraus, welche Sorten am Standort klarkommen und auch in der Backstube gute Ergebnisse zeigen. So fanden sie heraus, dass der Norddeutsche Champagnerroggen Trockenheit aushält und auch bei schlechten Laborwerten sehr gute Backergebnisse bringt. Daher hat er seinen festen Platz im Anbauplan. „Sein Wuchs und der Ertrag waren 2018 zwar nur halb so groß wie üblich, aber es war kein Totalausfall wie bei manch anderen Kollegen.“ Dieses Jahr werden sie auch testweise Soja anbauen.

Prozesse anregen anstatt zu düngen

„Wir düngen nicht die Pflanzen, sondern regen in homöopathischen Dosen die Selbstheilung der Böden an. So machen wir es mit den biodynamischen Präparaten, dem Komposttee oder auch mit Kalk.“ beschreibt Ulf Dobroschke sein Vorgehen. Von Bodenanalysen, die einem vorgeben, wieviel Kilogramm oder Tonnen eines Stoffes man je Hektar ausbringen soll, hält er nicht viel.

Für den Mistkompost werden die Tieflaufställe der drei Mutterkuhherden über den Winter präpariert. Einmal im Jahr wird ausgemistet und und es werden Mieten aufgesetzt, die ein halbes Jahr lang nicht mehr gewendet werden. Arbeitserleichterung und Effizienz ist auf dem Drei-Personen-Betrieb immer ein Thema. Der Mistkompost wird dann zur Zwischenfrucht ausgebracht. Auch Komposttee wird hergestellt – für den dafür notwendigen Kompost werden 2 m3 aus 1/3 Rindermist und 2/3 Holzhäcksel extra präpariert und gepflegt. In einem selbst umgebauten Kochkessel wird der Komposttee meist über Nacht gerührt, denn er braucht etwa zwölf Stunden zum Reifen, so dass er morgens direkt ausgefahren werden kann. Eine Füllung mit 360 Litern, das Konzentrat, wird mit 2.000 Litern Wasser gemischt und reicht in etwa für 20 Hektar. Klar also, dass nicht alle Flächen damit behandelt werden können. Bedürftige Kulturen oder besonders ertragsrelevante werden primär versorgt – so auch mit den Präparaten. Als Effekt sieht man schon, dass die Pflanzen vitaler sind als nicht-gespritzte. Die Arbeitsgänge kombiniert Ulf Dobroschke auch gern, bringt Komposttee und Hornmist gleichzeitig aus. Sonst folgt er dabei keinen festen Vorgaben und reagiert individuell auf den Zustand der Pflanzen. Für das Rühren der Präparate kommen FlowForms zum Einsatz: An einem halbschattigen Ort hinterm Haus, neben einer Rinderweide haben sie ihren Platz. Abgesehen vom selbsthergestellten Hornmist werden die Präparate zugekauft.

Vermarktung: direkte Beziehungen sichern die Stabilität

Die Produkte des Hofes werden direkt, ohne Zwischenhändler regional vermarktet. Getreide macht 95 % und Fleisch 5 % des Umsatzes aus. Getreide und Saaten, die am Hof gereinigt und gelagert werden, gehen seit 1996 an die Demeter-Bäckerei Märkisches Landbrot in Berlin. Transparenz entlang der Wertschöpfungskette ist dabei entscheidend: „Jedes Jahr setzen sich Bäcker und Bauern an einen Tisch und sprechen offen über alle Kosten. Das ist für mich gerechte Preispolitik, die mir als Bauer auch bei geringeren Ernten Sicherheit gibt und eine Existenz ermöglicht.“

Jährlich werden etwa zehn ihrer Rinder im Nachbarort Althüttendorf von einer kleinen Fleischerei im Lohn geschlachtet und verarbeitet. Mit dem Fleischer arbeiten Ulf Dobroschke und Heike Böthig schon seit zwölf Jahren zusammen. Das macht kurze Transportwege und einen stressfreien Umgang für die Tiere möglich. Die Fleischvermarktung liegt in der Hand von Heike Böthig und bringt etwa 30.000 € Umsatz jährlich. Sie fährt samstags nach Berlin, wo Kunden die vorab bestellten Produkte von Hackfleisch über Schinken bis Steak an zehn Stationen abholen können. „Wir haben bis auf den Kopf und das Fell kaum Abfälle, also eine Ganztierverwertung.“

Für das Hanföl, etwa 200 Liter pro Jahr, werden die Nüsschen reif Ende Oktober geerntet – das bringt die beste Qualität. Gepresst wird, wenn Bedarf da ist, und vermarktet werden die Ölflaschen in umliegenden Bio- und Regionalmärkten bis nach Berlin. Die Ölproduktion könnte intensiviert werden, doch das braucht Arbeitskraft. Die wird vielleicht frei, wenn Heike Böthig in der Fleischvermarktung etwas zurücktritt – denn das Schleppen von 25 kg schweren Kisten will sie auch nicht mehr ewig machen.

Wie es mit Gut Peetzig weitergeht, wird sich zeigen. Ideen gibt es viele und fest steht, dass Ulf Dobroschke und Heike Böthig noch ein paar Jahre aktiv in der Landwirtschaft sein wollen. Ihre Kinder werden den Hof nicht übernehmen. Doch im Laufe der Jahre hatten sie Kontakt zu engagierten Auszubildenden, Studierenden oder Praktikanten, die vielleicht Interesse an einer Übernahme haben. Jedenfalls sollen ihre Nachfolger keinen Schuldenberg ernten – daher wirtschaften sie so, dass sie alle Investitionen zu Lebzeiten selbst stemmen können. „Das ist für mich selbstverständlich, um den Jungen einen guten Start zu ermöglichen und nachhaltig zu wirtschaften. Die Risikobereitschaft heutzutage ist nicht mehr so groß – wir haben damals einfach losgelegt. Aber die Zeiten ändern sich.“ schließt Ulf Dobroschke und blickt zuversichtlich in die Zukunft.

Autorin: Katrin Bader

Betriebsspiegel Gut Peetzig

  • Lage: Brandenburg, Uckermark, 40m ü.NN. Demeter seit 1996

  • stark kupiertes Gelände, durchschnittlich 25 BP, lehmiger Sand

  • 450–500mm Jahresniederschlag; Kontinentalklima mit Frühsommertrockenheit

  • 452 ha arrondiert (max. 2,5km entfernt), davon 300 ha Druschfrüchte, 150 ha Ackerfutter (rotierend): Roggen, Dinkel, Hafer, Lupine, Hanf, Luzernegras, Buchweizen, Phacelia, Senf, Kartoffeln, Rest: Wege, Blühstreifen, etc.

  • Tiere: 65 Mutterkühe + Nachzucht, 20 Mastbullen (0,2 GV/ha)

  • Vermarktung: Getreide und Saaten ans Märkische Landbrot, Berlin; Fleisch, Hanföl: direkt an Bio- und Regional-Läden im Umkreis (Angermünde, Eberswade, u.a.) und Abholstationen in Berlin

  • 3 Arbeitskräfte: Betriebsleiter Ulf Dobroschke und Heike Böthig, 1 Angestellter

  • Gut Peetzig GbR, Peetzig 27, 16278 Angermünde OT Peetzig