Portrait
Gemüsebau Maria Bienert
„Ein Betrieb ist immer in Entwicklung, wird nie fertig. Abwechslung und Herausforderungen gehören in allen Bereichen dazu: ich habe mit Menschen zu tun, mit Technik, Lagerung und natürlich mit Pflanzen und der Erde. Diese Vielfalt gefällt mir an der Landwirtschaft.“
von Katrin Bader
Für Maria Bienert geht es beim Thema Düngung um das Nähren von Boden, von Pflanzen, Tieren, Menschen. Für sie sind Ideen, Ideale und der Mut zur Veränderung wichtig – das auszuleben, was einen glücklich macht und nährt – und aus dieser schöpferischen Kraft heraus tätig zu werden.
Aus der Welt nach Taucha
Maria Bienert ist in Münster geboren und in Stuttgart aufgewachsen. Geprägt von der Zeit der Umweltbewegung und Gründung der Partei „Die Grünen“ wollte sie dem bedrückenden Stadtleben den Rücken zukehren und selbst etwas für die Umwelt tun, etwas verändern.
So zog es sie nach dem Abi ein Jahr in den Gemüseanbau nach Island. Zurück entschied sie sich für die dreijährige Biodynamische Ausbildung am Warmonderhof in den Niederlanden. Die Rückkehr war ein Schock für sie, wie sie beschreibt: „In Island ist nur das Stückchen Acker, was man bewirtschaftet, kultiviert. In den Niederlanden ist alles Kulturland.“
Nach ihrer Ausbildung bereiste sie zwei Jahre verschiedene Länder und arbeitete in bio-dynamischen Betrieben. In Deutschland zurück suchte sie eine Einstiegsmöglichkeit, da sie keinen Betrieb familiär übernehmen konnte. Nach verschiedenen Versuchen mit anderen zusammen einen Betrieb zu führen, arbeitete sie als Ackerbauleiterin drei Jahre auf einem ökologischen Betrieb im Osten Deutschlands mit 500 Kühen und 800 Hektar Land.
Sie wollte jedoch bio-dynamisch arbeiten und ersteigerte im Jahr 1999 gemeinsam mit Martin Hänsel in Taucha bei Leipzig einen konventionellen Gemüsebaubetrieb aus einem Insolvenzverfahren. Martin Hänsel war Referent für Ökologischen Landbau des Landes Sachsen und nach Feierabend sehr aktiv im Betriebsaufbau. Später war er Berater bei Bioland mit einer halben Stelle und im Betrieb tätig. Maria Bienert hat Vollzeit am Hof gearbeitet. 2018 teilten die beiden den gemeinsamen Betrieb auf: Als Bienert und Hänsel GbR besitzen sie weiterhin gemeinsam Land, Gebäude, Pachtverträge und die Maschinen, die jeweils an die beiden Einzelbetriebe verpachtet bzw. vermietet werden.
Es hatten sich verschiedene Herangehensweisen bezüglich diverser Entscheidungen entwickelt. Verschiedene Vorstellungen hatten sich herausgebildet, von Anliegen wie viele Mitarbeiter einzustellen oder eher ein schlankes Programm zu fahren, von verschiedenen Methoden der Bodenbearbeitung oder dem Zeitmanagement. „Daher haben wir uns zur Aufteilung entschlossen – so kann jeder eigene Entscheidungen treffen und muss keine Kompromisse eingehen, deren Konsequenzen man nicht verantworten möchte,“ fasst sie die Entscheidung zusammen. Jetzt bewirtschaftet jeder von ihnen 27 Hektar Land – Maria Bienert die Südhälfte und Martin Hänsel die Nordhälfte.
Bodenfruchtbarkeit als Schlüssel zum Erfolg
„Nährendes“ Gemüse anbauen – das ist das Anliegen von Maria Bienert. Ein Aspekt davon ist das Bodenleben, das zum Beispiel durch Gründüngungen genährt werden kann. Bei der Bodenbearbeitung nimmt sie nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich vor, das erhält Feuchtigkeit und beugt Verschlämmung vor.
Das lässt sich auf kein festes Schema runterbrechen, jedes Gerät kann mal nützlich sein – auch Fräsen oder Kreiseleggen, wenn sie mit niedriger Drehzahl genutzt werden. Durch Beobachtung und Wahrnehmung jedes einzelnen Schlages und der Kulturen entscheidet sie, welche Bearbeitung stattfindet. Als grobe Leitlinie könnte man sagen, dass abgesehen vom Möhrenfeld, das nach der Ernte gepflügt wird und schwarz in den Winter geht, alle anderen Parzellen dauerhaft begrünt sind. Inkarnatklee, Wintererbsen, Phacelia, Wicken werden im Frühjahr eingearbeitet, bevor die Folgekultur eingesät wird.
Ein weiterer Aspekt ist die Fruchtfolge. Die Fruchtfolge ermöglicht es ihr, ohne Input von außen zu arbeiten – wenn man von gelegentlichem Kalken absieht, was jedoch schon mehrere Jahre nicht mehr erfolgt ist. Der Feldgemüsebau ist Teil der Ackerfruchtfolge, was sich belebend auf den Boden und die Kulturen auswirkt. Luzerne bildet die Basis für die folgenden Kulturen und erschließt Nährstoffe aus tieferliegenden Bodenschichten.
Die positive Entwicklung des Bodens ist für Maria Bienert unmittelbar in der Bodenbearbeitung sicht- und spürbar: Früher wurde gepflügt, gegrubbert und daraufhin gewalzt, um grobe Kluten zu zerkleinern, und dann gesät. Heute zeigt sich ein anderes Bild: Wenn überhaupt, dann wird flach gepflügt, also 10 – 15 cm tief, und die Erde zerfällt dabei so fein, dass danach bspw. direkt Getreide gesät werden kann.
Die Spatenprobe zeigt Feinwurzeln, Würmer, Knöllchenbakterien und eine sehr gute Krümelstruktur. Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren blieb der pH-Wert konstant und der Humusgehalt ist im Durchschnitt über alle Schläge um 0,5 % von 1,8 auf 2,0 % gestiegen. Das erscheint nicht viel, aber es ist ein großer Unterschied in der Bearbeitbarkeit des Bodens. Es geht beim Humus nicht um die Quantität, da würde Torf am meisten bringen, sondern um die Qualität von Bakterien und komplexen Humusverbindungen. Zwei Bewässerungstrommeln sichern im Sommer die Bewässerung der Kulturen auf den Feldern.
Neben Intuition, Erfahrung und Beobachtung zieht Maria Bienert aber auch Bodenanalysen zu Rate, etwa zu pH- Wert und eventueller Kalkung. Allerdings musste sie die letzten Jahre nicht mehr kalken. Auch beim Phosphor vertraut Maria Bienert auf die Mikroorganismen, denn sie machen ihn pflanzenverfügbar: „Die Phosphorreserven können durch das Bodenleben und die Wurzelausscheidungen verfügbar werden für die Kulturpflanzen.“ Neben der Gründüngung trägt Rindermistkompost aus einer Stroh-Futter-Mist-Kooperation zu Bodenentwicklung bei. Seit 21 Jahren kauft sie keinen organischen Dünger zu.
Gemüse im geschützten Anbau
Zu den 27 Hektar Ackerfläche kommen noch 4.100 m² geschützter Anbau hinzu, aufgeteilt in 1.600m² in Folientunneln und 2.500m² unter Glas als Kalthaus. Bewässert wird durch einen Brunnen, der auch ein Wasserrückhaltebecken neben dem Gewächshaus speist. Im Gewächshaus gibt es eine vierjährige Fruchtfolge: Im ersten Jahr wird im Winter mit einer Gründüngung aus Erbsen, Ackerbohnen, Wicken, Getreide, Phacelia und Sonnenblumen gestartet. Darauf folgen Tomaten, die mit Luzerne oder Silage gemulcht werden. Folgend finden Feldsalat, Spinat oder Asia-Salate Platz. Im zweiten Winter gibt es wieder eine Gründüngung, gefolgt von Gurken, denen Feldsalat folgt. Im dritten Jahr werden Salatsamen für den Nachbau gepflanzt. Im vierten Jahr steht Rucola gefolgt von Bohnen oder Ingwer.
Der Humusgehalt im Gewächshaus stieg in fünf Jahren von 2,5 auf etwa 5,5 % an. Dort verharrt er. Die Bodenbearbeitung erfolgt nur mit dem Einachser. Die Fräse kommt selten zum Einsatz, um das Bodenleben so wenig wie möglich zu stören.
Die Jungpflanzen kauft Maria Bienert meist zu – dabei stört sie aber, dass die Pflanzen in Torfsubstrat angeboten werden, das den Boden sauer macht und nach ihrer Erfahrung auch schlecht vom Boden „verdaut wird“, wie sie es beschreibt. Sauerklee, der sich ausbreitete, ist ein Indikator, der deutlich macht, dass etwas nicht stimmt. Doch um die Jungpflanzen selbst anzuziehen, fehlen ihr derzeit noch die Kapazitäten.
Maria Bienert setzt auf samenfeste Sorten, außer bei Tomaten, da experimentiert sie mit einer eigenen Nachzucht aus einer Hybridsorte. Hybridsorten bilden unter vielen Bedingungen mehr Masse, ob sie aber auch ebenso viel hochwertige Inhaltsstoffe, sprich Nährwert bilden, ist fraglich. Ein Sportler, der auf der Kurzstrecke gut ist, kann keinen Marathon gewinnen. Im Geschmack vereinen sich sehr viel entscheidende Eigenschaften, deshalb ist er als ganzheitliches Qualitätskriterium geeignet und bei ihrer Sortenwahl ausschlaggebend.
Biodynamische Präparatearbeit und Tiere am Hof
Ergänzend zum Präparateeinsatz bringt Maria Bienert auch verschiedene Pflanzentees direkt aus, um die Pflanzengesundheit zu unterstützen. Eigene Tiere sind nicht am Hof, doch es gibt Besuchertiere: Ein ortsansässiger Schäfer ist mit seiner 150-köpfigen Herde seit 2018 regelmäßig auf den Flächen unterwegs. Die Leineschafe, deren einziger Herdbuchzüchter er ist, fressen die Gründüngung und hinterlassen wertvollen Dünger. „Die Luzerne war im Hochsommer 2018 das einzige wachsende Grün.“ erinnert sich Maria Bienert. Weiterhin gibt es eine Stroh-Futter-Mist-Kooperation mit einem Bauern, der zehn Mutterkühe plus Nachzucht hält. Deren Mist wird zusammen mit den Gemüseabfällen in Feldrandmieten, die aufgrund der Düngeverordnung jährlich ihren Platz wechseln, aufgesetzt.
Soziale Veränderung leben
Die Solidarische Landwirtschaft, in die der Betrieb vermarktet, besteht seit 2013 und geht auf die Initiative eines ehemaligen Auszubildenden, Simon Junge, zurück, der die Sterngartenodyssee gründete. Das Konzept: drei Betriebe verantworten den Gemüsebau, ein Betrieb den Obstbau für die derzeit 650 Haushalte, und sie haben nebenbei weitere Einkünfte. So auch Maria Bienert: 60 – 70 % des Umsatzes laufen über die SoLawi, der Rest über den Großhandel, den regionalen Handel und die Gemüsesamenumsätze über die Bingenheimer Saatgut und die Sativa Rheinau.
In der SoLawi testen sie das Entescheidungsystem der Soziokratie, in der es keine Mehrheitsbeschlüsse gibt, sondern jeder Einwand gehört und, wenn sinnvoll, integriert wird. Der blinde Fleck, oft durch Minderheiten repräsentiert, kann die Entscheidung besser machen. Entschieden wird nach der Frage: „Ist es gut genug, um es auszuprobieren?“ Die SoLawi ist somit auch experimenteller Raum für soziale Veränderung.
Soziale Veränderungen finden auch unmittelbar im Betrieb statt: Maria Bienert nimmt sich die Zeit, um ihre Mitarbeiter anzulernen und ihnen ihre Art und Weise der Kulturführung zu erklären – denn sie sind zum Teil als Quereinsteiger zu ihr gekommen, und waren ursprünglich als KFZ-Mechatroniker, Elektriker, Artist oder Dolmetscher tätig. „Früher habe ich alles kontrolliert und vorausgeplant. Heute versuche ich eher meine Mitarbeiter dazu zu befähigen, Entscheidungen selbstständig zu treffen.“ beschreibt sie ihren Führungsstil, der anfangs zwar Mehrarbeit bedeutet, aber zu mehr Zufriedenheit und Engagement führt.
Was nährt uns?
Für Maria Bienert ist es die Liebe und die Beziehung zum Leben, das sie nährt:
„Mit dem Leben, mit der Erde, kann ich versuchen, in Kontakt zu treten, zu kommunizieren. Wie mit jedem anderen Lebewesen auch, und dann kann eine Antwort kommen – eine Reaktion. Wir Landwirte selbst produzieren nichts. Wir legen die Saat in den Boden, bewässern und versuchen, gute Bedingungen zu schaffen. Aber selbst ein Radieschen oder einen Kohl produzieren, das können wir nicht. Dafür braucht es eine höhere Kraft, oder wie man es auch nennen mag. Die daraus folgende Ernte ist immer wieder ein Geschenk, wofür ich zutiefst dankbar bin.“
Gemüsebau Maria Bienert
Seit 2018, vormals Bienert & Hänsel GbR, gegründet 1999 / Demeter seit 2001
sandiger Lehm, durchschnittlich 50 BP, 500 mm Jahresniederschlag, 9°Jahresdurchschnittstemperatur
27 ha, 2.500m² Glas, 1.600m² Folie:
Acker- und Gemüsebau in der Parthenaue bei LeipzigKulturen: Luzerne, Getreide (Winterhafer, Hirse,
Dinkel, Buchweizen)Samenbau: Zwiebeln, Salate, u.a.
Gemüse: Möhren, Kartoffeln, Sellerie,
Rote Beete, Kürbis, Brokkoli, Grünkohl, PaprikaGewächshaus: Samenbau, Tomaten, Gurken,
Blattkulturen, BohnenVermarktung: SoLawi Sterngartenodyssee (Zusammenschluss von 4 Betrieben, Gemüse für 650 Haushalte wöchentlich), Großhandel Naturkost Erfurt, Abokisten
7 Mitarbeiter (4 Vollzeit, 3 Teilzeit 8 – 30 h) plus Saisonhilfe oder SoLawi-Einsätze
Gemüsebau Maria Bienert, Püchauerstraße 4, 04425 Taucha
https://www.biohof-leipzig.de/
Was nährt Uns?
Für Maria Bienert ist es die Liebe und die Beziehung zum Leben, das sie nährt:
„Mit dem Leben, mit der Erde, kann ich versuchen, in Kontakt zu treten, zu kommunizieren. Wie mit jedem anderen Lebewesen auch, und dann kann eine Antwort kommen – eine Reaktion. Wir Landwirte selbst produzieren nichts. Wir legen die Saat in den Boden, bewässern und versuchen, gute Bedingungen zu schaffen. Aber selbst ein Radieschen oder einen Kohl produzieren, das können wir nicht. Dafür braucht es eine höhere Kraft, oder wie man es auch nennen mag. Die daraus folgende Ernte ist immer wieder ein Geschenk, wofür ich zutiefst dankbar bin.“