Schwerpunkt

Politik für den Ökolandbau

Ein ökologischer Systemwechsel der Agrarpolitik nutzt allen

von Dr. Alexander Gerber, Geschäftsführer des Bundes Ökologische Lebensmittel­wirtschaft, Berlin, http://www.boelw.de

 

Landwirtschaft erzeugt Nahrungsmittel und gestaltet die Landschaft in der wir leben. Sie ist das soziale und wirtschaftliche Rückgrat des ländlichen Raums. Immer mehr soll sie auch Energie und Werkstoffe liefern. Obwohl die Landwirtschaft, die ja im Kern natürliche, erneuerbare Ressourcen mit Hilfe von Sonnenenergie nutzt, ein ganz anderes Potenzial hat, erfüllt sie diese Aufgaben aktuell in einer katastrophalen Art und Weise.

 

Sie trägt weltweit mit ca. 30% zu den Treibhausgasemissionen bei, weit von ihrer möglichen Energieautarkie entfernt. Seit 1950 hat sich der Hektarertrag von Getreide zwar in etwa verdoppelt, gleichzeitig stieg der Einsatz von Pestiziden und mineralischen Düngern um mehr als das Dreifache. Diese Betriebsmittel sind extrem energieaufwändig herzustellen und belasten Böden und Gewässer. Die damit mögliche Intensiv-Landwirtschaft führt zu einer extremen Verarmung der Biodiversität. So ist die Landwirtschaft wesentlich dafür verantwortlich, dass die Belastungsgrenzen unseres Planeten beim Klimawandel, Stickstoffkreislauf und der Biodiversität bereits deutlich überschritten sind. Ein beherztes und schnelles Umsteuern ist unerlässlich.

 

Die anstehende Reform der europäischen Agrarpolitik für die Zeit ab 2014 wäre der zentrale Angelpunkt für eine Agrarwende. Doch abgesehen von den vorgeschlagenen 7 % ökologischen Vorrangflächen, werden die Greening-Maßnahmen in der ersten Säule keinerlei Effekt für eine umweltfreundlichere Landwirtschaft haben. Die dringend notwendige Verbesserung des Tierschutzes lässt die Reform sowieso außen vor. Jetzt sind EU-Parlament und die Mitgliedstaaten gefordert, noch substanzielle Verbesserungen dieser weniger als halbherzigen Reform zu erreichen.

Mehr Ökolandbau ist keine Klientelpolitik

Ökolandbau ist am besten geeignet, die multifunktionalen Ziele einer nachhaltigen Landwirtschaft zu erreichen. Stickstoff muss nicht energieaufwändig hergestellt werden, sondern wird von Leguminosen aus der Luft geholt. Tiere werden flächengebunden gehalten. Nährstoffe sind damit knapp, oberstes Ziel ist, ihre Verluste zu minimieren. Ein unter diesen Restriktionen erreichtes, hohes Ertragsniveau ist Ausdruck der effizientesten und umweltfreundlichsten Form der Landwirtschaft. Dort wo Ökolandbau betrieben wird, steigt die Wertschöpfung im ländlichen Raum um ein Drittel. Dies macht deutlich: die Frage, welchen Stellenwert die Agrarpolitik dem Ökolandbau beimisst, wird nicht aus der Perspektive einer Klientelpolitik für Öko-Landwirte gestellt. Es geht darum, wie wir die Herausforderungen meistern, dauerhaft Landwirtschaft betreiben zu können. Die Voraussetzung dafür ist, dass immer mehr Landwirte auf Ökolandbau umstellen und alle – bestehende und neue Betriebe – wirtschaftlich arbeiten können. Dafür müssen die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Was bieten nun die aktuellen EU-Vorschläge?

 

Die gute Nachricht: Wer ökologisch wirtschaftet, hätte die geplanten „Greening-Auflagen“ der ersten Säule bereits erfüllt. Damit erkennt die Politik an, dass der Ökolandbau die Fruchtfolge-Regelungen sowieso erfüllt und vergleichbare ökologische Leistungen, wie sie auf Vorrangflächen erreicht werden sollen, im Ganzen bereits erbringt. Für Öko-Betriebe, die bereits einem engen Kontrollregime unterliegen, wird damit der Verwaltungsaufwand erheblich vereinfacht. Alle anderen Regelungen gehen aber längst nicht weit genug, um eine Lenkungsfunktion hin zu mehr Ökolandbau zu erreichen. Dafür müssten aus Sicht des Ökolandbaus folgendes umgesetzt werden:

  • Die Mittel für die zweite Säule müssen 50 % aller EU-Agrarmittel umfassen.

  • 50 % der Mittel in der zweiten Säule müssen zwingend für Agrarumweltprogramme vorgesehen werden, damit genügend Mittel vorhanden sind, die Umstellung auf und die Beibehaltung des Ökolandbaus fördern zu können.

  • Ökolandbau muss ein verpflichtender Bestandteil der Agrarumweltprogramme sein, die EU muss diese Maßnahme mit 80 % kofinanzieren.

  • Ökolandbau muss fester Bestandteil in Programmen zur ländlichen Entwicklung sein, wie der Förderung von Beratung, Investitionen oder Erzeugergemeinschaften. Entsprechende, von Öko-Betrieben in Anspruch genommene Maßnahmen werden dabei 20 % höher gefördert.

Für einen wirklichen Schritt in Richtung einer umweltfreundlicheren Landwirtschaft müssen weitere Kernforderungen im Rahmen des „Greening“ umgesetzt werden: Es muss ein Mindestanteil Leguminosen von mindestens 10 % in der Fruchtfolge festgeschrieben werden. Die Fruchtfolge muss zudem mindestens dreifeldrig mit einem maximalen Anteil einer Frucht von 50 % sein. Überhaupt noch Verbesserungen in diese Richtung zu erzielen, wird eine große Herausforderung unserer politischen Arbeit in den nächsten Monaten sein. Grundsätzlich muss das Ziel sein, dass Zahlungen an die Landwirte nur noch für konkret erbrachte gesellschaftliche bzw. Umweltleistungen erfolgen.

Bundespolitik muss umsteuern

Doch ist nicht nur die EU-Agrarpolitik gefordert, wenn es zu einem Umsteuern in der Landwirtschaft und einer schnellen Ausdehnung des Ökolandbaus kommen soll. Vor allem muss der übermäßige Fleischkonsum und der damit zusammenhängende Eiweißimport aus Drittländern eingedämmt werden. Dieser führt zu großen Umweltschäden, in den Herkunftsländern durch Monokultur und Urwaldrodung und bei uns durch Gülleüberschüsse. Fleisch, das wir dann in Entwicklungsländer exportieren, zerstört dort lokale Märkte. Notwendig ist deshalb eine wirksame Besteuerung von Stickstoffdünger und indirektem Stickstoffimport über Eiweißfuttermittel, beispielsweise durch eine Stickstoffüberschusssteuer. Weitere Maßnahmen könnten eine Selbstversorgerprämie für ausschließlich selbst angebautes Eiweißfutter und eine Beweidungsprämie für eine Anzahl von Mindestweidetagen sein. Agrarbetriebe mit Massentierhaltung könnten über das Baurecht eingedämmt werden, indem privilegiertes Bauen im Außenbereich nur für landwirtschaftliche Betriebe erlaubt wird, die eine flächengebundene Tierhaltung haben.

 

Eine dringende Verbesserung ist beim „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ notwendig. Auch nach der Novelle ist der Maisanbau in Monokulturen besser gestellt – die wesentlich umweltfreundlichere Variante der Kleegrasnutzung wird verhindert. Der Ökolandbau verliert seine Wettbewerbsfähigkeit weil der Maisanbau für Biogasanlagen ökonomisch bevorteilt wird und hohe Pachtpreise bewirkt.

Um Verbesserungen beim Tierschutz zu erreichen, müssen Investitionsprämien auf Ställe mit tiergerechten Haltungsverfahren beschränkt werden. Schwänze kupieren, Schnäbel beschneiden und vorbeugender Antibiotikaeinsatz muss untersagt werden.

Schließlich brauchen wir eine Neuausrichtung der Forschungspolitik. Die Verfahren die besonders erfolgversprechend sind, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern, da ist zuvorderst der Ökolandbau zu nennen, müssen im Wettbewerb um die besten Konzepte besonders gefördert werden. Dazu brauchen wir auch eine Neuausrichtung der Forschungsstrukturen. Ähnlich wie das internationale Klimaforschungsinstitut in Potsdam, wäre zumindest auch ein Max-Planck-Institut für ökosystemare Agrarforschung angezeigt.