Portrait

Der Michlbauerhof

Demeter-Ziegen in der Oberpfalz

von Katrin Bader

Der Michlbauerhof in Ursensollen ist seit Generationen im Besitz der Familie Meier, wird seit 1992 biologisch und seit 2018 biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Sebastian Meier und Schirin Oeding leben und arbeiten hier mit ihren 160 Milchziegen.

Den elterlichen Hof von Sebastian wollte keine seiner drei Schwestern übernehmen, also stand fest: er wird der Nachfolger. Doch vor dem Einstieg in die Landwirtschaft wollte er raus aus dem Dorf, was erleben: Er ging nach München, machte eine Ausbildung zum Instrumentenbauer mit anschließendem Meister, und richtete sich dann am Hof eine Blechinstrumentenwerkstatt ein. Die läuft sehr gut, er kann sich nicht über mangelnde Nachfrage beschweren: „Eigentlich könnte ich mit dem Instrumentenbau und der Musik mehr verdienen als mit der Landwirtschaft“. Im Jahr 2012 gründete er mit seinem Vater eine GbR, um den Betrieb zu leiten. 2017 lernten sich Schirin und Sebastian auf einer Verbandsveranstaltung von Demeter kennen und ein Jahr später zog sie auf den Hof. Seitdem führen Schirin und Sebastian gemeinsam die Michlbauer Manufaktur (GbR) und die Landwirtschaft. Schirin studierte und arbeitete auf biodynamischen Höfen in Kanada und den USA und hat einen M.Sc. Abschluss im Ökolandbau.

Hofstruktur neu aufgestellt

Nachdem Sebastian in den Hof eingestiegen war, stellte er 2013 auf Ziegenhaltung um. Denn der für eine rentable Kuhhaltung erforderliche Stallumbau, inklusive der dazu nötigen hofnahen Weideflächen mit Auslauf und Mistplatz, war nicht machbar. Also entschied er sich dafür, Ziegen auf den Hof zu holen: „Sie sind klein, gut zu händeln und die Nachfrage war da – so kamen die 115 Ziegen, die ich von einem befreundeten Betrieb übernehmen konnte, gerade recht.“ Heute stehen 160 Bunte Deutsche Edelziegen und einige Thüringer Waldziegen, melkend plus Nachzucht, im Stall. Ihre Milch wird an eine Bio-Molkerei geliefert, dort allerdings nicht als Demeter-Milch vermarktet. Das Fleisch der Zicklein und Alt-Ziegen verkaufen Sebastian und Schirin direkt, ohne Zwischenhändler. Eine kleine Mutterkuhherde aus Wagyurind, Angus und Fleckvieh, etwa 20 Tiere, ergänzt die Ziegenhaltung und liefert Mist für die Düngung der Acker- und Weideflächen. Die Ochsen für die Mast und Färsen laufen getrennt von der Gruppe. Im Sommer stehen die Kühe auf zwei Weiden in Sichtweite des Hofes, eine für die Mutterkühe und Kälber und eine für die Ochsen und Färsen, im Winter sind sie im Laufstall untergebracht. Auf dem Michlbauerhof arbeiten aktuell Sebastian und Schirin, die Auszubildende Jana, sowie ein fest angestellter Mitarbeiter. Gelegentlich helfen Sebastians Vater und Schirins Mutter, die beide auch am Hof wohnen. Sebastian ist für die Außenwirtschaft und den Wald zuständig, gemeinsam kümmern sie sich um das Herdenmanagement der Rinder und Ziegen, sowie die Stallarbeit und das Melken. Schirin erledigt zusätzlich die Verarbeitung und Vermarktung der hofeigenen Produkte und arbeitet montags bis mittwochs für Demeter.

Ziegenhaltung gut durchdenken

Wer denkt, dass Ziegen wenig Ansprüche haben, der irrt. Vom Bewegungsdrang über die Sozialstruktur in der Herde hin zur Futterauswahl sind Ziegen alles andere als einfach zu halten: Die angebrachten Klettereinheiten an den Wänden nehmen sie gut an, Schirin und Sebastian würden ihnen gern mehr davon anbieten, doch die Ziegen sind sehr erfinderisch und talentiert darin, Dinge kaputt zu machen und die Konstruktionen von der Wand abzureißen. Bei der Futterauswahl sind sie sehr wählerisch, ganz nach dem Motto „ich bin so satt, ich mag kein Blatt“. Bei zu jungem Frischfutter bekommen sie leicht Durchfall, wenn das Futter zu alt, also zu stängelig-holzig, ist, dann sortieren sie diese Stücke aus und lassen sie liegen. Ist das Futter nass, hören sie ganz auf zu fressen – daher muss das Futtermanagement gut durchdacht sein, um die Tiere art- und leistungsgerecht zu füttern. Im Stall brauchen Ziegen – ähnlich wie Kühe – ausreichend Platz oder Versteckmöglichkeiten, um sich auch aus dem Weg gehen zu können. So wird vermieden, dass rangniedere Tiere von ranghöheren drangsaliert werden. Bei Schirin und Sebastian klappt das durch mehrere Stallabteile, die durch Mauerdurchbrüche miteinander verbunden sind, und mehr Fressplätze als Tiere im Stall sind, um ihnen Ausweichmöglichkeiten zu bieten. Der Zuchtbock läuft in der Herde mit.

Was Schirin und Sebastian bemerken ist, dass es allgemein noch recht wenig Beratung und Wissen zu Ziegenverhalten, Sozialstruktur und Ziegenkrankheiten gibt. Da sehen sie noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf – wie etwa zur Paratuberkulose, einer weit verbreiteten Krankheit, die die Tiere abmagern lässt, oder zu Kokzidien, die schweren Durchfall verursachen. Die Krankheiten nehmen mit dem Alter zu, weshalb man sich genau überlegen sollte, ob man Ziegen halten will. „Es ist also nicht so einfach, mal ein paar Ziegen auf eine Wiese zu stellen – es sind keine Tiere für Anfänger,“ gibt Sebastian zu bedenken. Zur Sorge für das Tierwohl gehört ganz allgemein natürlich auch die Klauenpflege zweimal jährlich. Die Entwurmung findet einmal jährlich statt und ein zweites Mal nur selektiv, nach Bedarf. Damit haben sie gute Erfahrungen gemacht.

Fleisch, Ziegenmilch und Karamell

Die 160 Milchziegen bringen jährlich etwa 300 bis 370 Kitze zur Welt, meist im Januar-Februar, nachdem die Ziegen von Mitte November bis etwa Mitte Januar trockengestellt wurden. Die Zicklein bleiben etwa 40 Tage bei ihren Muttertieren, bevor sie dann – je nach Entwicklungsstand – in eine „Jugendgruppe“ in einen anderen Stall umgesiedelt werden. Um ihren hohen Bedarf an Mineralstoffen zu decken, bekommen sie unter anderem auch Hanfpresskuchen von einem benachbarten Bio-Betrieb. Qualitativ hochwertiges Futter zahlt sich aus: Die Gesundheit ist gut, sie haben keine Probleme mit Durchfall oder gar Todesfällen. Von den Zicklein verbleiben, je nach Bedarf, 15 bis 30 Tiere am Hof für die eigene Nachzucht. Der Zuchtbock wurde diesen Sommer ausgetauscht – neu im Stall ist nun der vierjährige gekörte Domenico. Rund 30 bis 40 Kitze werden als Osterzicklein, also zu Ostern geschlachtet, vermarktet und weitere dann im Jahresverlauf je nach Nachfrage geschlachtet. Die Schlachtung findet bei zwei Bio-Metzgern statt, die etwa zehn Minuten vom Hof entfernt sind. Sebastian fährt die Ziegen hin, ist beim Schlachtprozess dabei, und nimmt das Fleisch dann wieder mit auf den Hof, wo es im Zerlegeraum zerteilt und vakuumiert wird, um dann in einer Kühlzelle gelagert zu werden. „Eine eigene Fleischverarbeitung haben wir nicht, doch durch den Zuschnitt können wir für unsere Kunden auch ganz individuelle Wünsche realisieren“, so Schirin. Die Ziegen-Bratwürste und-Pfefferbeißer werden von einem der Bio-Metzger hergestellt, die Bratwürste tiefgefroren gelagert und verkauft.

Gemolken wird zweimal täglich, um sechs und siebzehn Uhr – im Frühjahr jedoch nur einmal, da dann die Zicklein noch mitlaufen und trinken. Wöchentlich kommen rund 1.800 Liter Milch zusammen, die von einer Bio-Molkerei abgeholt und verarbeitet werden. „Die Milchleistung könnte höher sein, aber wir füttern kaum Kraftfutter zu, lediglich etwas beim Melken, und legen mehr Wert auf langlebige und robuste, gesunde Tiere. Von daher passt das schon,“ resümiert Schirin. Einen Teil der Milch verarbeitet sie zu Karamell – dickflüssiges Karamell, keine Bonbons. Die Idee dazu hat sie aus Vermont, USA mitgebracht, wo sie auf einem Ziegenhof gearbeitet hatte. Das Karamell stammt ursprünglich aus Mexiko, heißt dort „Cajeta“ und ist traditionell aus Ziegenmilch. Viele Jahre später und nach einigen Experimenten in der bayrischen Küche konnte sie schließlich eine eigene Rezeptur entwickeln und bereitet in 60 Liter Chargen, die etwa 100 Gläser füllen, das Karamell zu. Allein 20 Gläser gehen je Woche an die Biokiste vom Hutzelhof.

Vermarktung ausschließlich direkt

Die Produkte vom Michlbauerhof werden alle direkt vermarktet: Schirin und Sebastian kennen ihre Kunden – privat sowie gewerblich – alle persönlich, es gibt keine Zwischenhändler. Über Hörensagen und persönliche Kontakte bildete sich ein fester Kundenstamm, denn Qualität spricht sich rum: Von der Öko-Kiste vom Hutzelhof, über eine kleine Metzgerei in Berlin oder ein Restaurant in München, hin zu Privatkunden, die Fleischpakete bestellen. „Uns ist es wichtig, dass die qualitativ hochwertigen Produkte auch wertschätzend verpackt und verkauft werden – und nicht nur in einer Plastiktüte gestapelt an den Kunden kommen,“ fasst Schirin zusammen, weshalb sie selbst die Tüten für den Verkauf packen. Gute Werbung für den Hof war die Teilnahme bei der Landfrauenküche des Bayerischen Rundfunks, aber auch weitere kleine Berichte in regionalen Medien, die die Aufmerksamkeit nach Stockau lenkten.

Einer der größten Abnehmer für die Ziegenbratwürste ist das historische Münchner Oktoberfest. Dort spielt Sebastian regelmäßig mit einer seiner Bands und fragte den Betreiber einfach mal, ob er nicht Ziegenbratwürste anbieten wolle. Das war vor sechs Jahren und seitdem werden ca. 2000 Stück jährlich im Herzkasperlzelt auf der „Oide Wiesn“ verkauft.

Autarke Versorgung des Hofes

Den Futterbedarf für die Ziegen und Rinder können sie selbst decken, lediglich im Trockenjahr 2019 mussten bzw. konnten sie bei einem benachbarten Betrieb Kleegras mähen, dieses Jahr haben sie mehr als genug und ihre Lagerkapazitäten sind knapp. Jährlich benötigen sie 350m³ Kleegrassilage – die setzen sie im Fahrsilo an, nicht in Ballen. Dazu kommen 100 Ballen Heu und 200m³ Heu lose, 60 Ballen heißgetrocknete Luzerne und weitere 300 Ballen Stroh als Einstreu (alles Großballen). Die Ziegen bekommen Schrot aus Erbse, Triticale und Hafer, sowie täglich etwa zwei Ladewagen voll Frischfutter (Kleegras), was circa sechs Tonnen entspricht. Nach der Fütterung im Stall kommen die Ziegen am späten Vormittag auf die Weide, die direkt am Hof liegt. Im Rahmen eines bayrischen Wolfschutzprogramms wird ein sechs Kilometer langer Wolfszaun an einer Weide weiter weg vom Hof gebaut, die auch etwas Wald miteinschließt. „Es wurde zwar ein standorttreuer Wolf hier in der Gegend gemeldet, doch selbst gesehen haben wir noch keinen.“ sagt Sebastian und sieht das Thema Wolf noch gelassen.

Der Ackerbau dient teilweise der Versorgung der Ziegen, Gerste geht als Demeter-Getreide an die Neumarkter Lammsbräu und ein weiterer Teil, Hafer und Dinkel, an den Demeter-Verarbeiter Spielberger.

Aus dem Ziegenmist und der Einstreu, dem Rindermist und dem übrigen Frischfutter der Ziegen setzen Schirin und Sebastian den Mistkompost auf – präpariert natürlich. Die Präparate beziehen sie über ihre Arbeitsgruppe und eine eigene Präparatespritze ist seit 2020 auf dem Hof. Der Hof ist seit zwanzig Jahren Energieautark: Eine Scheune dreht sich auf Schienen, sodass die Dachfläche mit den Photovoltaikfeldern immer der Sonne zugewandt ist. Die Holzhackschnitzel für die Heizung stammen von Bäumen aus den eigenen Waldflächen.

Den Hof weiterentwickeln

Der Michlbauerhof ist wie ein kleines gallisches Dorf, umringt von konventionellen Milchviehbetrieben oder Biogasanlagen. Bio- oder gar Demeter-Höfe gibt es in unmittelbarer Umgebung kaum. So fehlt der Austausch unter Gleichgesinnten, den die beiden schon vermissen. Und auch die Altersstruktur gibt ihnen zu denken: „Nicht nur in unserer Demeter-Arbeitsgruppe sind wir die jüngsten, wir hoffen, dass sich dieser Trend noch wandelt und es auch mehr junge Landwirte gibt. Was wir auch bemerken ist, dass es immer weniger Austausch untereinander, unter den Bauern gibt, gemeinschaftliches Miteinander, auch mal abseits der fachlichen Seite, um auch persönliche, soziale Entwicklung voranzutreiben.“ Um etwas Schwung auf den Hof und Kultur in die Region zu bringen, haben sie die Hofkonzerte ins Leben gerufen: Etwa einmal monatlich finden Veranstaltungen statt. Das wurde anfangs kritisch beäugt, doch mittlerweile läuft es richtig gut.

Schirin und Sebastian haben viele Ideen für ihren Hof, die sie nach und nach angehen. So wird aktuell eine neue Mistplatte gebaut, um die Fahrtwege zwischen Stall – Mistplatte und Feld effizienter zu gestalten. Perfekt wäre es, noch mehr Flächen am Hof zu haben, um auch eine Rotationsweide zu realisieren. Dafür reichen die knapp sieben Hektar Weide- und Ackerfläche am Hof nicht aus. Im Wald wurden zwei Hektar mit 2.000 Bäumen aufgeforstet, die klimatoleranter sein sollen – wie etwa Elsbeeren, Flatterulmen, Walnüssen und Baumhasel. Neben dem Zerlege- und Kühlraum entsteht momentan ein kleiner Hofladen, in dem es zukünftig die eigenen Produkte zu kaufen gibt. Ein paar Schweine sollen noch auf den Hof kommen und ein Hühnermobilstall (Marke Eigenbau) für 100 Tiere der Zweinutzungsrasse der Ökologischen Tierzucht kommt im April 2022 und ergänzt die Produktpalette dann um Eier, später auch Fleisch: „Perspektivisch wollen wir auch die Bruderhähne aufziehen, doch das können wir noch nicht stemmen und lassen es erstmal über den Geflügelhof Schubert machen und gehen das in den nächsten Jahren dann selbst an“ so Schirin. „An Ideen mangelt es uns jedenfalls nicht.“

Autorin: Katrin Bader

Michlbauerhof

  • Bio seit 1992, biodynamisch seit 2018, Demeter seit 2019

  • Oberpfalz, 20 bis 45 BP, 800 mm NS

  • Hofleitung: Schirin Oeding und Sebastian Meier

  • 160 Milchziegen, im Schnitt 10 Mutterkühe

  • FF: Luzerne-/Kleegras 3- bis 4-jährig, Dinkel – Zwischenfrucht – Sommergerste – Roggen – Zwischenfrucht – Hafer mit Untersaat Kleegras

  • Vermarktung: Milch an Molkerei, Fleisch und Karamell direkt an Privatkunden, Hofläden und Abokisten, Gastronomie, Metzgerei, etc.

  • 74 ha: 17 Mähweide, 12 Kleegras, 25 Getreide, 20 Wald

  • Arbeitskräfte: 4 (Sebastian, Schirin, Jana, Mitarbeiter)

  • Energieautark seit 2001: Photovoltaik auf Dächern, Hackschnitzelheizung mit eigenem Holz

  • www.michlbauerbio.de