Portrait

Mit Bio Beziehung schaffen

Der Bio-Großhandel Bodan fördert regionale Entwicklung

von Michael Olbrich-Majer

Sascha Damaschun und Volker Schwarz führen die Geschäfte von BODAN auch unter Gemeinwohlaspekten.

Dicke deutsche Auberginen, Brokkoli und erste Tomaten aus der Region stapeln sich Ende Mai bereits im Kühllager, zeigen, was einheimische Bio-Gemüsebauern leisten können. Ein Abteil weiter warten unter grünem Licht heimische Lagerkartoffeln und frühe aus Italien. Im Zentrallager des Regionalgroßhändlers Bodan in Überlingen streifen Mitarbeiter durch die Hochregallandschaft und kommissionieren mithilfe elektronischer Handgeräte, was in die nächsten LKW muss, auch Obst, Milchprodukte, Trockenware, Kosmetik, Tiefkühlkost oder Getränke. Bio-Handel ist zunächst wohlorganisierte Logistik, die Bauern und Kunden – hier die Fachhändler – verbindet, sieben Tage die Woche. Ware organisieren ist das eine. Aber für Bodan geht es auch darum, Menschen zusammenzubringen, um Entwicklungsfragen der Branche anzugehen – im Markt für Bio-Lebensmittel aktuell drängender denn je. Welche Wege gibt es, den Naturkostfachhandel als künftigen attraktiven Einkaufsort zu gestalten? Liefernden Landwirten Perspektiven zu geben? Was kann ein Handelsunternehmen über die Verteilung von Lebensmitteln hinaus überhaupt bewegen?

Die Bauern würden wohl als Erstes sagen: für gute Preise sorgen. Die braucht der unabhängige Naturkostfachhandel jedoch auch, nur in die andere Richtung, steht er doch in Konkurrenz zu den großen Bio-Filialisten, die sich wiederum an den Bio-Preisen des konventionellen LEH messen. Denn aktuell vergleichen die Verbraucher verschärft.

„Die nächste Innovationsebene für den Biohandel ist die soziale,“ davon ist Sascha Damaschun, einer der beiden Geschäftsführer von Bodan und zuständig für den Markt, überzeugt. Natürlich müsse der Naturkostfachhandel an seine Strukturprobleme ran – Effizienz und Effektivität sind für ihn hier die Stichworte. Das braucht Kooperationsgespräche, Vereinbarungen. Doch gehörten ebenfalls die Verbraucher und ihre Verantwortung stärker in den Wertschöpfungsprozess integriert. Also auch hier Beziehungen schaffen, vom Hof bis zum Endkunden. Im Vergleich zu größeren Handelsstrukturen habe der individuell geprägte Naturkostfachhandel hier das größte Potenzial.

Auf diesen konzentriert sich Bodan. Große Bio-Filialisten, konventioneller LEH oder Gastronomie werden nicht beliefert. Im Vertriebsgebiet zwischen Mannheim, Würzburg, Salzburg und dem Bodensee fährt Bodan rund 550 Verkaufsstellen an, vom Hofladen oder Abokistenbetreiber bis zum Naturkostfachgeschäft oder Biosupermarkt. 23 LKW sind dafür täglich rund um die Uhr unterwegs und holen auch Ware ein. Auslastung ist wichtig im Hinblick auf Effizienz und Ökologie, daher nutzt der Großhändler zumeist großvolumige Sattelzüge, in die mehr reinpasst und die auch Ware für Kooperationspartner transportieren. Der eigene Fuhrpark ermöglicht, dass in emissionsarme Techniken wie dieselfreie Transportkühlung oder Gas- bzw. Hybridantriebe investiert werden kann.

Nachhaltigkeit, Gemeinwohl und regionale Entwicklung im Blick

Bodan entstand vor 35 Jahren aus der Fusion des Zwergen-Knusperhäusle-Naturprodukte-Handels, hervorgegangen aus dem Demeter-Gemüseverkauf der therapeutischen Einrichtung „Sieben Zwerge“, und dem lokalen Naturata Regionalgroßhandel. Aus der siebenköpfigen Unternehmung ist ein in Baden-Württemberg und Bayern aktives Unternehmen geworden, das die regionale Biobranche mitgestaltet und fördert, dem Zweck der GmbH entsprechend.

Dazu gehört, neben Einkauf und Vertrieb, eine solide und effiziente Organisation. Am schwarzen Brett hängt eine Grafik zur Fehlerquote beim Packen. Auch Abschriften, also Warenverluste wegen Verderb oder Bruch, sind ein kontinuierliches Thema, nicht nur aus ökologischen Gründen. Die 230 Mitarbeitenden verteilen sich auf fünf Geschäftsbereiche: Einkauf, Verkauf, Personal- und Finanzwesen, Transport sowie interne Logistik, zusammengeführt im Geschäftsleitungskreis. Die Geschäftsführung teilen sich Sascha Damaschun – rund um die Warenbeziehungen – und Volker Schwarz rund um Logistik, Personal und Finanzen. Ein Beirat repräsentiert Erzeuger, Verarbeiter, Einzelhandel und Gesellschaft und berät die Leitungsebene strategisch.

Neben möglichst klimaschonender Fahrzeug- und Gebäudetechnik, Geothermie, Fotovoltaik, der ökologischen Gestaltung des Geländes inklusive naturnahem Garten mit Bienenvölkern stellt sich das Unternehmen seinem besonderen Anspruch bei Nachhaltigkeit mit der EMAS-Zertifizierung und hinsichtlich der Gemeinwohlwirkung mit der entsprechenden Bilanz.

Um die ökosozialen Effekte der Geschäftstätigkeit nicht erst im Rückblick zu betrachten, beteiligte sich Bodan am Projekt QuartaVista. Die hier erarbeiteten Kennzahlen und Erkenntnisse fließen bereits in die Entwicklung eines neuen Kontenrahmens ein. „Damit können wir dann im laufenden Geschäftsjahr schon steuernd eingreifen,“ so Volker Schwarz. Parallel dazu stellt Bodan ab diesem Jahr Lieferpartnern insgesamt 100 Softwarelizenzen für den von der Regionalwert AG entwickelten „Leistungsrechner“ zur Verfügung. Dieser soll die von den Lieferpartnern geschaffenen Werte sichtbar machen, die in der rein finanziellen Buchhaltung nicht erfasst werden, z. B. Investitionen in Bodenfruchtbarkeit, Tierwohl oder soziale Maßnahmen.

Zwischen Bio-Fachhandel und Bio-Bauern

Dem Einzelhandel bietet Bodan nicht nur beste Ware mit einem Sortiment von ca. 12.000 Artikeln, bevorzugt aus regionaler Herkunft. Läden, die ihren Hauptumsatz mit Bodan machen, können Partner werden, aktuell 150, und im delegierten Partnerbeirat Sortimente und Handelsinstrumente mitgestalten. Der Großhändler bietet zudem Fachberatung zu Sortiments-Sparten wie Obst und Gemüse oder Naturkosmetik, wie auch Strategieberatung, etwa zu Finanzierung, Ladenkonzepten oder Neugründungen. Gerade junge, neue Naturkosthändler sollen unterstützt werden. Im Verbund der regionalen Bio-Großhändler „Die Regionalen“ werden zudem Marketingmaterialien bereitgestellt. In Kooperation mit regionalen Bio-Großhandelskollegen wurde das Bildungsnetzwerk Naturkost ins Leben gerufen, um die Kompetenz und Beratungsqualität im Naturkosthandel zu stärken. Mit der Hausmesse im Herbst und dem Bodan-Partnerforum im Sommer bietet der Großhandel zwei vielfältige und gern genutzte Plattformen für Begegnung und Austausch.

Intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Landwirten am Bodensee – vor allem mit den biodynamischen. Rund 20 Demeter-Betriebe treten unter der eigenen Marke „WIR. Bio Power Bodensee“ auf. Gemeinsam mit dem Großhändler wollen sie die Beziehungen und das gegenseitige Verständnis der Akteure vom Acker bis zum Einkaufskorb vertiefen, zusammen Verantwortung für regionale Kreisläufe übernehmen. Das betrifft nicht nur Obst und Gemüse, sondern alles, was zu einem gesunden Hoforganismus dazugehört, also auch Milch, Eier, Fleisch und Getreide. Insgesamt sind es rund 70 Höfe, die ihre Feldfrüchte über Bodan in den Handel bringen. Hinzu kommen Bündler und Hersteller, gut 530 Adressen. Bodan legt Wert auf „kurativen“ Einkauf, nicht einfach nach günstigstem Preis, sondern gekoppelt an gemeinsame Werte und partnerschaftliche Zusammenarbeit, inklusive Abstimmen der Anbauplanung. Vorrangig Demeter-Ware sagt das Gründungsstatut, bei ca. 20 % liegt deren Anteil aktuell. Natürlich wird täglich über Preise gesprochen, doch das zehnköpfige Einkaufsteam strebt nach langjährigen transparenten Geschäftsbeziehungen und bester Qualität, Verbandsware, saisonal und regional, bevorzugt gemeinwohlorientiert. Darüber hinaus will Bodan Innovationen in Anbau, Handel und Geschäftsmodellen anregen, Bio gemeinsam weiterentwickeln.

Initiativen & Beziehungen knüpfen

Im Vertriebsbereich zeigt sich das z. B. im Format „Zukunftslabor“: Hier brachte der Großhändler ab 2019 Hersteller und Ladner zusammen, um Projekte zur Profilierung des Bio-Fachhandels zu entwickeln. In Fortführung der Pilotphase finden nun regelmäßig Stammtische zum Austausch mit Herstellern statt, sowie Herstellerbesuche mit Ladnern. Damit Ladner und deren Kunden aus erster Hand erfahren, was hinter dem Bio-Obst und Gemüse steckt, lädt Bodan im „WIR. Netzwerk“ zu Exkursionen auf die Bio-Höfe der Region ein. Manchmal geht es mit Ladnern auch bis nach Almeria oder Apulien. „Das ist wichtiger geworden“, so Damaschun mit Verweis auf das Bekanntwerden schlechter Arbeitsbedingungen in Südeuropa. „Vor Ort wird ohne Filter erlebbar, dass es auch anders geht. „Für transparente soziale Standards sorgt zudem eine Zertifizierung im Rahmen des „SIVISIO“-Labels, die u.a. Mitarbeiterrechte, faire Bezahlung und angemessene Unterkünfte im Blick hat. „Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben als Großhandel,“ so Damaschun, „Transparenz schaffen und Beziehungen herstellen.“

Markus Pfister vom Demeter-Hof Höllwangen führt uns in den Stall und auf die Weide: Er und andere Demeter-Bauern aus dem Netzwerk „WIR. Bio Power Bodensee“ wollen alle Milchviehkälber, nicht nur die Nachzucht, selbst aufziehen und vermarkten, statt sie in anonyme, meist konventionelle Handelswege zu geben. In einer betriebsübergreifenden Kooperation arbeiten jetzt Partner aller Wertschöpfungsstufen Hand in Hand: Die Kälber stehen zunächst mit Ammenkühen im Stall und auf den Weiden der Milchviehbetriebe. Nach dem Absetzen mit ca. fünf Monaten gehen dann z. B. vom Hof Höllwangen jährlich ca. 40 Kälber auf benachbarte Demeter-Höfe zur Weidemast. Geschlachtet werden sie im Alter von höchstens 30 Monaten im Schlachthof Überlingen, verarbeitet von der Frischland Manufaktur in Singen. Über Bodan kommen sie als Weiderindfleisch unter dem Label „WIR.“ in die Bioläden. „Als Gemüsebauern strapazieren wir die Böden“ stellt Achim Heitmann fest, der mit Pfister den Hof Höllwangen leitet. Der Dung der Rinder stärkt die Fruchtbarkeit der Böden. Für eine sinnvolle Fruchtfolge bauen die Höllwangener, die Partnerbetrieb des Bodenfruchtbarkeitsfonds sind, auch Getreide an, regional gezüchtet vom Keyserlingk-Institut oder Peter Kunz. Das wird ebenfalls gezielt vermarktet: Von einer regionalen Mühle verarbeitet, kommt diesen Sommer biodynamisches Mehl unter der Marke „WIR.“ in den Handel, mit „bioverita“-Auslobung für die Züchtung neuer, oder „ProSpecieRara“ für den Erhalt alter Sorten. Entwicklungs- und Vermarktungspartner auch hierbei: Bodan. „Wir brauchen so jemanden wie Bodan, der die Gesprächsfäden verknüpft und Wertebotschaften weiterträgt“, so Markus Pfister. Mit „77Hube“, einer neugegründeten Erzeugergemeinschaft, wollen zehn Demeter-Bodenseebauern außerdem z.B. Gemüse zweiter Wahl im Glas, als Saucen etc. vermarkten.

„Vertrauen bildet die Basis, um Qualitäten über reine Bio-Labels hinaus weiterzuentwickeln und Projekte zur nachhaltigen Regionalentwicklung mit anzustoßen,“ heißt es auf der Website von
Bodan. Das zeigt sich nicht nur in den vielen Kooperationen des Unternehmens, u.a. mit den Züchtungsinitiativen hinter dem Label „bioverita – Bio von Anfang an“. Die aktuellen Probleme beim Absatz von Demeter-Eiern geht der Großhändler gemeinsam mit den betroffenen drei Betrieben an, bevor die Verluste zu hoch werden: Bodan senkt für diesen Sommer den Eierpreis im Handel und beteiligt sich aktiv an Lösungen für die Vermarktung der Übermengen bei den Betrieben. Gleichzeitig wird in einem Stall früher
geschlachtet als geplant, um den Mengendruck zu reduzieren. Grundlage für solche gemeinsamen Maßnahmen ist das gegenseitige Offenlegen der Kalkulation und die Suche nach einvernehmlich getragenen Lösungen – Vertrauen eben.

 

Am Markt bestehen durch Kooperationen und Intensivierung

Auch horizontal gibt es vielfältige Kooperationen, z. B. die Gesellschaft KorBio mit acht weiteren regionalen Biogroßhandelskollegen zum Einkauf bei national agierenden Trockenwarenanbietern. Das bringt Effizienzvorteile und hilft, Naturkost-Fachhändler und -Hersteller im Marktumfeld zu stärken, aber auch nationale Themen zu bearbeiten: Effizienz in der Logistik, verbesserte Konditionen für den Bio-Fachhandel. Letztlich geht es um das Schaffen von Spielräumen für die Weiterentwicklung öko-sozialer Qualitäten.

Diese werden immer wichtiger. Auch um Antworten zu geben auf die Frage: Was ist eigentlich das Biodynamische am Handel? Denn der Demeter-Anteil im Sortiment allein kann es nicht sein. Der Naturkostfachhandel steht unter Druck, zumal jetzt auch Filialisten wie Alnatura als Großhändler aktiv werden. Im konventionellen LEH ist Regionales, aber auch Bio meist nur ein Regal von vielen und nicht selten vor allem ein Baustein im Marketing. Bodan sieht sich mehr als Wertebotschafter und Entwicklungspartner. Regionalität, Beziehung und besondere Qualität sind originäre Stärken des Naturkostfachhandels, die es auszubauen gilt. Wieder ist das Stichwort Effizienz, gepaart mit konkreten Effekten der Werteorientierung. Bodan sondiert hier immer wieder Perspektiven und lotet Spielräume aus. Dabei geht es weniger ums Expandieren als ums Intensivieren: engere Zusammenarbeit mit Hofläden, genauere Rückmeldungen von den Kunden, Einbeziehen innovativer Lieferdienstangebote, Fördern frischer Ladenkonzepte, vielleicht auch in Mischformen, da wo es ums Sichern ländlicher Infrastruktur geht. Die Beziehungsebene sei eben nicht beliebig skalierbar, blickt Sascha Damaschun zuversichtlich nach vorne, aber sie mache den Unterschied.

BODAN GROßHANDEL FÜR NATURKOST GMBH

  • Gegründet 1987 von lokalen Naturkostgroßhändlern als Bodan Verteilerdienst
  • Heute Bio-Regionalgroßhandel für selbständige Einzelhändler in Süddeutschland
  • Vollsortiment mit 12.000 Artikeln, Schwerpunkte sind Obst & Gemüse, Milchprodukte
  • Jahresumsatz ca. 100 Mio. Euro (2021), davon 20 % mit Demeter-Erzeugnissen
  • 230 Mitarbeiter (190 VZÄ/Vollzeit-Äquivalente), davon 120 im Lager (inkl. Kommissionierung, Leergut und Versand), 30 in der Transportlogistik
  • ca. 550 Kunden, ca. 530 Lieferanten, über 2,5 Mio Streckenkilometer im Jahr
  • Fuhrpark: 23 LKW (teilweise mit alternativen Antrieben/Treibstoffen alle mit dieselfreier CO2-Kühlung)
  • kurative Einkaufspolitik, Partnerbeirat besetzt mit Einzelhändlern
  • Gemeinwohl-Bilanz, Nachhaltigkeitsbericht (EMAS), diverse Entwicklungsprojekte
  • Geschäftsführer: Sascha Damaschun, Volker Schwarz

https://www.bodan.de