Portrait

Goldene Gedanken in Slowenien

Vielfalt in Familie Turineks SoLaWi

von Adrian T. Meyer

Die Klimaextreme der vergangenen Jahre waren in Slowenien besonders drastisch zu spüren. Regenfälle – teilweise Wochen und Monate am Stück – sorgten für Überflutungen, Spätfröste für Ernteausfälle. In all dem Chaos lassen sich Maja und Matjaž Turinek aber nicht entmutigen, das Biodynamische auf ihrem Betrieb voranzutreiben und sich gemeinsam mit dem Hof weiterzuentwickeln. Was ihnen dabei hilft, sind vor allem drei Dinge: Erfindergeist, Austausch mit Kollegen über Grenzen hinweg und positive Rückmeldungen vom Hof selbst, der ihnen sagt, dass sie das Richtige tun.

Obst und Nüsse auf den Hängen

Der Betrieb „Zlate Misli“, auf Deutsch „Goldene Gedanken“, in der Nähe von Maribor, im Osten des Landes, ist sehr kleinteilig strukturiert. Matjaž und Maja bewirtschaften insgesamt 16 ha Fläche. Gemeinsam mit drei Kindern wohnen sie im über 250 Jahre alten Wohnhaus der Familie in Jarenina. Die größte Einzelfläche ist der 10 ha große Obsthain, knapp 1,5 km außerhalb des Ortes. Die restlichen Felder und Weiden sind in der hügeligen Landschaft verteilt. Auf der Hälfte der Flächen im Obsthain bauen die beiden Äpfel, Blaubeeren, Hasel- und Walnüssen sowie Kastanien an; die andere Hälfte bedecken Getreide, Möhren, Salate und anderes Feingemüse, vornehmlich in Gewächshäusern. Auf etwas weiter entfernt gelegenen Flächen bauen sie Bohnen, Butternut- und Hokkaido-Kürbisse, Kartoffeln und Kohl an. Seit letztem Jahr unterstützt sie noch Mitarbeiterin Evelyn aus Südtirol.

Auf 1,5 ha stehen Äpfel in Reihen die Hänge hinab. Zwölf Sorten sind es insgesamt: sieben schorfresistente und fünf alte Landsorten. In den vergangenen acht Jahren hatte der Betrieb fünf Mal mit Totalausfällen durch Spätfrost zu kämpfen. Seit letztem Jahr verwenden sie Frostberegnung, damit haben sie die Ausfälle stark begrenzen können. Der Steyrische Maschanzker, eine alte Landsorte aus der SlowFood Arche des Geschmacks, hatte die vergangenen Jahre ebenfalls Probleme bereitet, die Bäume wollten einfach nichts tragen. Dieses Jahr hat Matjaž entschieden, auf einen Beschnitt zu verzichten und jetzt tragen sie prächtig. „Wir lernen und testen nach und nach, wie wir die Bäume haben wollen. Oder besser: Wie die Bäume sein wollen“, erklärt er den Entwicklungsprozess im Obsthain.

Auf dem höchsten Hang wuchsen früher Äpfel, heute stehen dort junge Walnussbäume. Bis es hier Ertrag gibt, wird es allerdings noch gut zehn Jahre dauern. Wenn die Blätter im Herbst abgefallen sind, können hier auch die Schafe weiden. In zwei bis drei Jahren werden die Bäume groß genug sein, dass die Tiere nicht mehr an die Blätter rankommen; dann können sie auch über das Jahr auf die Fläche.

Wetterextreme nehmen zu

In den vergangenen Jahren hatten sie große Probleme mit heftigen Niederschlägen, vor allem das letzte Jahr war extrem; von Mai bis August herrschte Dauerregen. Die Böden in der Region sind schwere, lehmige Tonböden, daher sind die Arbeitsfenster unter solchen Umständen sehr klein. Auch die Sonnenblumen sind dieses Jahr durch Schnecken und Feuchtigkeit geschädigt. Ähnliches erlebt Matjaž gerade beim Kleegrasmulch auf den Kartoffeln.

Im Angesicht des vielen Regens zahlt sich eines der bisher langjährigsten Projekte aus: Der Teich im Obsthain hat nach 3 Jahren ein gutes Gleichgewicht im Wasser erreicht. Mittlerweile leben dort Fische, Enten, Frösche und Libellen – und auch Reiher schauen öfter mal vorbei. Die Idee, den Teich anzulegen, kam Matjaž, als sie nach einer Lösung für die Spätfroste suchten – etwa 400 m³ Wasser werden hier für eine Nacht benötigt! Mit dem Teich kann er vier bis fünf Nächte die Bäume beregnen. Durch den Rücklauf von den Hängen können sie einen Großteil des Wassers wiederverwenden. Aktuell ist auch der Bau eines zweiten Teiches geplant – noch ist dieser aber nur ein altes Wasserloch.

Basteln und experimentieren

Zwar haben Matjaž und Maja als Doktoren der Agrarwissenschaften einen akademischen Hintergrund, sie sehen sich aber eher als praktische Problemlöser. Der Hof präsentiert eine Herausforderung und dann überlegen beide, wie man darauf reagieren kann. „Regelmäßig kommen Berater zu uns und fragen: Was habt ihr dieses Jahr wieder ausgetüftelt?“ Man merkt Matjaž schnell an, dass er ein Bastler ist und Freude am Ausprobieren hat. Als sie den Teich aushoben, hat er einen Teil der Erde mit dem Schlepper verdichtet, um zu sehen, wie sehr sich das Gewicht auf die Bodenbeschaffenheit auswirkt. Das Ergebnis war eindeutig und hat ihm bestätigt: „Nichts, was auf unsere Felder fährt, hat mehr als drei Tonnen!“ Er setzt auf Minimalbodenbearbeitung; nur Grubber, kein Pflug, von Anfang an. Wie sich ein intensiveres Befahren auswirkt, sieht man bei den Nachbarn: Auf mehreren Feldern in den Tälern um Jarenina stehen kleine Seen, wo die schweren Schlepper den Tonboden zu stark verdichtet haben.

Seine Vorliebe für Blaubeeren hat Matjaž auch dazu verleitet, etwas intensiver in den Boden einzugreifen. Kalkböden mit hohem (6,5 - 6,8) pH-Wert prägen die Landschaft, aber für den Anbau von Blaubeeren benötigt man eher saure Böden. Einige Schwefelgaben und Einarbeitung organischer Substanzen später wachsen gut 300 Pflanzen, an denen dicke, saftige Beeren hängen.

Für die Versorgung der SoLaWi stehen auf dem Gelände des Obsthains 4 Gewächshäuser mit insgesamt 1000 m² Fläche. Da das Gelände sehr hügelig ist, ist das Errichten der Gewächshäuser eine Herausforderung. Das Gelände muss eingeebnet werden, aber dafür läuft das viele Regenwasser gut ab. Da die SoLaWi-Kunden im Winter den höchsten Bedarf an Gemüse haben, sind die Gewächshäuser von September bis April voll mit Gemüse in Rotation. Neben 5 Sorten Tomaten wachsen hier im Sommer auch Melanzani, Paprika, Bohnen, Mangold und Sellerie. Im Winter sind sie voll mit Salaten, Pak-Choi, Zwiebeln und anderem saisonalen Gemüse.

Schafe als Kommunalarbeiter

Eines der Gewächshäuser hat eine besondere Rolle im Obsthain. Aktuell wachsen dort selbst gezogene Süßkartoffeln, letztes Jahr wurden Wassermelonen angebaut. Im Winter wird es allerdings als Schafstall benutzt. Der Tretmist der Tiere bleibt einfach drin, für den Anbau schichten sie alles zu Dämmen auf und nach der Ernte wird es mit den Ernteresten vermischt. Das Ergebnis über die Zeit ist eine kontrollierte Kompostierung mit gleichzeitigem Anbau; den entstehenden hochqualitativen Kompost nutzen sie dann für den Gemüseanbau in den anderen Gewächshäusern.

Die Schafe stehen ein gutes Stück entfernt: eine kleine, bunte Herde aus Kamerun- und Ouessantschafen mit ca. 50 Muttertieren. Matjaž und Maja scheren die Schafe selbst, gemolken werden sie nicht. Da die Kamerunschafe aber keine gute Wollqualität haben, wird die Wolle nicht weiterverarbeitet, sondern als Dünger für Pflanzlöcher von Bäumen und im Kompost genutzt. Männliche Schafe gehen zum Metzger; eine bäuerliche Kooperation übernimmt das Schlachten und die Vermarktung. Laut den beiden sind die Tiere „Kommunalarbeiter“ für den Kompost und tragen sich finanziell im großen Bild des Hofes selbst. In den letzten Jahren hatten sie ein paar Mal Probleme mit wilden Hunden und Schakalen, die die Herde angegriffen haben. Ein solarbetriebener Stromzaun hat dieses Problem zumindest vorerst gelöst.

Entweder Landwirtschaft oder Forschung

Von seinem akademischen Hintergrund hat sich Matjaž nie ganz entfernen wollen. Zwar ist er auf dem Hof eher als Bastler und praktischer Problemlöser unterwegs, aber er arbeitet auch mit den Universitäten in Maribor und Ljubljana zusammen; in diesem Jahr laufen drei Forschungsprojekte. Trotz der Zusammenarbeit mit den Universitäten erklärt Matjaž mit leichtem Bedauern: „Entweder Landwirtschaft oder Forschung. Man kann nicht auf zwei Stühlen gleichzeitig sitzen.“ Neben seinen Verpflichtungen auf dem Hof und der wissenschaftlichen Arbeit ist Matjaž auch international engagiert. Als Mitglied der internationalen Fachgruppe für biodynamischen Obstbau steht er in intensivem Austausch mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen. Als Mitglied im Vertreterkreis der Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum steht er auch für die biologisch-dynamische Landwirtschaft im Land. Maja unterstützt seit ihrer Promotion in 2016 neben der Hofarbeit den sozialen Aspekt des Hofes. Ihr Interesse ist geteilt zwischen den Kunden der SoLaWi und dem fachlichen Nachwuchs in der Landwirtschaft: jungen Praktikanten aus dem European Solidarity Corps und Erasmus sowie Studenten, die für einige Wochen oder Monate am Hof mitlernen. In den letzten Jahren ist auch die Unterstützung der Frauen in der Landwirtschaft immer stärker in den Fokus ihres Interesses gerückt.

Biodynamik in Slowenien

In Slowenien gibt es eher wenige Demeter-Betriebe, dafür aber viele gut organisierte biologisch-dynamisch wirtschaftende Kleingärtner; in 16 Regionalverbänden sind etwa 3.000 biodynamische Gärtner organisiert. Dem gegenüber stehen gut 40 Höfe und eine Handvoll Verarbeiter und Händler, die durch die eigene Demeter-Zertifizierung in Slowenien geprüft sind. Die Landwirtschaft im Land ist allgemein sehr kleinteilig strukturiert; wobei der durchschnittliche Bio-Hof mit 15 ha doppelt so groß ist, wie der durchschnittliche konventionelle Hof. Bio hat hier einen großen Stellenwert: fast 10 % der Höfe – ca. 3.400 Betriebe – sind Bio-zertifiziert.

Der Landwirtschaftliche Kurs begegnete Matjaž das erste Mal vor 20 Jahren bei einem Austauschjahr zu ökologischer Landwirtschaft in Wales. Zusammen mit Mitarbeiterin Evelyn veranstalten sie im Herbst und Winter einen kleinen Lesekreis, in dem sie gemeinsam Teile des Kurses lesen und darüber sprechen. Auf dem Hof erleben er und Maja häufig Aha!-Momente, wenn sie etwas dazu Passendes beobachten. Der Inhalt des Kurses ist für die beiden immer noch hochaktuell und mit so viel Inhalt auch nie ausgeschöpft. Was ihnen immer wieder begegnet, ist die Bedeutung des Tons in ihren Böden. Laut dem Landwirtschaftlichen Kurs, gibt der Ton Geschmack. Das wissen anscheinend auch die Kunden zu schätzen: eine Familie aus dem Nordwesten Sloweniens reserviert sich jedes Jahr 400 kg Möhren, weil sie ihnen von hier am besten schmecken.

Vielfalt für die Kunden

Ihre Erzeugnisse vertrieben die beiden von Anfang an in einer SoLaWi; Vielfalt war deshalb stets wichtig. An einer Sammelstelle werden jede Woche Kisten für Kunden zum Abholen bereitgestellt – etwa 150 Familien versorgt der Hof auf diese Weise. 2018 haben sie die SoLaWi zu einer CSA mit Crowdfunding umgestellt, in der Familien mit freiem Betrag ihren Anteil leisten können. Über eine App können die Mitglieder dann Kisten bestellen. Insgesamt 100 verschiedene verarbeitete Produkte und rund 60 Gemüseerzeugnisse bietet der Hof seinen Mitgliedern – eine Vielseitigkeit, die die Kunden sehr schätzen. Das einzige Problem, das sie noch nicht haben lösen können, sind die Kistenengpässe.

Es ist gut, ein Demeter-Hof zu sein. Man versteht manche Sachen anders. Von Jahr zu Jahr verändert sich der Hoforganismus und bleibt lebendig.“

Maja Turinek

Ein goldenes Band zwischen den Menschen

Der Name des Hofes „Zlate Misli“, auf Deutsch „Goldene Gedanken“, stammt von einem Steiner-Zitat, dass sie von einem guten Freund gehört haben: „Wenn Menschen in innerer Ehrlichkeit des Geistige suchen, bildet sich ein goldenes Band von Seele zu Seele.“ Matjaž und Maja wollten, dass ihr Hof zu einem Ort wird, an dem sich Gleichgesinnte, die das Gute suchen, treffen und vernetzen können – und um gute, qualitativ hochwertige Lebensmittel mit allen zu teilen. Aber da alles mit einem Gedanken beginnt – von Gedanken über Worte bis hin zu Taten – sahen die beiden die Schaffung und spätere Umsetzung dieser „Goldenen Gedanken“ als eine ihrer wichtigsten Aufgaben an. „So langsam wachsen wir auch in den großen Namen hinein“, erklärt Maja beim Blick über das Tal um Jarenina.

Der Hof und seine Entwicklung, die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre und die Aussicht, dass es ähnlich extrem weitergehen wird, halten Maja und Matjaž auf Trab. Manchmal fragen sie sich, woher sie die Energie nehmen, durchzuhalten und weiterzumachen. Aber immer wieder schickt ihnen der Hof Impulse, die ihnen zeigen, dass sie das Richtige machen: So entdeckten die beiden eine sehr seltene und bedrohte Salamanderart auf dem Hof, die auf sauberes, fischfreies Wasser und eine strukturreiche Landschaft mit Rückzugmöglichkeiten angewiesen ist. Mittlerweile haben sie dutzende dieser Tiere im Obsthain gefunden. „Der Hof sagt uns: Ihr macht das gut!“, resümmiert Maja beim gemeinsamen Abendessen mit frisch gebackenem Brot und selbstgemachter Haselnusscreme. Aktuell ist der Traum der beiden, in den nächsten fünf bis zehn Jahren in den Obsthain zu ziehen; in ihr kleines, verstecktes Paradies.

Author: Adrian T. Meyer
Redaktion Lebendige Erde

Demeter-Betrieb Zlate Misli, Jarenina, Slowenien

  • Als Demeter-Betrieb 2011 gegründet
  • Jarenina bei Maribor in Slowenien, lehmiger Tonboden, 20 - 55 Bodenpunkte, im Jahresdurchschnitt 10,5°C, 980mm Niederschlag
  • 16 ha Betriebsfläche, davon 5 ha Obst und Nüsse, 8 ha Felder, 3 ha Wiesen
  • Anbau: Äpfel, Blaubeeren, Hasel- und Walnüsse, Kastanien, Hochqualitätsweizen (Antonius), Dinkel, Roggen, Hafer, Einkorn, Emmer, Hirse, Buchweizen, Sonnenblumen, Gemüse (mehr als 40 Arten, unter anderem Tomaten, Bohnen, Butternut- und Hokkaido-Kürbisse, Kartoffeln, Kohl)
  • Ouessant- und Kamerunschafe, etwa 50 Muttertiere mit Nachzucht
  • Vermarktung über SoLaWi mit ca. 150 Familien, Mitglieder holen sich Kisten an Sammelstelle ab
  • Arbeitskräfte: Maja und Matjaž Turinek, 1 Mitarbeiterin, wechselnde Praktikanten