Portrait
Gemüse fürs Dorf
Der Demeterhof Witt nutzt auch Pflanzenkohle
von Michael Olbrich-Majer

Mitten im 1600-Einwohner-Dorf Weier bei Offenburg gibt es einen hübschen Bioladen und einen Ort weiter ein Demeter-Selbstbedienungslädchen. Beide werden bestückt und betrieben vom Demeterhof Witt, der hier einen Großteil seines Gemüses vermarktet – lokal. Wie viele Betriebe in der Rheinebene über die Jahre schrittweise auf Feldwirtschaft spezialisiert, hat sich Betriebsleiter Johannes Witt einst entschieden, auch Gemüse zu ziehen, teilweise in Folientunneln. Und seit 4 Jahren kommt auch Pflanzenkohle in den Kompost und in die Gewächshäuser.
Salat statt Stahl

Auf dem Hof angekommen, begrüßt mich zuerst Heltraud, pensionierte Lehrerin, die Jungpflanzen für den kleinen Markt, den der Hof veranstaltet, zurecht macht. „Der Chef kommt gleich“. Sie hatte sich bei einer Hofführung für die freiwillige Mitarbeit im Gemüsebetrieb entschieden. Ein Schulpraktikant wartet auf dem Schlepper auf die nächste Anweisung, der Gemüsefahrer hat gerade den engen Hof verlassen, dann sind beide „Chefs“ da, Senior Johannes und Junior Luca Witt. Den landwirtschaftlichen Betrieb leitet Johannes Witt noch alleine, den Biohofladen Witt GbR führen sie gemeinsam. Während Luca mehr nach Büro, Finanzen und Vermarktung schaut, ist Vater Johannes näher am Gemüse.
Johannes Witt hat 1989 den elterlichen Nebenerwerbsbetrieb übernommen, damals mit weniger Hektar, aber mit Tieren. Zuvor hatte er in seinem Lehrberuf als Maschinenschlosser im Stahlwerk gut verdient – aber seine Liebe zum kalten Material hatte Grenzen. Er stellte auf biodynamische Wirtschaftsweise um, begab sich in die Landwirtslehre, betrieb Ferkelzucht und etwas Mast und wagte sich an Neues – den Anbau von Freilandgemüse, das seine Mutter dann im Hofladen verkaufte. Mit Hilfe des Demeter-Beraters Bernd Schimmele kam er über die anfänglichen Probleme hinweg. Nach knapp zehn Jahren wurde nicht nur der Hofladen ausgebaut, sondern auch der erste Folientunnel aufgestellt und außerhalb des Orts eine Maschinenhalle errichtet. Heute hat der Betrieb knapp 27 Hektar Nutzfläche: Acker, Gemüse, Hühnerweiden, Streuobst, Folienhäuser und neben den festen eine Handvoll freiwillige Mitarbeitende aus dem Ort. Vater und Sohn sind sich einig. „Landwirtschaft ist der beste Arbeitsplatz – man kann viel probieren, die Arbeit ist vielfältig und abwechslungsreich.“
Sieben Sorten Zwiebeln
Ungefähr vierzig verschiedene Arten Gemüse bauen die Witts an, von Feldsalat bis Fenchel eigentlich alles außer Möhren und Pastinaken - das spart Kosten für Rodetechnik. Ein Teil wird als Bio-Jungpflanze gesetzt, und was es samenfest aus Bingenheimer Vermehrung gibt, selbst gesät. Acht Tomatensorten, zahlreiche Salate, sieben Zwiebelsorten, im geschützten aber ungeheizten Anbau auch Peperoni und Ingwer. Die Tomaten haben weiten Standraum und werden im „V“ gebunden, so bleiben sie gesünder und der Ertrag ist dem Normalabstand vergleichbar. Am linken und rechten Rand des Folienhauses stehen drei Reihen Knoblauch, auch das wirkt positiv, ebenso wie die Begrünung mit Biosportrasenmischung zwischen den Tomaten den Boden schützt.
Beim Dünger strebt der Betrieb Selbstversorgung an: Die angebauten Ackerbohnen werden bei Bedarf geschrotet und vor allem bei den Tunnelkulturen als Dünger eingebracht, oder es wird Kleegras als Mulch genutzt, frisch oder siliert. Dazu kommt noch der Kompost mit Geflügelmistanteil. Auch mit regionaler Schafwolle als Dünger hat es Johannes Witt versucht – im Folientunnel. Die löst sich nur langsam auf, ist aber als Abfallprodukt günstig zu haben. Eine Aufbereitung zu Pellets oder ähnlichem braucht es wohl, damit sie marktgängig werden kann.
Auf dem Feld stehen neben den drei Brotgetreiden, Ackerbohnen und Kleegras auch Kartoffeln und Meerrettich. Eine Bewässerung gibt es nicht. Besondere Anforderungen stellt der Meerrettich, auch wenn die Kultur die gleichen Anbauverhältnisse wie die Kartoffel hat (Reinkultur 75 cm). Der Anschnitt und die exakte Ablage beim Pflanzen der Wurzelstecklinge im leichten Winkel ist nur von Hand zu leisten, 23.000 Pflanzen je Hektar. Umfangreiche weitere Handarbeit ist nötig, insgesamt mehr als 700 bis 1.500 Arbeitsstunden pro Hektar und Jahr. Für die intensivsten drei Wochen wird der Hof von einem Arbeiter aus Rumänien unterstützt. Die Pflanze soll eine starke Wurzel bilden, wozu die Seitenwurzeln gekappt werden, gelagert und im nächsten Frühjahr als Stecklinge austreiben.
Der Deckungsbeitrag allerdings beträgt das Dreifache von Kartoffeln und trägt fast ein Viertel zum Betriebseinkommen bei. Kartoffeln, nach Meerrettich angebaut, bleiben übrigens vom Kartoffelkäfer weitgehend verschont, so die Beobachtung des Betriebsleiters.
Angelegte Streuobstwiesen bringen nicht nur Schatten, Strukturvielfalt und Blühangebot in die Ebene, sondern auch Ernte: 120 Apfelbäume (Hochstämme, 40 verschieden Sorten) Die guten Äpfel werden Tafelobst, der Rest ergibt Apfelsaft und Apfelessig.
In einem Projekt mit dem Jugenddorf Offenburg hat Johannes Witt einen „Biodiversitätsturm“ am Feldrand gebaut, in dem nun Fledermäuse, Insekten, Vögel und Kleintiere hausen.

Gackern am Acker
Zwei Hühnermobile mit ca. 120 Legehennen und ihren Hähnen bringen tierisches Leben in den Betrieb. Die Eier passen zur Direktvermarktung, der Hühnermist wird kompostiert zum Düngen fürs Gemüse. Alte Hennen leben bei Witts nach ihrer Legezeit noch bis zu einem guten Jahr im „Seniorinnenstall“. Danach werden sie als Suppenhühner vermarktet, konventionell geschlachtet im Nachbardorf. Bioland-Junghennen beziehen die Witts bei diversen Bio-Hühneraufzuchtsbetrieben. Gefüttert werden sie mit hofeigenem Getreide und mit Demeter-Legefutter von Meika. In die Legenester kommt Dinkelspelz. Das Staubbad im Auslauf ist mit feinem Gesteinsmehl gefüllt – das hält Geflügelmilben fern. Sechs Bienenvölker von Johannes Witts Bruder beleben ebenfalls die Betriebsflächen. Kühe gibt es hier, wie fast überall im Rheingraben, schon lange nicht mehr, 1982 ging der letzte Bulle vom Hof. Entsprechend schwierig wird es auch mit dem Demeter-Anspruch, Wiederkäuer in alle Betriebe einzubeziehen. Für eine Futter-Mist-Kooperation ist der nächste tierhaltende Kollege weit, und wer gibt schon Mist ab?
Mitten im Dorf
Der Hofladen ist ein wichtiger Kommunikationsort im Dorf und fungiert mit einem Vollsortiment bis zum Putzmittel als Nahversorger. Begonnen hat es 1989 mit dem Gemüseverkauf durch Oma Witt aus der Garage im Rahmen der Umstellung auf Demeter, zehn Jahre später wurde der Raum zum Ladengeschäft erweitert, der Dienstag, Freitag und Samstag geöffnet ist. Fünf Verkäuferinnen aus der Umgebung teilen sich den Verkaufsdienst. Kundenlockmittel für den Freitag ist das frische Demeter-Brot, das Johannes Witt seit Jahren selbst bäckt, drei Sorten, 90 Brote, aus eigenem Weizen, Dinkel, Roggen im selbstgebauten Ofen. Der wird mit eigenem Holz angefeuert. Gemahlen wird auf der Schrotmühle neben der Backstube bzw. im Lohn beim Müller. Tags zuvor wird der Ofen von zwei Mitarbeiterinnen zum Kuchen backen genutzt, der ebenfalls im Laden verkauft wird.
Die Witts machen nicht viel Marketing, ein bisschen Website, zweimal jährlich im Lokalblättchen, das Wochenangebot auf Facebook, ein Flyer im Laden. Dennoch macht die Direktvermarktung ca. die Hälfte des Umsatzes aus. Dazu trägt auch der Selbstbedienungsladen bei, dieser hat außer Sonntag ganztags geöffnet. Auf 350 Stammkunden im Umkreis von zehn Kilometer können die Witts bauen. Ein weiterer Teil des Gemüses geht in die Abokisten von Demeter-Kollegen aus der regionalen Arbeitsgruppe, an Schulen, Kindergärten und Gastronomie sowie an eine Handvoll lokale Weiterverkäufer, u. a. den Edeka-Markt bzw. einen Regionalladen. Den Meerrettich bauen die Witts für den Demeter-Landwirt und Verarbeiter Erhardt GmbH & Co. KG im acht Kilometer entfernten Appenweier an, ein wichtiges Standbein des Betriebs.
Was sich sicher auswirkt: Sowohl Johannes als auch Luca Witt sind verwurzelt und engagiert im Dorf und der Nahregion. Kindergärten und Schulklassen kommen an zehn bis fünfzehn Tagen im Jahr, um an einem Vor- oder Nachmittag Landwirtschaft zu erleben. Zweimal im Jahr findet ein ökomenischer Gottesdienst auf der Wiese an den Folientunneln statt. Auch Hoffest und Jungpflanzenmarkt bringen Menschen aus der Umgebung zum Betrieb. Zudem hält Edeka Südwest einmal im Jahr auf dem Hof einen Kurs für Mitarbeiter ab. Darüber hinaus sind Vater und Sohn in der Lokalpolitik engagiert: Johannes saß viele Jahr im Ortschaftsrat von Weier und vertrat das Dorf als Stadtrat in Offenburg – Sohn Luca tritt in die lokalpolitischen Fußstapfen seines Vaters. Der ist zudem schon viele Jahre ehrenamtlicher Schöffe, was er als Aufgabe sehr schätzt.
Pflanzenkohle im Test

Zur Kohle kam Johannes Witt über ein Projekt: die Hochschule Offenburg wollte einen Beitrag zum Klimaschutz entwickeln und hatte u. a. die „Landwirtschaft 5.0“ im Sinn. Fünf Bausteine, Biodiversität, Biomassestreifen, Pflanzenkohle, Elektromobilität und Agri-Photovoltaik sollen den Betrieben helfen, klimapositiv zu werden und vielleicht so ein weiteres Förderstandbein erschließen. Die Biomasse soll per Sonnenenergie verkohlt werden und über den Kompost in den Betriebskreislauf eingebracht werden. Zwölf Betriebe, bio wie konventionell, sind dabei. Hof Witt baute dafür versuchsweise Silphie an. Diese Pflanzenkohle muss dann über das Untermischen in organisches Material wie Kompost oder Gülle angereichert, also für den Boden und Pflanze verträglicher gemacht werden. Das Mehr an Bodenkohlenstoff ist auf diesem Weg der Luft entnommen und länger festgelegt. Die Silphie hat noch zwei Nebeneffekte, dient blühend als Bienenweide und überständig im Hühnerauslauf gibt sie Deckung.
Und wie ist der agronomische Effekt, die Handhabung? Die Kohle sollte nicht zu fein sein – Staub! und nicht zu grob. Gröberes Material gibt Johannes Witt in den Kompost, das feinere wird mit EM –Effektiven Mikroorganismen – aufgewertet und eingefräst, 2 kg je qm. Im Feldmaßstab würde der Pflanzenkohleeinsatz teuer, wenn man sie kaufen muss. Witt will sie nur auf Eigentumsflächen verwenden. Über das Projekt kann der Betrieb seine Biomassepflanzen, was regelmäßig den Studierenden der nahen Hochschule demonstriert wird. Kohle zersetzt sich sehr langsam und birgt das Risiko der Nährstofffestlegung. Im Gewächshausboden findet man nach zwei Jahren noch drei, vier Millimeter große Stückchen. Ihre positive Wirkung konnte Witt schon feststellen: Anders als sonst hatten die Tomaten seit dem ersten Pflanzenkohleeinsatz vor vier Jahren keine Phase der Wuchsdepression, eine zusätzliche Düngung im Sommer hätte sich nicht gerechnet. Auch im Hühnerwagen kommt feine Kohle zu Einsatz – bindet Geruch und Flüchtiges. Der Geflügelmist wird zusammen mit den pflanzlichen Resten des Betriebes kompostiert, natürlich biodynamisch präpariert, und etwas Pferdemist kommt noch hinzu.

Regionales Demeter-Netzwerk
Die regionale Demeter-Arbeitsgruppe ist ein fester Bestandteil im Terminkalender von Johannes und Luca. Hier treffen sie einmal im Monat Kollegen, tauschen mit ihnen Ideen aus. Dazu inspizieren sie nicht nur reihum ihre Höfe, sondern setzen sich auch mit Themen wie Stärken- Schwächen (SWOT-) Analyse ihrer Höfe oder aktuell Bodenleben und Biodiversität auseinander. Gemeinsam stellen sie auch die biodynamischen Präparate her, auch das Fladenpräparat, für Betriebe ohne Wiederkäuer besonders wichtig. Hornmist lassen die Witts ausbringen, Hornkiesel wenden sie selbst kulturindividuell an.
Aktuell ist Johannes Witt, 57 Jahre, noch der alleinige Betriebsinhaber, die Hofnachfolge ist jedoch gesichert. Sein Sohn Luca wird den Betrieb in naher Zukunft übernehmen. Dieser hat in seiner Meisterarbeit u. a. die Pilzzucht und einen weiteren, größeren Mobilstall durchgespielt. Während Luca die Optimierung des Betriebes im Blick hält, hat Johannes noch weitere Ideen: Agri-Photovoltaik auf einem Hektar soll dazukommen, auch eine Folge des Projektes Landwirtschaft 5.0., die im Bau befindliche Maschinenhalle muss noch fertiggestellt werden und dann ist da noch der Traum vom Landwirtschaftshof für Rentner: Senioren könnten hier sinnvolles Tun und Gemeinschaft erleben.
Autor: Michael Olbrich-Majer, Redaktion Lebendige Erde
michael.olbrich(at)demeter.de
Demeterhof Witt und Biohofladen Witt GbR
Demeter seit 1989
Rheinebene bei Offenburg, sandige bis lehmige Böden, 45 - 90 Punkte
163 m ü. N. N., 10,3 C und 716 mm Niederschlag im Jahresdurchschnitt
27 ha: 18 ha Acker mit Winzerweizen, Ackerbohnen, Kleegras, 6 ha Wiese (teils Streuobst), ca. 40 Kulturen
Gemüse: 3 ha Feldgemüse, 1650 qm Gemüse in FolientunnelnZwei Hühnermobile mit je 120 Legehennen, samt Hähne
Direktvermarktung im Hofladen und Selbstbedienungsladen, Zulieferung für regionale Demeter-Abokisten, Gastronomien, Kantinen, soziale Einrichtungen, Meerrettich für Demeter Verarbeiter Erhardt GmbH & Co. KG
Donnerstag und Freitag: Backstube (Kuchen, Brot), Verwertung von Gemüse und Äpfeln: Verarbeitung
Eigene Energieversorgung (Holz, Fotovoltaik)
Johannes Witt als Betriebsleiter, Luca Witt als Meister, 1 Geselle in Teilzeit, 1 Teilzeitkraft fürs Büro,
sowie eine Teilzeitkraft- und vier 520 Euro-Kräfte im Hofladen, viele ehrenamtliche Hände in der Landwirtschaft
Demeterhof Witt und Witt GbR, Hubertusstraße 13, 77656 Offenburg-Weier, www.demeterhof-witt.de