Portrait

Puristen mit biodynamischem Konzept

Frank John und Familie bereiten große Weine alter Schule

von Michael Olbrich-Majer

Die Trauben sind gelesen, die Fässer gefüllt, die hohe Zeit der Winzer klingt langsam aus mit dem versiegenden Blubbern der Spundröhrchen im Weinkeller. Die Reben draußen leuchten gelb auf zum Herbstausklang. Zeit für einen kurzen Blick zurück auf ein schwieriges Jahr für Winzer: zu feucht, zu viele Pilze. Für Familie John eher kein Thema, obwohl das Weingut kupferfrei und biodynamisch arbeitet. Hier ist jede Maßnahme durchdacht und eines greift ins andere: von der Pflege des Bodens, der Behandlung der Reben bis zum Pressen und Vergären. Nichts wird dem Zufall überlassen, und doch ist Raum für Spontanität, von der Rebwurzel bis zur Flaschenreife zieht sich ein konsequentes, fein auf die Vorgänge abgestimmtes Qualitätsbewusstsein, und gerade deshalb können ausgeprägt individuelle Weine entstehen, die vom Jahreslauf und vom Boden sprechen.

Faszination Wein

Frank John interessierte sich schon als Leverkusener Oberschüler für die von der Rebe geprägten Landschaften in Deutschland, die Geschmacksvielfalt der Weine, und dafür, was sie über ihre Herkunft berichten. So zog er neben dem Agrarstudium einen Weinhandel auf, vertiefte sich in Hohenheim fachlich in die Önologie und lernte dann bei Spitzenwinzern wie Müller-Catoir. Denn nach dem Studium zog es ihn und seine Frau Gerlinde, die in Hohenheim Agrarbiologie studiert hat, in die Pfalz. In einer seiner weiteren Stationen stellte er das Weingut Heyl zu Herrnsheim auf biodynamischen Weinbau um, als es noch keine Regeln dafür gab, arbeitete mit Professor Preuschen von der Stiftung Ökologischer Landbau zusammen, war an der Entwicklung von Mycosin, einem Pflanzenstärkungsmittel beteiligt. Und er begann, kooperierende Winzer zu beraten.

2002 dann war es soweit: Das Paar konnte einen ehemaligen kleinen Zehnthof neben der Kirche in Königsbach kaufen, den Keller zum Weinkeller umfunktionieren und mit 1500 Litern Most als Beratungserlös den ersten eigenen Wein reifen lassen: Existenzgründung ohne Weinberge. Die kamen rasch hinzu, aktuell 6,5 Hektar, doch Flächen sind hier in der florierenden Pfalz schwer zu bekommen, und wenn dann solche, die schwer mechanisierbar sind. John setzte sein Konzept genau da an.

Von Rebunterlage bis Etikett: Ein klares Konzept

Alle Flächen haben seinen Stempel, egal ob Ebene oder Steilhang: Belebung und Qualität sind die Zielbegriffe. Auch wenn sie sehr verstreut liegen, 25 km ist die größte Distanz – lässt sich jede als „John-Parzelle“ erkennen – hier ist Leben! Denn ein Set an Maßnahmen macht den Unterschied zu den konventionellen Rebzeilen, verbindet die Flicken zu einem Teppich, schafft über eine besondere Atmosphäre die Grundlage, dass man sogar dieses Weingut als Organismus verstehen und organisieren kann. Die Biodynamischen Präparate schaffen dann das verbindende Moment und die individualisierenden Impulse.

Die Maßnahmen setzen bereits beim Pflanzgut an. Hier leistet sich das Weingut ziemlichen Aufwand, kümmert sich nicht nur um die Rebsorte, sondern ordert gezielt teure, ungeklonte Unterlagen, die dann zum Veredler gehen. Vorteil: die Reben sind genetisch vielfältiger und bringen so neben geschmacklicher Variationsbreite als Bestand auch eine höhere Toleranz gegen Krankheiten mit. Die räumliche Vielfalt der Flächen verstärkt diesen Effekt noch bis hin zum unterschiedlichen Lesedatum.

Warum nur Spätburgunder und Riesling? Die haben eine dünne Beerenhaut, sind als jahrhundertealte Traditionssorten auf den Standort eingestellt und bilden am besten das Terroir ab. Gepflanzt wird bewusst etwas enger und dichter als hier üblich, die Reben sollen mit den Wurzeln in die Tiefe gehen, Boden erschließen. Und, Johns setzen auch Obstbäume wie Pfirsich in die Reihen. Bei der Reberziehung folgen sie der Methode des sanften Rebschnitts: den Saftfluss im Blick, fördert der die Gesundheit der Pflanze durch Minimieren der Eintrittspforten von Schaderregern. Überhaupt: Gesundheit ist ein zentraler Aspekt – „Wir streben den Normalzustand der Pflanze an“, als geht es mehr darum, sie zu stärken als sie zu schützen. Womit wir beim Boden sind: „Wir verstehen den Boden als den Darm der Pflanze“ bringt John senior das biodynamische Konzept auf den Punkt.

„Der Wein ist Ausdruck der Bodenbiologie …“

… weiß der erfahrene Winzer. Er und seine Kinder Sebastian und Dorothea, die vor allem die Arbeit im Wingert leisten – Gerlinde John kümmert sich um den Verkauf – tun viel dafür, dass dies erlebbar wird. Denn Wein entsteht in einem bestimmten mikrobiologischen Milieu und das beginnt beim Boden. So führen beispielsweise Verdichtungen letztlich zu Weinfehlern wie Böckser, denn anaerobe Bodenprozesse bringen die Balance der Rebe durcheinander. Dass man biodynamisch Böden beleben kann, hat Frank John in seinen eineinhalb Jahren in der Demeter-Landwirtschaft von Gut Bollheim gelernt.

Wie gut das klappt, zeigt Sebastian John, noch Masterstudent in Organic Agriculture, mal eben mit dem Spaten im Weinberg: krümelig-lebendverbauter Boden, Regenwürmer, feuchter Bodenduft. Die Schnittholzreste sind komplett umgesetzt. Er ist begeistert davon, mit der Arbeit als Winzer auch etwas Gutes für die Natur tun zu können. Und da geht Familie John in die Vollen: Blühpflanzen statt nur Begrünung, Nistkästen für Vögel, Wildbienenhotels und Greifvogelstangen in den Rebzeilen, die Rebstützen alle aus Holz, einheimisch, versteht sich. Kleinere Brachflächen, Terrassenkanten und Steinmauern werden gepflegt und sind so, statt zu überwuchern, Habitat für Kleintiere, ebenso die angelegten Steinhaufen. Die Handvoll eigenen Bienenvölker stehen Sommers in den Reben. Und unter den Rebstöcken darf es wachsen, Küchenkräuter, aber auch Zwiebel, Knoblauch, Meerrettich, mit phytosanitärem Nebeneffekt. Gerlinde John präsentiert fröhlich einen Korb Tomaten aus dem Weinberg.

Zurück zum Boden: Sowohl der Bewuchs wie auch das Schnittholz werden überzeilig gemulcht und zur Flächenrotte eingearbeitet, die Blühmischung wenn nötig, nachgesät. Trester wird, mit etwas Tierdung versetzt, zu Kompost aufgesetzt und präpariert, dient mehr als Bodenaktivator denn der Nährstoffversorgung. Hierbei müsse man ohnehin aufpassen, meint Frank John, denn die meisten Weinbergsböden seien historisch mit Phosphat überversorgt, was zur Imbalance in der Rebe und Empfindlichkeit gegenüber pilz­lichen Eindringlingen führe. Qualität geht bei Johnwein vor Masse, 30 bis 40 hl je Hektar reichen den Winzern. Alle Arbeiten werden bodenschonend mit dem Quad erledigt, bei ein paar Stücken auch mit dem Pferd, das in der Nähe dazu ausgeliehen wird. Sebastian und Dorothea, die neben ihrem Studium ebenfalls im Betrieb mitarbeitet, haben den Umgang in einem Pferdekurs gelernt. Bis vor kurzem streiften auch Ziegen eines Nachbarn durch die Steillagen. Frank John hat beobachtet, dass beweidete Flächen sich anders verhalten, z. B. mehr Kräuter hier aufkommen.

Frank John Weine

  • Region: Weinstraße, Pfalz bei Neustadt

  • Gegründet 2003, biodynamisch von Beginn an, Demeter seit 2012

  • 6,5 ha Rebfläche, verstreut, teils Steilhang, ¾ Riesling auf Buntsandstein, ¼ Pinot Noir auf Kalkböden

  • Handlese, Spontangärung, mindestens ein (Riesling) bzw. zwei (Pinot Noir) Jahre Ausbau im Holzfass, Abfüllung unfiltiert

  • Nur Jahrgangsweine, dazu Rieslingsekt, 36, 50 oder 100 Monate gereift, und ein Brut Nature

  • Vermarktung über Fachhandel, Gastronomie, Endkunden: EU-weit, auch Übersee

  • Weindomizil (Ferienwohnung, 4 Personen)

  • Arbeitskräfte: Frank, Gerlinde, Sebastian und Dorothea John, Bürohilfe, Erntehelfer

  • ökologische Winzerberatung durch Frank John (EU-Ausland)

  • Das Hirschhorner Weinkontor GbR, Hirschhornring 34, 67435 Neustadt-Königsbach, 06321-670 537

Biodynamisch mit allen Registern

Das alles ist die Basis für das volle Spektrum der biodynamischen Pflanzenstärkung: regelmäßig und gezielt die Feldspritzpräparate, 500p und das Fladenpräparat, daneben Tees aus Schafgarbe, Kamille, Schachtelhalm, Kompost- oder Heuauszug. Mehr Hornkiesel bei fehlender Sonne, mehr Hornmist, wenn es zu trocken ist, 508 immer vor dem Austrieb. Die Tees werden über Bewässerungsschläuche verteilt, das spart Arbeitsgänge und das Überfahren. Je nach gewünschtem Effekt werden die Auszüge aber auch gespritzt, ihr saurer pH-Wert allein wirkt da schon. Die Johns sprühen auch feinstvermahlenen Zillit -Ton in kleinsten Mengen und selbsthergestellte Chelate aus fermentierten Pflanzen plus feinstem Calzium oder Silikat. Zellwandgängig, wie Frank John anmerkt. Die variantenreiche Rebbetreuung deutet an, warum das Weingut auf Kupfer verzichten kann. Dabei geht es mehr um Gesundheit als um Schutz vor Krankheit, und ein Mittel dazu ist die Bodenpflege: „Pilze brauchen ein Zuhause im Boden“, so der Winzer.

Die Lese ist bei nur zwei Rebsorten einerseits konzentriert, andererseits gestaffelt, infolge der vielen auch unterschiedlich hoch gelegenen Flächen, aber auch, weil Familie John mehrere Durchgänge erntet – nach Reifegrad. Das bringt nicht nur Vielfalt und Struktur in den Wein, sondern entzerrt die Lese als Arbeitsspitze und mindert das Ausfallrisiko. Dazu passt ein weiterer Baustein des Konzepts – das Weingut produziert praktisch nur Cuvés, keinen Lagenwein. Rote und weiße Trauben werden dabei unterschiedlich behandelt.

Wein ist kein Naturprodukt …

… betont Frank John, aber deswegen müsse man ja nicht gleich wie industriell arbeiten: Kultur ist hier gefragt. Der Riesling steht nur kurz auf der Maische, wird aber lange gepresst und spontan vergoren, der Wein bekommt seine Zeit, ohne mit Temperatur nachzuregeln. Der Ausbau in 1200 bzw. 2400 Liter großen Eichenholzfässern – ein Jahr auf der Vollhefe mit zum Teil ganzen Beeren bis zur Selbstklärung – bringt charaktervolle Weine mit großem Reifepotenzial hervor. Beim Roten werden die Trauben sowohl traditionell auf der Maische vergoren als z. B. auch per Mazeration Carbonique. Der biologische Säureabbau erfolgt nach dem Abpressen im Fass. Zwei Jahre liegt der in 225 l und 500 l Fässern, bevor er unfiltriert auf die Flasche kommt. So entsteht ein klarer, würziger, facettenreicher Pinot Noir mit Tiefe.

Familie John hat nur Holzfässer im Keller, für den Pinot Eiche aus Burgund, unterschiedlich geloht, für den Riesling Eiche aus der Region. Die stehen mit Luft zur Wand, die jedes Jahr frisch gekalkt wird, damit sich die Hefen aus dem Weinberg, die die Trauben mitbringen, hier durchsetzt. Geschwefelt wird nur mit sehr geringen Mengen. Die Flaschen werden mit Naturkorken verschlossen, so kann der Wein in der Flasche nachreifen

Mit Erfolg: „Die Individualität des Weines zeigt sich im Glas“, das bräuchte Frank John gar nicht sagen, es lässt sich bei Johnweinen schmecken, Sommeliers kosten ihre charismatische Typizität heraus. So kommt z. B. der drei Jahre alte Riesling mit sommerlicher Wucht und Finesse zugleich daher, verbindet harmonisch die Kraft eines Rotweines mit der differenzierten Klarheit der Rebsorte und der Wärme des Buntsandsteins. Und wer in St. Émilion, dem Herzen der Weinregion Bordeaux, seinen deutschen Roten in der Weinbar verkaufen lassen kann, der hat´s geschafft.

Focussierte Vermarktung

Den aktuellen Jahrgang sucht man bei John vergeblich, jetzt – im Herbst 21 – ist der 2019er Riesling draußen. Im Angebot ist das Weingut minimalistisch. Massenweine gibt es erst gar nicht, es werden nur wenige – 40.000 – Flaschen im Jahr abgefüllt, und die in hoher Qualität zu gehobenen Preisen, bis hin zur Dreiliter-Doppelmagnum beim Rotwein. Die herkömmlichen Qualitätseinstufungen folgen auch eigenen Kriterien: sowohl vom Riesling wie vom Pinot Noir gibt es je Jahr nur einen Wein, das Fazit eines Jahrgangs. Den Vertrieb macht das Weingut selbst – Gerlinde John mit einer Teilzeitkraft: Vor allem Fachhandel und Gastronomie sind die Abnehmer, aber auch Endkunden. Der regelmäßige Besuch von Messen gehört selbstverständlich zum Marketing, das sonst aber eher auf den Ruf und die Qualität der Weine setzt. Und seine Nachhaltigkeit, bis hin zur Druckfarbe und den Etiketten. Beim Sekt sind die Johns Mitgründer des kleinen Verbandes traditioneller Sektmacher.

Sektmacher

Denn auch hier geht das Weingut besondere Wege. Das fängt schon beim Pressen des Grundweins an, der, dann versetzt mit der Tirage – Sekthefe plus Zucker – statt der üblichen neun Monate mindestens 36 Monate auf der Flasche liegt. Über Wochen in kleinsten Schritten gekippt, um die Hefe danach zu entfernen, gibt es noch einen Schuss Dosage zur Abrundung. All das zahlt sich geschmacklich aus, und es gibt auch zwei längere Reifestufen. Eine echte Rarität ist der Grand Marèe, Gerlinde John packt eine Flasche aus dem Versandstapel aus: bewachsen mit Meeresgrüßen. Johns lassen dafür Flaschen 60 Meter tief im Meer vor der bretonischen Küste versenken – da ist der Druck des Meeres und der in der Flasche gleich, was offenbar dem Aroma noch etwas hinzufügt, wie Forscher der Uni Dijon auch analytisch bestätigten.

Längst ist die Winzerfamilie etabliert in der Region, Dorothea John ist sogar Pfälzische Weinprinzessin der Saison 2020/21. Dadurch dass Sohn und Tochter ziemlich engagiert in der praktischen Arbeit des Weinguts sind, kann Frank John seiner Tätigkeit als Weinbauberater nachgehen, vor allem im Ausland, Schwerpunkt Frankreich. Ungefähr 160 Kunden berät er im Jahr, vor allem Betriebe vor und während der Umstellung. Dabei ist ihm der Aufbau lebendiger Böden ein besonderes Anliegen, auch mit dem Blick auf Humusaufbau und Klimaneutralität der Erzeugung. Eine Honorierung der CO2 Sequestration auf regionaler Ebene ist für ihn ein Zukunftspfad. „Kleine Kollektion ganz groß“, schreibt der Weinführer Eichelmann. Zu ergänzen wäre: und ökologisch bis ins Detail.

 

Autor: Michael Olbrich-Majer