Portrait
Demeter im Nebenerwerb
„Rückblickend war es genau richtig – Stück für Stück anfangen, Erfahrung sammeln, ohne dabei ein großes Risiko einzugehen.“

Boris Pfaff führt im 1.500 Einwohner Ort Langenfeld bei Bad Salzungen eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit Mutterkuhhaltung und Ackerbau. Der selbstständige Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei im Ort kann so Familie und Beruf flexibel miteinander verknüpfen.
Tiere waren in Boris Pfaffs Leben schon immer präsent. Er ist in dem Dorf Langenfeld aufgewachsen. „Damals gehörten Tiere einfach dazu, es war normal, dass fast jede Familie einen Garten und eben auch Tiere zur eigenen Versorgung hatte.“ Bis 1974 wurde noch klassische Landwirtschaft – damals schon im Nebenerwerb – betrieben. Auf dem Hof lebten noch Kühe, Schweine, Schafe, Kaninchen und Geflügel. Mit der zunehmenden Kollektivierung sollte auch der individuelle Viehbestand in die gegründeten LPG’en eingebracht werden. Sein Vater brachte die letzte Kuh, es war eine der Rasse Rotes Höhenvieh, zur LPG, als Boris Pfaff, geboren 1969, etwa vier Jahre alt war. Er erinnert sich noch, wie er als kleines Kind zu seiner Oma sagte „Ich bringe sie wieder“. Nun, viele Jahre später, grast wieder Rotes Höhenvieh auf den Weiden bei Langenfeld. Die erste neue Kuh, Mathilda, stammt vom Gut Amalienruh und kam 2016 auf den Betrieb. Sie ist bis heute im stattlichen Alter von 20 Jahren die Leitkuh.
Aktuell sind 24 Tiere am Hof, aufgeteilt in zwei Gruppen. Eine Gruppe bilden die weiblichen Jungrinder mit vier erfahrenen Altkühen. In der anderen Gruppe läuft der Deckbulle mit. Die Tiere werden komplett mit eigenem Futter, Heu und Silo, versorgt – ohne Kraftfutterzugabe. Durch Futterengpässe in den letzten Jahren verbleibt immer 1/3 des Futters als Vorrat im Lager.
Vorteile des Nebenerwerbs

Der Vorteil des Nebenerwerbs ist unbestritten die finanzielle Sicherheit. Durch den Hauptberuf bzw. die Haupttätigkeit ist der Lebensunterhalt für die Familie gesichert. Hinzu kommt bei Boris Pfaff der Vorteil der Selbstständigkeit und damit einhergehend die freie Zeiteinteilung: Boris Pfaff steht um 5:30 Uhr auf, bereitet die Kinder für die Schule vor, versorgt dann das Geflügel und ist ab acht Uhr in der Kanzlei. Das gemeinsame Familienmittagessen findet gegen 13 Uhr statt und danach ist er nochmals bis etwa 16:30 Uhr in der Kanzlei. Der Tagesablauf variiert je nach anstehenden Gerichtsterminen, aber auch je nach Jahreszeit und notwendigen landwirtschaftlichen Arbeiten. In den Ferien helfen die Kinder mit, schauen nach dem Geflügel, kontrollieren aber auch schon mal die Weide. Die meiste Zeit im Sommer wird für die Wasserversorgung der Kühe aufgewendet – eine Weide hat einen Wasseranschluss, eine andere nicht. Dorthin muss dann das Wasser mit einem Wasserwagen transportiert werden. Sein Patenkind, 37 Jahre alt, ist auch mit sämtlichen landwirtschaftlichen Arbeiten vertraut, unterstützt ihn tatkräftig und übernimmt die Urlaubsvertretung.
Auch wenn die Landwirtschaft im Nebenerwerb geführt wird und Spaß macht, muss sie sich rechnen. Gleichzeitig muss das Zeitbudget im Auge behalten werden denn die Versuchung ist groß, beispielsweise durch mehr Flächenzukauf oder Pacht auch mehr zu bewirtschaften, den Betrieb zu vergrößern und so in eine selbst geschaffene Abhängigkeit zu geraten.
In seinem Betrieb ist Boris Pfaff für alles verantwortlich: Boden, Pflanzen, Tiere, Saatguteinkauf, Vermarktung, Schlachtung und vor allem auch für die Dokumentation. „Für die Zertifizierung ist beispielsweise ein erheblicher Zeitaufwand notwendig. Die Vorbereitung der jährlichen Ökokontrolle bedarf meistens eines ganzen Arbeitstages und dann fehlt trotzdem noch etwas, wie z.B. ein Lagerbuch oder eine Schlagkartei. Wenn ich am Anfang nur drei Tonnen Hafer geerntet habe, hatte ich mir das irgendwo aufgeschrieben, aber noch keine extra Liste geführt, die Menge war ja übersichtlich.“ erinnert sich Boris Pfaff an die Anfänge. Das führte dazu, dass die Kontrollen teilweise sehr lange dauerten – für einen relativ übersichtlichen Betrieb. Der Nachteil der Bio-Kontrollen ist, dass der kleine Betrieb fast den gleichen bürokratischen Aufwand betreiben muss, wie ein Haupterwerbsbetrieb mit ein paar Hundert Hektar.

Marke Demeter zieht nur bei Getreide
In Sachen Vermarktung trennt sich die Spreu vom Weizen. Für Getreide, hauptsächlich Braugerste, Weizen oder Hafer, ist das Demeter-Siegel relevant und bringt Preisunterschiede im Verkauf. Doch bei den tierischen Produkten, den Rindfleischpaketen oder bei der ein oder anderen Ente bzw. Gans, zählt Bio oder gar Demeter nicht. Den Kunden ist es wichtig, den lokalen Produzenten zu kennen und, dass das Fleisch gut schmeckt. Was genau Demeter sein soll, wissen hier viele nicht und es ist ihnen auch egal, ob da nun Bio draufsteht, oder nicht. „Hier im ländlichen Raum ist Bio und Demeter ganz selten ein Verkaufsargument – auch im hiesigen Supermarkt sucht man oft die Bioprodukte. Anders wäre es, wenn wir näher an einer Großstadt mit bio-affinem Klientel wohnen würden“ fasst Andrea, die Frau von Boris Pfaff, die Vermarktungssituation zusammen. Sie ist Finanzbeamtin und kümmert sich zurzeit hauptsächlich um die Kinder, Haus und Garten. Im Betrieb ist ihr das Tierwohl besonders wichtig und sie blickt mit Argusaugen auf alle Entscheidungen, die die Tiere betreffen.
Die Rinder werden seit 2021 in Behringen bei Eisenach geschlachtet und auch die Fleischpakete werden dort vorbereitet. Die 10 kg Pakete sind ein Mix aus sechs Rouladen, vier Steaks, Kochfleisch, Braten, sechs Bratwürsten und Gulasch. Sie werden entweder ausgeliefert oder abgeholt, je nach Absprache. Den Kundenstamm hat sich Boris Pfaff über Jahre aufgebaut, hauptsächlich über persönliche Empfehlungen. „Das ist eindeutig ein Vorteil, dass ich als Anwalt mit vielen Menschen Kontakt habe und so auch einige Kunden gewinnen konnte“. Jährlich lässt Pfaff drei bis vier Tiere schlachten. Der letzte Jungbulle hatte ein Schlachtgewicht von 300 kg.
Hühner und entsprechend die Eier-Vermarktung gehörten eine Zeit lang zum Betrieb – wurden aber vorerst abgeschafft, da der Fuchs immer wieder zuschlug. Die 50 Hennen der Rasse Sundheimer waren gute Winterleger mit zuverlässigen Eierzahlen. Die Vermarktung erfolgte ähnlich wie beim Fleisch über Mundpropaganda. Außerdem belieferte er eine Gaststätte und einen kleinen Laden im Ort mit Eiern. „Die Hähne haben wir immer mitlaufen lassen. Da gab es keine Probleme und wir konnten auch das Fleisch gut vermarkten.“ blickt Boris Pfaff zurück.

Ackerbau und Vielfalt
Derzeit sind acht Hektar mit Ackerkulturen bestellt, vorrangig Weizen und Braugerste. Den Großteil der anfallenden Arbeiten lässt Boris Pfaff im Lohn erledigen, da eigene Technik bisher kaum vorhanden ist. Als gelernter Fahrzeugschlosser hat er einen Hang zum Praktischen. Was noch selbst repariert werden kann, wird instandgesetzt und weiter genutzt. „Eine Egge und mehrere kleine Geräte habe ich. Nach und nach kaufe ich gebrauchte Technik zu, um perspektivisch unabhängiger zu sein, wobei der Faktor Zeit dabei auch nicht vergessen werden darf.“ gibt Boris Pfaff zu bedenken. Denn es ist ein Unterschied, ob er sechs Stunden auf dem Schlepper sitzt oder in der Kanzlei und parallel ein Lohnbetrieb die Feldarbeit erledigt – mit viel größerer Schlagkraft und modernster Technik.
Die Ackerflächen, und auch jede neue Fläche, die er hinzupachtet oder kaufen kann, bestellt er für drei Jahre mit Kleegras, was den vorher meist konventionell bearbeiteten Äckern wieder Bodenstruktur und Bodenleben zurückgibt. „Ich habe sogar schon mal eine Regenwurmzucht betrieben und die Würmer auf meinen Äckern verteilt.“ erinnert sich Pfaff schmunzelnd. Eine feste Fruchtfolge hat er nicht. Zwischenfrüchte, die auch wertvolles Futter für die Rinder liefern, sind ihm wichtig. In die Zwischenfrucht erfolgt auch die Kompostgabe. Und was dann kommt, ist abhängig davon, was der Markt nachfragt und worauf der Bauer Lust hat – denn: Boris Pfaff experimentiert gern und möchte flexibel bleiben. Kartoffeln oder Ackerbohnen kann er sich ebenso vorstellen wie Linsen. Auch bei den Wiesen legt er Wert auf Qualität. Sie bedürfen der gleichen Aufmerksamkeit wie das Ackerland. Der pH-Wert ist zu kontrollieren, wenn notwendig nachzusäen, regelmäßig auszumähen, um die Wiesenunkräuter in Schach zu halten und letztendlich auch nach jedem Weidegang abzuschleppen. Probleme machen die Engerlinge, die auch gern von den Wildschweinen ausgegraben werden – was die Wiese natürlich in einem schlimmen Zustand hinterlässt. Agroforst findet man auf seinem Betrieb: Walnüsse und Obstbäume, Pflaumen, Äpfel, Birnen und Süßkirschen stehen auf der Rinderweide und perspektivisch möchte Boris Pfaff zwei Reihen Weihnachtsbäume anpflanzen.
Der Weg zu Demeter
In den 2010er Jahren wurde die Landwirtschaft in der Region um Langenfeld immer eintöniger. Es war zu erkennen, dass auf immer mehr Fläche weniger erwirtschaftet wurde und die Produktqualität abnahm. Mehr durch Zufall hatte Boris Pfaff Rudolf Steiner gelesen und sich dann mit den Arbeiten von Lili Kolisko auseinandergesetzt. „Besonders ihr Buch „Landwirtschaft der Zukunft“ hat mich gepackt“ erinnert er sich. Das Buch gab es in Deutschland nicht mehr. Er hat es sich als PDF aus Australien schicken lassen. Seither experimentiert er mit den biodynamischen Präparaten, mischt Hornmist beispielsweise mit Gesteinsmehl, Schwefel und Kalk, und verweist auch gern auf eine kleine Anekdote dazu: „Ich hatte einen Schülerpraktikanten, der nicht besonders motiviert war und eine von mir hergestellte Kalkbrühe (5 g Kalk auf 20 l Wasser) recht lustlos ausgespritzt hat. Ein paar Wochen später konnte ich auf der Weide jedoch genau sehen, wo er langgegangen ist und welche Stellen die Kalkbrühe abbekommen haben und welche nicht. Für mich der sichtbarste Beweis für die Wirkung der homöopathischen Präparate.“
Jahre später, anlässlich eines Seminars zur Aufwertung von Wiesen und Grünland in Bayern, inspirierten ihn einige bayrische Demeter-Landwirte mit ihren Ansichten und er nahm Kontakt zu Hans-Günther Koch auf, der damals den Demeter-Landesverband Thüringen leitete, und bald darauf wurde der Markennutzungsvertrag abgeschlossen. Er erinnert sich noch an die Anfänge seiner biodynamischen Bewirtschaftung, die in seiner Region völlig unbekannt ist. Da wurde er auch skeptisch beobachtet, vor allem als er mit Harald Wolber aus Halle die Präparate ausbrachte – spät abends, schon in der Dämmerung, da es zeitlich nicht anders einzurichten ging. Spitze Nachfragen wie „Was spritzt du denn nachts für ein Gift?“ nahm Boris Pfaff mit Humor und zeigt Skeptikern auch gern seine Felder und Wiesen, die sichtlich gut dastehen.
Die Kompostpräparate kauft er zu, Hornmist und Hornkiesel stellt er selbst her. Den Mist für den Kompost produzieren die Kühe, wenn sie von November bis April den Weideunterstand nutzen. In diesem wird der Tretmist angesammelt, präpariert, mit Gesteinsmehl und effektiven Mikroorganismen versetzt. Im April/Mai wird der so vorbehandelte Mist dann mit Erdaushub zu Kompostmieten angesetzt, insgesamt etwa 50 m³. Die Spritzpräparate wendet er nach Gefühl an und richtet sich nach dem Zustand der Bestände. Die jährlichen Hofgespräche und die Quartalstreffen, inklusive Präparatearbeit, mit den Demeter-Kollegen sind für ihn wichtige Momente der Reflektion und des Lernens. Die Bodenpflege liegt Boris Pfaff auch sehr am Herzen – dafür nutzte er die Bodenanalyse nach Albrecht, durchgeführt vom Büro Christophel aus der Oberpfalz. Durch die Analyse erhielt er konkrete Empfehlungen zu Düngung und Bearbeitung, was er sehr hilfreich fand und dadurch auch Verbesserungen in der Bodenstruktur feststellen konnte.
Blick in die Zukunft

Wie entwickelt sich der Betrieb weiter? Kommen Flächen hinzu, werden die Kinder mal einsteigen? Für all das hat Boris Pfaff keine fixe Vorstellung, er lässt sich Optionen offen und probiert gern aus. Diese Flexibilität gibt ihm Spielraum, das Beste aus jeder Situation zu machen, und er geht Projekte und Entwicklungen „auf Sicht“ an, wie er es nennt – in überschaubaren Zeiträumen planen.
Konkrete Ziele hat er aber dennoch: Die Ackerarbeiten sollen perspektivisch komplett in Eigenregie laufen, ohne Lohnunternehmer. Auch Agrophotovoltaik interessiert ihn. Seine beiden Kinder, Adele 15 und Vincent 11, helfen ab und an in der Landwirtschaft – wobei Vincents Leidenschaft das Geflügel ist und er sich auch vorstellen könnte, den Betrieb mal weiterzuführen. Für Boris Pfaff ist es das Hauptziel, den Beweis zu führen, dass mit biologisch-dynamischer Bewirtschaftung eine höhere Qualität der Nahrungsmittel und aber auch eine höhere Quantität zu erreichen ist. Bei Grünland kann er diesen Beweis bereits führen, bei Ackerland ist er auf einem guten Weg.
Betriebsspiegel
- Landwirtschaftsbetrieb Boris Pfaff, (wieder) gegründet 2012
- Demeter seit 2016
- Mutterkuhhaltung mit 24 Rindern, Rotes Höhenvieh, eingetragen im Herdbuch Thüringen/Hessen
- Ackerbau, 8 ha (Weizen, Hafer, Braugerste, uvm.)
- Vermarktung direkt (Fleisch) und über Erzeugergemeinschaft (Getreide)
https://www.demeter.de/betriebe/landwirtschaftsbetrieb-boris-pfaff